rem König und dessen Familie, und sind das freye- ste Volk auf dem Erdboden. Joseph schaffte un- ter dem scheinbar demüthigen Vorwand, dass diese Ehren-Bezeugung Gott allein gebühre, durch ein eigenes Edict das Kniebeugen ab; hingegen verlangte er von seinen Rathen, Dienern und Un- terthanen einen weit unumschränktern Gehorsam, als ihn Gott selbst von den Menschen fordert.
29. Die politische Tugend.
Nach und nach macht sich's, scheidet sich's, sezt sich's. In unserer Jugend wusste man nur von Einer Tugend; und wenn man ja unterscheiden wollte, so theilte man sie in christliche und moralische. Die Geburt der politischen Tu- gend haben wir erlebt; dieser Bastart wurde le- gitimirt, und in guten Gesellschaften aufgeführt, da er schon ziemlich herangewachsen war. Da er vornehme Eltern und Verwandschaft hat, so schämt er sich auch seiner Herkunft und Familie nicht. Er hat in gute Häuser geheurathet und sich mit reinem Blut so vermischt, dass man nun sei- nen Kindern die Mackel ihres Ursprungs ohne Be- leidigung nicht mehr erinnerlich machen darf. Sie
rem König und dessen Familie, und sind das freye- ste Volk auf dem Erdboden. Joseph schaffte un- ter dem scheinbar demüthigen Vorwand, daſs diese Ehren-Bezeugung Gott allein gebühre, durch ein eigenes Edict das Kniebeugen ab; hingegen verlangte er von seinen Rathen, Dienern und Un- terthanen einen weit unumschränktern Gehorsam, als ihn Gott selbst von den Menschen fordert.
29. Die politische Tugend.
Nach und nach macht sich’s, scheidet sich’s, sezt sich’s. In unserer Jugend wuſste man nur von Einer Tugend; und wenn man ja unterscheiden wollte, so theilte man sie in christliche und moralische. Die Geburt der politischen Tu- gend haben wir erlebt; dieser Bastart wurde le- gitimirt, und in guten Gesellschaften aufgeführt, da er schon ziemlich herangewachsen war. Da er vornehme Eltern und Verwandschaft hat, so schämt er sich auch seiner Herkunft und Familie nicht. Er hat in gute Häuser geheurathet und sich mit reinem Blut so vermischt, daſs man nun sei- nen Kindern die Mackel ihres Ursprungs ohne Be- leidigung nicht mehr erinnerlich machen darf. Sie
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rem König und dessen Familie, und sind das freye-
ste Volk auf dem Erdboden. Joseph schaffte un-
ter dem scheinbar demüthigen Vorwand, daſs
diese Ehren-Bezeugung Gott allein gebühre, durch
ein eigenes Edict das Kniebeugen ab; hingegen
verlangte er von seinen Rathen, Dienern und Un-
terthanen einen weit unumschränktern Gehorsam,
als ihn Gott selbst von den Menschen fordert.
29.
Die politische Tugend.
Nach und nach macht sich’s, scheidet sich’s, sezt
sich’s. In unserer Jugend wuſste man nur von
Einer Tugend; und wenn man ja unterscheiden
wollte, so theilte man sie in christliche und
moralische. Die Geburt der politischen Tu-
gend haben wir erlebt; dieser Bastart wurde le-
gitimirt, und in guten Gesellschaften aufgeführt,
da er schon ziemlich herangewachsen war. Da
er vornehme Eltern und Verwandschaft hat, so
schämt er sich auch seiner Herkunft und Familie
nicht. Er hat in gute Häuser geheurathet und sich
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/269>, abgerufen am 24.11.2024.
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