Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Beyfall versprechen. Ist er ein Mann von wah-
rer Herzens-Güte, so hört man nur allzuoft
die, zuweilen nicht ungegründete, Klage: Un-
ser Herr hat den einigen Fehler, Er ist zu gut.
Hält er an seinem Hof, in seinem Land, bey
seiner Dienerschaft über Ordnung, Gesetzen und
Pünctlichkeit, so heisst er ein harter, strenger,
ja wohl ein schlimmer Mann. Kann's doch
Gott, der Allerweiseste und Allergütigste, mit
seiner Regierung nicht allen Menschen recht
machen, um ihrem murrenden undankbaren Ta-
del zu entgehen!

Hingegen ist auch kein König und Fürst,
gross oder klein, so schwach, schlecht und
bös, der nicht bey seinem Leben und in seinem
Tod seine Lobredner oder doch Rechtfertiger
und Entschuldiger findet.

Die Nachwelt ist's allein, die mit unpartheyi-
scher Waage eines jeden wahren Werth be-
stimmt, Tugenden gegen Laster, Irrthum ge-
gen Bosheit, menschliche Schwachheiten gegen
Vorsatz, abwiegt, Temperaments-Tugenden
von erworbenen und errungenen unterscheidet,
und mit Einem Wort Jedem Gerechtigkeit wie-
derfahren lässt.

Beyfall versprechen. Ist er ein Mann von wah-
rer Herzens-Güte, so hört man nur allzuoft
die, zuweilen nicht ungegründete, Klage: Un-
ser Herr hat den einigen Fehler, Er ist zu gut.
Hält er an seinem Hof, in seinem Land, bey
seiner Dienerschaft über Ordnung, Gesetzen und
Pünctlichkeit, so heiſst er ein harter, strenger,
ja wohl ein schlimmer Mann. Kann’s doch
Gott, der Allerweiseste und Allergütigste, mit
seiner Regierung nicht allen Menschen recht
machen, um ihrem murrenden undankbaren Ta-
del zu entgehen!

Hingegen ist auch kein König und Fürst,
groſs oder klein, so schwach, schlecht und
bös, der nicht bey seinem Leben und in seinem
Tod seine Lobredner oder doch Rechtfertiger
und Entschuldiger findet.

Die Nachwelt ist’s allein, die mit unpartheyi-
scher Waage eines jeden wahren Werth be-
stimmt, Tugenden gegen Laster, Irrthum ge-
gen Bosheit, menschliche Schwachheiten gegen
Vorsatz, abwiegt, Temperaments-Tugenden
von erworbenen und errungenen unterscheidet,
und mit Einem Wort Jedem Gerechtigkeit wie-
derfahren läſst.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0080" n="74"/>
Beyfall versprechen. Ist er ein Mann von wah-<lb/>
rer Herzens-Güte, so hört man nur allzuoft<lb/>
die, zuweilen nicht ungegründete, Klage: Un-<lb/>
ser Herr hat den einigen Fehler, Er ist <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">zu</hi></hi> gut.<lb/>
Hält er an seinem Hof, in seinem Land, bey<lb/>
seiner Dienerschaft über Ordnung, Gesetzen und<lb/>
Pünctlichkeit, so hei&#x017F;st er ein harter, strenger,<lb/>
ja wohl ein <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">schlimmer</hi></hi> Mann. Kann&#x2019;s doch<lb/>
Gott, der Allerweiseste und Allergütigste, mit<lb/>
seiner Regierung nicht allen Menschen recht<lb/>
machen, um ihrem murrenden undankbaren Ta-<lb/>
del zu entgehen!</p><lb/>
          <p>Hingegen ist auch kein König und Fürst,<lb/>
gro&#x017F;s oder klein, so schwach, schlecht und<lb/>
bös, der nicht bey seinem Leben und <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">in</hi></hi> seinem<lb/>
Tod seine Lobredner oder doch Rechtfertiger<lb/>
und Entschuldiger findet.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Nachwelt</hi></hi> ist&#x2019;s allein, die mit unpartheyi-<lb/>
scher Waage eines jeden <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">wahren</hi></hi> Werth be-<lb/>
stimmt, Tugenden gegen Laster, Irrthum ge-<lb/>
gen Bosheit, menschliche Schwachheiten gegen<lb/>
Vorsatz, abwiegt, Temperaments-Tugenden<lb/>
von erworbenen und errungenen unterscheidet,<lb/>
und mit Einem Wort Jedem Gerechtigkeit wie-<lb/>
derfahren lä&#x017F;st.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0080] Beyfall versprechen. Ist er ein Mann von wah- rer Herzens-Güte, so hört man nur allzuoft die, zuweilen nicht ungegründete, Klage: Un- ser Herr hat den einigen Fehler, Er ist zu gut. Hält er an seinem Hof, in seinem Land, bey seiner Dienerschaft über Ordnung, Gesetzen und Pünctlichkeit, so heiſst er ein harter, strenger, ja wohl ein schlimmer Mann. Kann’s doch Gott, der Allerweiseste und Allergütigste, mit seiner Regierung nicht allen Menschen recht machen, um ihrem murrenden undankbaren Ta- del zu entgehen! Hingegen ist auch kein König und Fürst, groſs oder klein, so schwach, schlecht und bös, der nicht bey seinem Leben und in seinem Tod seine Lobredner oder doch Rechtfertiger und Entschuldiger findet. Die Nachwelt ist’s allein, die mit unpartheyi- scher Waage eines jeden wahren Werth be- stimmt, Tugenden gegen Laster, Irrthum ge- gen Bosheit, menschliche Schwachheiten gegen Vorsatz, abwiegt, Temperaments-Tugenden von erworbenen und errungenen unterscheidet, und mit Einem Wort Jedem Gerechtigkeit wie- derfahren läſst.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/80
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/80>, abgerufen am 21.11.2024.