Die Wahrheit dieses Satzes an sich hat zu allen Zeiten, selbst in der Epoque der Neronen, unerschütterlich fest gestanden und wird durch eine solche Zeugen-Wolke bestätiget, dass es überflüssig wäre, nur Ein Wort weiter davon sagen zu wollen. Dem philosophischen Geist unserer Zeit haben wir es aber zu verdanken, dass wir in das Wesen der Geschichte selbst viel tiefer eingedrungen sind *). Dem zu immer mehrerm Licht emporstrebenden menschlichen Geist, dem wachsenden Freyheits-Sinn unserer Zeit, der allgemeiner werdenden Aufklärung und Publicität haben wir die verminderte Ab- götterey vor unsere Könige und Fürsten, und deren gerechtere Wardirung nach ihrem innern moralischen Werth zuzuschreiben. Der seit Vol- tairs und seiner Gesellen Aufenthalt in Deutsch- land epidemisch gewordene arge Spottgeist un- serer Tage aber, verbunden mit der Gewinn- sucht der Buchhändler und dem eigenen bösen Beyspiel, Nachsicht und Indolenz einiger Köni- ge und Fürsten, haben den Reiz noch mehr ver- mehret, und das Uebel, wenn man es so nennen kann, unheilbar, die Mittel dagegen aber immer
*) S. vorzüglich davon die lehrreichen Briefe von Wegelin über den Werth der Geschichte, Berlin 1783.
Die Wahrheit dieses Satzes an sich hat zu allen Zeiten, selbst in der Epoque der Neronen, unerschütterlich fest gestanden und wird durch eine solche Zeugen-Wolke bestätiget, daſs es überflüssig wäre, nur Ein Wort weiter davon sagen zu wollen. Dem philosophischen Geist unserer Zeit haben wir es aber zu verdanken, daſs wir in das Wesen der Geschichte selbst viel tiefer eingedrungen sind *). Dem zu immer mehrerm Licht emporstrebenden menschlichen Geist, dem wachsenden Freyheits-Sinn unserer Zeit, der allgemeiner werdenden Aufklärung und Publicität haben wir die verminderte Ab- götterey vor unsere Könige und Fürsten, und deren gerechtere Wardirung nach ihrem innern moralischen Werth zuzuschreiben. Der seit Vol- tairs und seiner Gesellen Aufenthalt in Deutsch- land epidemisch gewordene arge Spottgeist un- serer Tage aber, verbunden mit der Gewinn- sucht der Buchhändler und dem eigenen bösen Beyspiel, Nachsicht und Indolenz einiger Köni- ge und Fürsten, haben den Reiz noch mehr ver- mehret, und das Uebel, wenn man es so nennen kann, unheilbar, die Mittel dagegen aber immer
*) S. vorzüglich davon die lehrreichen Briefe von Wegelin über den Werth der Geschichte, Berlin 1783.
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Die Wahrheit dieses Satzes an sich hat zu
allen Zeiten, selbst in der Epoque der Neronen,
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eine solche Zeugen-Wolke bestätiget, daſs es
überflüssig wäre, nur Ein Wort weiter davon
sagen zu wollen. Dem philosophischen Geist
unserer Zeit haben wir es aber zu verdanken,
daſs wir in das Wesen der Geschichte selbst
viel tiefer eingedrungen sind *). Dem zu immer
mehrerm Licht emporstrebenden menschlichen
Geist, dem wachsenden Freyheits-Sinn unserer
Zeit, der allgemeiner werdenden Aufklärung
und Publicität haben wir die verminderte Ab-
götterey vor unsere Könige und Fürsten, und
deren gerechtere Wardirung nach ihrem innern
moralischen Werth zuzuschreiben. Der seit Vol-
tairs und seiner Gesellen Aufenthalt in Deutsch-
land epidemisch gewordene arge Spottgeist un-
serer Tage aber, verbunden mit der Gewinn-
sucht der Buchhändler und dem eigenen bösen
Beyspiel, Nachsicht und Indolenz einiger Köni-
ge und Fürsten, haben den Reiz noch mehr ver-
mehret, und das Uebel, wenn man es so nennen
kann, unheilbar, die Mittel dagegen aber immer
*) S. vorzüglich davon die lehrreichen Briefe von Wegelin
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/126>, abgerufen am 22.11.2024.
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