mälig an eine unseelige Zufriedenheit mit sich selbst. So lernen sie allmählig das crasseste Lob vertragen, hingegen aber auch nicht den leise- sten, bescheidensten Tadel leiden. Oft beleidigt sie schon das blosse Stillschweigen eines mit dem schmeichelnden Augendiener nicht einstimmen- den weisen und bedächtlichen Manns.
Wenn man sie aber gar nicht lobt, immer wieder streichelt, und durch Beyfall und loben stets von neuem zu guten und löblichen Tha- ten ermuntert, ihre eigenen Gefühle durch den Ruhm ihres Nahmens bey ihrem Volk und durch den Dank der Nachwelt spornt und belebt, so überlassen sich viele von ihnen ihrer Gemäch- lichkeit, Geistes-Trägheit etc. biss sie endlich selbst vermodern, oder petrificirt werden, und so auf eine oder die andere Weise den Roman ihres Lebens endigen.
Woher nun dieses alles? Weil die Fürsten selten wahre, und noch seltener weise, am al- lerseltensten so strenge Freunde haben wie Sülly, der den Muth hatte, aus Eifer für die Ehre seines Königs, in dessen eigenen Gegen- wart, ein unbedachtsames Versprechen zu zer- reissen und sich aus Herzens-Treue lieber von seinem Herrn einen Narrn schelten lassen, als
mälig an eine unseelige Zufriedenheit mit sich selbst. So lernen sie allmählig das crasseste Lob vertragen, hingegen aber auch nicht den leise- sten, bescheidensten Tadel leiden. Oft beleidigt sie schon das bloſse Stillschweigen eines mit dem schmeichelnden Augendiener nicht einstimmen- den weisen und bedächtlichen Manns.
Wenn man sie aber gar nicht lobt, immer wieder streichelt, und durch Beyfall und loben stets von neuem zu guten und löblichen Tha- ten ermuntert, ihre eigenen Gefühle durch den Ruhm ihres Nahmens bey ihrem Volk und durch den Dank der Nachwelt spornt und belebt, so überlassen sich viele von ihnen ihrer Gemäch- lichkeit, Geistes-Trägheit etc. biſs sie endlich selbst vermodern, oder petrificirt werden, und so auf eine oder die andere Weise den Roman ihres Lebens endigen.
Woher nun dieses alles? Weil die Fürsten selten wahre, und noch seltener weise, am al- lerseltensten so strenge Freunde haben wie Sülly, der den Muth hatte, aus Eifer für die Ehre seines Königs, in dessen eigenen Gegen- wart, ein unbedachtsames Versprechen zu zer- reissen und sich aus Herzens-Treue lieber von seinem Herrn einen Narrn schelten lassen, als
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mälig an eine unseelige Zufriedenheit mit sich
selbst. So lernen sie allmählig das crasseste Lob
vertragen, hingegen aber auch nicht den leise-
sten, bescheidensten Tadel leiden. Oft beleidigt
sie schon das bloſse Stillschweigen eines mit dem
schmeichelnden Augendiener nicht einstimmen-
den weisen und bedächtlichen Manns.
Wenn man sie aber gar nicht lobt, immer
wieder streichelt, und durch Beyfall und loben
stets von neuem zu guten und löblichen Tha-
ten ermuntert, ihre eigenen Gefühle durch den
Ruhm ihres Nahmens bey ihrem Volk und durch
den Dank der Nachwelt spornt und belebt, so
überlassen sich viele von ihnen ihrer Gemäch-
lichkeit, Geistes-Trägheit etc. biſs sie endlich
selbst vermodern, oder petrificirt werden, und
so auf eine oder die andere Weise den Roman
ihres Lebens endigen.
Woher nun dieses alles? Weil die Fürsten
selten wahre, und noch seltener weise, am al-
lerseltensten so strenge Freunde haben wie
Sülly, der den Muth hatte, aus Eifer für die
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wart, ein unbedachtsames Versprechen zu zer-
reissen und sich aus Herzens-Treue lieber von
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/110>, abgerufen am 22.11.2024.
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