Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Zeiten der Reformation dauerte, die wenigen Fälle
ausgenommen, da man noch im vorigen Jahr-
hundert einen Ernst den Frommen von Sachsen-
Gotha, einen Bernhard den Grossen von Sach-
sen-Weimar, und etwa noch einen und den an-
dern findet, dem seine Zeitgenossen und die
Nachwelt diese Ehrennahmen zugestanden haben.

Soll man es bedauren, dass diese Gewohnheit
abgekommen ist? Zur Erlernung der Geschichte
wäre sie allerdings behülflich gewesen; aber
auch nur der älteren, über drey Menschen-Al-
ter reichenden hinaus näher zu unseren Zeiten
gilt nur: Loben oder Schweigen, oder doch
sich weislich und möglichst verbergen wenn
man tadeln will. Denn sonst würden zwar von
unsern Augustissimis, Potentissimis, Serenissi-
mis und Celsissimis nicht minder wahre Beynah-
men erdacht werden können, von denen aber
der Erfinder, wenn er anderst nicht ein unver-
schämter Lobhudler wäre, sich schwerlich um
das Macherlohn melden würde. Denn gegen
Eine mit Wahrheit so genannte Majeste Pacifi-
que oder Sagesse Serenissime, welchen ganz
andern und höchstcharacteristischen Cathegorien
würde man nur von unsern und unserer Väter

(II. Band.) H

Zeiten der Reformation dauerte, die wenigen Fälle
ausgenommen, da man noch im vorigen Jahr-
hundert einen Ernst den Frommen von Sachsen-
Gotha, einen Bernhard den Groſsen von Sach-
sen-Weimar, und etwa noch einen und den an-
dern findet, dem seine Zeitgenossen und die
Nachwelt diese Ehrennahmen zugestanden haben.

Soll man es bedauren, daſs diese Gewohnheit
abgekommen ist? Zur Erlernung der Geschichte
wäre sie allerdings behülflich gewesen; aber
auch nur der älteren, über drey Menschen-Al-
ter reichenden hinaus näher zu unseren Zeiten
gilt nur: Loben oder Schweigen, oder doch
sich weislich und möglichst verbergen wenn
man tadeln will. Denn sonst würden zwar von
unsern Augustissimis, Potentissimis, Serenissi-
mis und Celsissimis nicht minder wahre Beynah-
men erdacht werden können, von denen aber
der Erfinder, wenn er anderst nicht ein unver-
schämter Lobhudler wäre, sich schwerlich um
das Macherlohn melden würde. Denn gegen
Eine mit Wahrheit so genannte Majesté Pacifi-
que oder Sagesse Serenissime, welchen ganz
andern und höchstcharacteristischen Cathegorien
würde man nur von unsern und unserer Väter

(II. Band.) H
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0119" n="113"/>
Zeiten der Reformation dauerte, die wenigen Fälle<lb/>
ausgenommen, da man noch im vorigen Jahr-<lb/>
hundert einen Ernst den Frommen von Sachsen-<lb/>
Gotha, einen Bernhard den Gro&#x017F;sen von Sach-<lb/>
sen-Weimar, und etwa noch einen und den an-<lb/>
dern findet, dem seine Zeitgenossen und die<lb/>
Nachwelt diese Ehrennahmen zugestanden haben.</p><lb/>
          <p>Soll man es bedauren, da&#x017F;s diese Gewohnheit<lb/>
abgekommen ist? Zur Erlernung der Geschichte<lb/>
wäre sie allerdings behülflich gewesen; aber<lb/>
auch nur der älteren, über drey Menschen-Al-<lb/>
ter reichenden hinaus näher zu unseren Zeiten<lb/>
gilt nur: <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Loben oder Schweigen</hi>,</hi> oder doch<lb/>
sich weislich und möglichst verbergen wenn<lb/>
man tadeln will. Denn sonst würden zwar von<lb/>
unsern Augustissimis, Potentissimis, Serenissi-<lb/>
mis und Celsissimis nicht minder wahre Beynah-<lb/>
men erdacht werden können, von denen aber<lb/>
der Erfinder, wenn er anderst nicht ein unver-<lb/>
schämter Lobhudler wäre, sich schwerlich um<lb/>
das Macherlohn melden würde. Denn gegen<lb/>
Eine mit Wahrheit so genannte Majesté Pacifi-<lb/>
que oder Sagesse Serenissime, welchen ganz<lb/>
andern und höchstcharacteristischen Cathegorien<lb/>
würde man nur von unsern und unserer Väter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(<hi rendition="#i">II. Band.</hi>) H</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0119] Zeiten der Reformation dauerte, die wenigen Fälle ausgenommen, da man noch im vorigen Jahr- hundert einen Ernst den Frommen von Sachsen- Gotha, einen Bernhard den Groſsen von Sach- sen-Weimar, und etwa noch einen und den an- dern findet, dem seine Zeitgenossen und die Nachwelt diese Ehrennahmen zugestanden haben. Soll man es bedauren, daſs diese Gewohnheit abgekommen ist? Zur Erlernung der Geschichte wäre sie allerdings behülflich gewesen; aber auch nur der älteren, über drey Menschen-Al- ter reichenden hinaus näher zu unseren Zeiten gilt nur: Loben oder Schweigen, oder doch sich weislich und möglichst verbergen wenn man tadeln will. Denn sonst würden zwar von unsern Augustissimis, Potentissimis, Serenissi- mis und Celsissimis nicht minder wahre Beynah- men erdacht werden können, von denen aber der Erfinder, wenn er anderst nicht ein unver- schämter Lobhudler wäre, sich schwerlich um das Macherlohn melden würde. Denn gegen Eine mit Wahrheit so genannte Majesté Pacifi- que oder Sagesse Serenissime, welchen ganz andern und höchstcharacteristischen Cathegorien würde man nur von unsern und unserer Väter (II. Band.) H

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/119
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/119>, abgerufen am 22.11.2024.