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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Wer siehet nicht, sag ich, das bey einer sol-
chen Creatur die Gottesfurcht keinen Platz habe?
Aber vielleicht mögen wir solches zu sagen zu
einfältig seyn, und die Sache nicht recht verste-
hen; denn ein ander möchte sagen, die Gottes-
furcht schickte sich gar fein bey einem Regenten,
so er anders nach statistischer Art sich halten
wolle. Denn die solche Regenten unterweisen,
schreiben ihnen diese Regul für, dass er sich der
Gottesfurcht annehme, sich zur Kirchen fleissig
halte, von Gottes Wort gerne rede, über die Re-
ligion eyfere. Denn sie wissen, dass kein Teuffel
so böse ist, er kann sich in einen Engel des
Liechts verstellen. Was vorhin von den Regen-
ten gesaget, taugte im Grunde nicht. Damit es
aber den Schein gewinne, als sey es so böse nicht
gemeinet, so müssen sie sich der Gottseligkeit
annehmen. Da muss denn niemand mercken. dass
diss so ein böses Thier sey. Da heist es denn
eine Christliche Obrigkeit, eben wie der
Teuffel ein heiliger Teuffel ist
.
Also reimet
sich ja die Gottesfurcht im Regenten-Stand gar
wol, aber als ein Deckel ihrer fleischlichen Be-
gierde. Es trifft ihnen, was der weise König
sagt, Prov. 20. "Viel Menschen werden fromm
gerühmet; aber wer wil einen finden, der recht-

Wer siehet nicht, sag ich, das bey einer sol-
chen Creatur die Gottesfurcht keinen Platz habe?
Aber vielleicht mögen wir solches zu sagen zu
einfältig seyn, und die Sache nicht recht verste-
hen; denn ein ander möchte sagen, die Gottes-
furcht schickte sich gar fein bey einem Regenten,
so er anders nach statistischer Art sich halten
wolle. Denn die solche Regenten unterweisen,
schreiben ihnen diese Regul für, daſs er sich der
Gottesfurcht annehme, sich zur Kirchen fleissig
halte, von Gottes Wort gerne rede, über die Re-
ligion eyfere. Denn sie wissen, daſs kein Teuffel
so böse ist, er kann sich in einen Engel des
Liechts verstellen. Was vorhin von den Regen-
ten gesaget, taugte im Grunde nicht. Damit es
aber den Schein gewinne, als sey es so böse nicht
gemeinet, so müssen sie sich der Gottseligkeit
annehmen. Da muſs denn niemand mercken. daſs
diſs so ein böses Thier sey. Da heist es denn
eine Christliche Obrigkeit, eben wie der
Teuffel ein heiliger Teuffel ist
.
Also reimet
sich ja die Gottesfurcht im Regenten-Stand gar
wol, aber als ein Deckel ihrer fleischlichen Be-
gierde. Es trifft ihnen, was der weise König
sagt, Prov. 20. „Viel Menschen werden fromm
gerühmet; aber wer wil einen finden, der recht-

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[301/0307] Wer siehet nicht, sag ich, das bey einer sol- chen Creatur die Gottesfurcht keinen Platz habe? Aber vielleicht mögen wir solches zu sagen zu einfältig seyn, und die Sache nicht recht verste- hen; denn ein ander möchte sagen, die Gottes- furcht schickte sich gar fein bey einem Regenten, so er anders nach statistischer Art sich halten wolle. Denn die solche Regenten unterweisen, schreiben ihnen diese Regul für, daſs er sich der Gottesfurcht annehme, sich zur Kirchen fleissig halte, von Gottes Wort gerne rede, über die Re- ligion eyfere. Denn sie wissen, daſs kein Teuffel so böse ist, er kann sich in einen Engel des Liechts verstellen. Was vorhin von den Regen- ten gesaget, taugte im Grunde nicht. Damit es aber den Schein gewinne, als sey es so böse nicht gemeinet, so müssen sie sich der Gottseligkeit annehmen. Da muſs denn niemand mercken. daſs diſs so ein böses Thier sey. Da heist es denn eine Christliche Obrigkeit, eben wie der Teuffel ein heiliger Teuffel ist. Also reimet sich ja die Gottesfurcht im Regenten-Stand gar wol, aber als ein Deckel ihrer fleischlichen Be- gierde. Es trifft ihnen, was der weise König sagt, Prov. 20. „Viel Menschen werden fromm gerühmet; aber wer wil einen finden, der recht-

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/307>, abgerufen am 21.11.2024.