Pezzl's*) ganz in der Nähe und nach dem Leben genommene Zeichnung ist folgende: "Selbstherrscher zu seyn, war Kayser Josephs Lieblings-Idee. Sein thätiger, nicht zu ermü- dender Geist, wollte alle Staatsgeschäfte, vom wichtigsten biss zum geringfügigsten, über- schauen, leiten, entscheiden. Er gieng also gänzlich von dem gewöhnlichen Regierungs- Systeme der meisten Monarchen ab. Er schuf sich ein Cabinet, das in seinen würklichen Re- gierungs-Jahren mit fünf Secretaren und eini- gen Kanzellisten besezt war. Zwar blieben die Hof- und Landes-Stellen beynahe alle, wie sie unter seiner Mutter bestanden hatten; es wurden auch einige ganz neue errichtet. Aber das Cabinet, das heisst, Joseph selbst, war die lezte Instanz von allen Geschäften ohne Ausnahme. Jede Sache von irgend einer Wich- tigkeit musste erst Ihm selbst vorgetragen wer- den, ehe sie zur Ausführung kam. Hier nun veränderte, beschränkte, erweiterte, oder ver- warf er die Vorträge der Stellen so oft; gab so oft donnernde Hand-Billets an die Chefs, an ganze Dicasterien oder an einzele Arbeiter;
*) In der Characteristik Josephs II. S. 314. u. f.
Pezzl’s*) ganz in der Nähe und nach dem Leben genommene Zeichnung ist folgende: „Selbstherrscher zu seyn, war Kayser Josephs Lieblings-Idee. Sein thätiger, nicht zu ermü- dender Geist, wollte alle Staatsgeschäfte, vom wichtigsten biſs zum geringfügigsten, über- schauen, leiten, entscheiden. Er gieng also gänzlich von dem gewöhnlichen Regierungs- Systeme der meisten Monarchen ab. Er schuf sich ein Cabinet, das in seinen würklichen Re- gierungs-Jahren mit fünf Secretaren und eini- gen Kanzellisten besezt war. Zwar blieben die Hof- und Landes-Stellen beynahe alle, wie sie unter seiner Mutter bestanden hatten; es wurden auch einige ganz neue errichtet. Aber das Cabinet, das heiſst, Joseph selbst, war die lezte Instanz von allen Geschäften ohne Ausnahme. Jede Sache von irgend einer Wich- tigkeit muſste erst Ihm selbst vorgetragen wer- den, ehe sie zur Ausführung kam. Hier nun veränderte, beschränkte, erweiterte, oder ver- warf er die Vorträge der Stellen so oft; gab so oft donnernde Hand-Billets an die Chefs, an ganze Dicasterien oder an einzele Arbeiter;
*) In der Characteristik Josephs II. S. 314. u. f.
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Pezzl’s *) ganz in der Nähe und nach dem
Leben genommene Zeichnung ist folgende:
„Selbstherrscher zu seyn, war Kayser Josephs
Lieblings-Idee. Sein thätiger, nicht zu ermü-
dender Geist, wollte alle Staatsgeschäfte, vom
wichtigsten biſs zum geringfügigsten, über-
schauen, leiten, entscheiden. Er gieng also
gänzlich von dem gewöhnlichen Regierungs-
Systeme der meisten Monarchen ab. Er schuf
sich ein Cabinet, das in seinen würklichen Re-
gierungs-Jahren mit fünf Secretaren und eini-
gen Kanzellisten besezt war. Zwar blieben
die Hof- und Landes-Stellen beynahe alle, wie
sie unter seiner Mutter bestanden hatten; es
wurden auch einige ganz neue errichtet. Aber
das Cabinet, das heiſst, Joseph selbst, war
die lezte Instanz von allen Geschäften ohne
Ausnahme. Jede Sache von irgend einer Wich-
tigkeit muſste erst Ihm selbst vorgetragen wer-
den, ehe sie zur Ausführung kam. Hier nun
veränderte, beschränkte, erweiterte, oder ver-
warf er die Vorträge der Stellen so oft; gab
so oft donnernde Hand-Billets an die Chefs,
an ganze Dicasterien oder an einzele Arbeiter;
*) In der Characteristik Josephs II. S. 314. u. f.
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/56>, abgerufen am 21.11.2024.
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