weil es einmahl so der Ton des Hofs und der Character der Nation ist, zehenmahl sich eine Sache heissen zu lassen, biss es ihr das eilftemahl gefällig ist, es zu thun. So liess z. B. die gütige Kayserin Königin Maria Theresia einst dem verstorbenen General Fürsten Chri- stian von Löwenstein, wegen einiger freyen Reden, den Hof verbieten; der Fürst kam des andern Tags gleichwohl wieder; die Kayserin Königin liess ihn bey seiner Erblickung zur Rede stellen, bekam aber die Antwort: "In Berlin wird nur einmahl befohlen, in Wien muss mans einem dreymahl heissen, biss mans thut"; die gütige Monarchin schmählte mit ver- bissenem Lachen über das böse Maul des Für- sten, und damit hatte das Verbot ein Ende.
Joseph II. hat sein Volk, seine Generals, sei- ne Minister und Diener aller Gattung anders rechnen gelernt; doch ist's ihm auch, bey sei- nen zu oft und zu schnell hinter einander kom- menden Befehlen, wiederfahren, dass man sie und seine Verordnungen bloss desswegen unbe- folgt gelassen, um erst abzuwarten, ob er sie nicht selbst in einigen Tagen oder Stunden wi- derrufen würde?
weil es einmahl so der Ton des Hofs und der Character der Nation ist, zehenmahl sich eine Sache heissen zu lassen, biſs es ihr das eilftemahl gefällig ist, es zu thun. So lieſs z. B. die gütige Kayserin Königin Maria Theresia einst dem verstorbenen General Fürsten Chri- stian von Löwenstein, wegen einiger freyen Reden, den Hof verbieten; der Fürst kam des andern Tags gleichwohl wieder; die Kayserin Königin lieſs ihn bey seiner Erblickung zur Rede stellen, bekam aber die Antwort: „In Berlin wird nur einmahl befohlen, in Wien muſs mans einem dreymahl heissen, biſs mans thut„; die gütige Monarchin schmählte mit ver- bissenem Lachen über das böse Maul des Für- sten, und damit hatte das Verbot ein Ende.
Joseph II. hat sein Volk, seine Generals, sei- ne Minister und Diener aller Gattung anders rechnen gelernt; doch ist’s ihm auch, bey sei- nen zu oft und zu schnell hinter einander kom- menden Befehlen, wiederfahren, daſs man sie und seine Verordnungen bloſs deſswegen unbe- folgt gelassen, um erst abzuwarten, ob er sie nicht selbst in einigen Tagen oder Stunden wi- derrufen würde?
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0064"n="58"/><hirendition="#et">weil es einmahl so der Ton des Hofs und</hi><lb/>
der Character der Nation ist, zehenmahl sich<lb/>
eine Sache heissen zu lassen, biſs es ihr das<lb/>
eilftemahl gefällig ist, es zu thun. So lieſs z.<lb/>
B. die gütige Kayserin Königin Maria Theresia<lb/>
einst dem verstorbenen General Fürsten Chri-<lb/>
stian von Löwenstein, wegen einiger freyen<lb/>
Reden, den Hof verbieten; der Fürst kam des<lb/>
andern Tags gleichwohl wieder; die Kayserin<lb/>
Königin lieſs ihn bey seiner Erblickung zur<lb/>
Rede stellen, bekam aber die Antwort: „In<lb/>
Berlin wird nur <hirendition="#i"><hirendition="#g">einmahl</hi></hi> befohlen, in Wien<lb/>
muſs mans einem <hirendition="#i"><hirendition="#g">dreymahl</hi></hi> heissen, biſs mans<lb/>
thut„; die gütige Monarchin schmählte mit ver-<lb/>
bissenem Lachen über das <hirendition="#i"><hirendition="#g">böse Maul</hi></hi> des Für-<lb/>
sten, und damit hatte das Verbot ein Ende.</p><lb/><p>Joseph II. hat sein Volk, seine Generals, sei-<lb/>
ne Minister und Diener aller Gattung anders<lb/>
rechnen gelernt; doch ist’s ihm auch, bey sei-<lb/>
nen zu oft und zu schnell hinter einander kom-<lb/>
menden Befehlen, wiederfahren, daſs man sie<lb/>
und seine Verordnungen bloſs deſswegen unbe-<lb/>
folgt gelassen, um erst abzuwarten, ob er sie<lb/>
nicht selbst in einigen Tagen oder Stunden wi-<lb/>
derrufen würde?</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[58/0064]
weil es einmahl so der Ton des Hofs und
der Character der Nation ist, zehenmahl sich
eine Sache heissen zu lassen, biſs es ihr das
eilftemahl gefällig ist, es zu thun. So lieſs z.
B. die gütige Kayserin Königin Maria Theresia
einst dem verstorbenen General Fürsten Chri-
stian von Löwenstein, wegen einiger freyen
Reden, den Hof verbieten; der Fürst kam des
andern Tags gleichwohl wieder; die Kayserin
Königin lieſs ihn bey seiner Erblickung zur
Rede stellen, bekam aber die Antwort: „In
Berlin wird nur einmahl befohlen, in Wien
muſs mans einem dreymahl heissen, biſs mans
thut„; die gütige Monarchin schmählte mit ver-
bissenem Lachen über das böse Maul des Für-
sten, und damit hatte das Verbot ein Ende.
Joseph II. hat sein Volk, seine Generals, sei-
ne Minister und Diener aller Gattung anders
rechnen gelernt; doch ist’s ihm auch, bey sei-
nen zu oft und zu schnell hinter einander kom-
menden Befehlen, wiederfahren, daſs man sie
und seine Verordnungen bloſs deſswegen unbe-
folgt gelassen, um erst abzuwarten, ob er sie
nicht selbst in einigen Tagen oder Stunden wi-
derrufen würde?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/64>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.