Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

sorgenlos und lustig sie gröstentheils in den Tag
hinein leben, so wird wohl niemand so einfäl-
tig seyn, zu glauben, dass Gott sie mit zwo
Portionen Seele begabt, oder dass sie mit Her-
culischer Geistes-Stärke die Centner wie Lothe
wegzuschleudern wüssten; sondern ehender
dringt sich der Gedanke auf: Dass sie von dem
Schöpfer mit einer ausserordentlichen Unem-
pfindlichkeit
,
von der wir andere gewöhn-
liche Menschen nichts wissen, beschenkt seyn
müssen, und dass würklich etwas Wahres daran
sey, was Friedrich II. in Preussen bereits im
Jahr 1741. dem ersten seiner Regierung, an sei-
nen damaligen Freund Voltaire geschrieben hat:
"Gott hat, wie mich dünkt, die Esel, die dori-
schen Säulen, und uns Könige, dazu geschaffen,
dass wir die Lasten dieser Welt tragen sollen,
in welcher so viele andere Wesen zum Genuss
der Güter bestimmt sind, die sie hervorbringt".


Das letzte Lob unter allen, das man einem
König und Fürsten geben kann, ist, wegen des
dabey unterlaufenden greulichen Missbrauchs,
wenn man ihn gross nennt. Es versteht sich
zwar von selbsten, dass mit diesem Beywort
nicht die körperliche Grösse angedeutet wer-

sorgenlos und lustig sie gröstentheils in den Tag
hinein leben, so wird wohl niemand so einfäl-
tig seyn, zu glauben, daſs Gott sie mit zwo
Portionen Seele begabt, oder daſs sie mit Her-
culischer Geistes-Stärke die Centner wie Lothe
wegzuschleudern wüſsten; sondern ehender
dringt sich der Gedanke auf: Daſs sie von dem
Schöpfer mit einer ausserordentlichen Unem-
pfindlichkeit
,
von der wir andere gewöhn-
liche Menschen nichts wissen, beschenkt seyn
müssen, und daſs würklich etwas Wahres daran
sey, was Friedrich II. in Preussen bereits im
Jahr 1741. dem ersten seiner Regierung, an sei-
nen damaligen Freund Voltaire geschrieben hat:
„Gott hat, wie mich dünkt, die Esel, die dori-
schen Säulen, und uns Könige, dazu geschaffen,
daſs wir die Lasten dieser Welt tragen sollen,
in welcher so viele andere Wesen zum Genuſs
der Güter bestimmt sind, die sie hervorbringt„.


Das letzte Lob unter allen, das man einem
König und Fürsten geben kann, ist, wegen des
dabey unterlaufenden greulichen Miſsbrauchs,
wenn man ihn groſs nennt. Es versteht sich
zwar von selbsten, daſs mit diesem Beywort
nicht die körperliche Gröſse angedeutet wer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0175" n="169"/>
sorgenlos und lustig sie gröstentheils in den Tag<lb/>
hinein leben, so wird wohl niemand so einfäl-<lb/>
tig seyn, zu glauben, da&#x017F;s Gott sie mit zwo<lb/>
Portionen Seele begabt, oder da&#x017F;s sie mit Her-<lb/>
culischer Geistes-Stärke die Centner wie Lothe<lb/>
wegzuschleudern wü&#x017F;sten; sondern ehender<lb/>
dringt sich der Gedanke auf: Da&#x017F;s sie von dem<lb/>
Schöpfer mit einer ausserordentlichen <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Unem-<lb/>
pfindlichkeit</hi>,</hi> von der wir andere gewöhn-<lb/>
liche Menschen nichts wissen, beschenkt seyn<lb/>
müssen, und da&#x017F;s würklich etwas Wahres daran<lb/>
sey, was Friedrich II. in Preussen bereits im<lb/>
Jahr 1741. dem ersten seiner Regierung, an sei-<lb/>
nen damaligen Freund Voltaire geschrieben hat:<lb/>
&#x201E;Gott hat, wie mich dünkt, die Esel, die dori-<lb/>
schen Säulen, und uns Könige, dazu geschaffen,<lb/>
da&#x017F;s wir die Lasten dieser Welt tragen sollen,<lb/>
in welcher so viele andere Wesen zum Genu&#x017F;s<lb/>
der Güter bestimmt sind, die sie hervorbringt&#x201E;.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Das letzte Lob unter allen, das man einem<lb/>
König und Fürsten geben kann, ist, wegen des<lb/>
dabey unterlaufenden greulichen Mi&#x017F;sbrauchs,<lb/>
wenn man ihn <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">gro&#x017F;s</hi></hi> nennt. Es versteht sich<lb/>
zwar von selbsten, da&#x017F;s mit diesem Beywort<lb/>
nicht die körperliche Grö&#x017F;se angedeutet wer-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0175] sorgenlos und lustig sie gröstentheils in den Tag hinein leben, so wird wohl niemand so einfäl- tig seyn, zu glauben, daſs Gott sie mit zwo Portionen Seele begabt, oder daſs sie mit Her- culischer Geistes-Stärke die Centner wie Lothe wegzuschleudern wüſsten; sondern ehender dringt sich der Gedanke auf: Daſs sie von dem Schöpfer mit einer ausserordentlichen Unem- pfindlichkeit, von der wir andere gewöhn- liche Menschen nichts wissen, beschenkt seyn müssen, und daſs würklich etwas Wahres daran sey, was Friedrich II. in Preussen bereits im Jahr 1741. dem ersten seiner Regierung, an sei- nen damaligen Freund Voltaire geschrieben hat: „Gott hat, wie mich dünkt, die Esel, die dori- schen Säulen, und uns Könige, dazu geschaffen, daſs wir die Lasten dieser Welt tragen sollen, in welcher so viele andere Wesen zum Genuſs der Güter bestimmt sind, die sie hervorbringt„. Das letzte Lob unter allen, das man einem König und Fürsten geben kann, ist, wegen des dabey unterlaufenden greulichen Miſsbrauchs, wenn man ihn groſs nennt. Es versteht sich zwar von selbsten, daſs mit diesem Beywort nicht die körperliche Gröſse angedeutet wer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/175
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/175>, abgerufen am 15.05.2024.