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Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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befreien. Er war kräftiger, als seine schlanke, schwächliche Gestalt es anzeigte, aber wie von Berserkerwuth ergriffen, faßte ihn Stureson und riß ihn mit sich fort. Eine Minute lang entstand ein verzweifeltes Ringen, vom verglimmenden Mondlicht beleuchtet. Noch einmal sah dann der Sieger in das Gesicht seines Opfers, das dunkelroth mit weit offenen Augen ihn anstarrte, und über den Klippenrand warf er den strauchelnden Körper von sich ab in die schwarze Tiefe.

Er hörte das Wasser aufrauschen von dem schweren Fall, dann ein dumpfes Geplätscher, ein gurgelndes Stöhnen, und nun die alte Stille. -- Stureson bog sich tief hinunter, sein Fuß zitterte, er hörte nichts mehr.

Liege bei den Grundhaien, sie werden hoffentlich dich nicht wieder loslassen, sagte er leise vor sich hin. Ein schreckliches Lachen lief über sein Gesicht; er wischte den Schweiß von der Stirn und sah nach dem Mond auf, dem einzigen Zeugen seiner That. Dann wandte er sich nach der Bank um, auf welcher Mary besinnungslos lag. Rasch nahm er Geige und Bogen des unglücklichen Schulmeisters und schleuderte sie ihm nach, und nun erst richtete er die Ohnmächtige auf, rieb ihre Schläfe, küßte ihre kalten Lippen, nannte sie mit zärtlichen Namen und deckte seine mörderische Hand auf ihr leise schlagendes Herz.

Nach mancher Bemühung erwachte das Leben

befreien. Er war kräftiger, als seine schlanke, schwächliche Gestalt es anzeigte, aber wie von Berserkerwuth ergriffen, faßte ihn Stureson und riß ihn mit sich fort. Eine Minute lang entstand ein verzweifeltes Ringen, vom verglimmenden Mondlicht beleuchtet. Noch einmal sah dann der Sieger in das Gesicht seines Opfers, das dunkelroth mit weit offenen Augen ihn anstarrte, und über den Klippenrand warf er den strauchelnden Körper von sich ab in die schwarze Tiefe.

Er hörte das Wasser aufrauschen von dem schweren Fall, dann ein dumpfes Geplätscher, ein gurgelndes Stöhnen, und nun die alte Stille. — Stureson bog sich tief hinunter, sein Fuß zitterte, er hörte nichts mehr.

Liege bei den Grundhaien, sie werden hoffentlich dich nicht wieder loslassen, sagte er leise vor sich hin. Ein schreckliches Lachen lief über sein Gesicht; er wischte den Schweiß von der Stirn und sah nach dem Mond auf, dem einzigen Zeugen seiner That. Dann wandte er sich nach der Bank um, auf welcher Mary besinnungslos lag. Rasch nahm er Geige und Bogen des unglücklichen Schulmeisters und schleuderte sie ihm nach, und nun erst richtete er die Ohnmächtige auf, rieb ihre Schläfe, küßte ihre kalten Lippen, nannte sie mit zärtlichen Namen und deckte seine mörderische Hand auf ihr leise schlagendes Herz.

Nach mancher Bemühung erwachte das Leben

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[0092] befreien. Er war kräftiger, als seine schlanke, schwächliche Gestalt es anzeigte, aber wie von Berserkerwuth ergriffen, faßte ihn Stureson und riß ihn mit sich fort. Eine Minute lang entstand ein verzweifeltes Ringen, vom verglimmenden Mondlicht beleuchtet. Noch einmal sah dann der Sieger in das Gesicht seines Opfers, das dunkelroth mit weit offenen Augen ihn anstarrte, und über den Klippenrand warf er den strauchelnden Körper von sich ab in die schwarze Tiefe. Er hörte das Wasser aufrauschen von dem schweren Fall, dann ein dumpfes Geplätscher, ein gurgelndes Stöhnen, und nun die alte Stille. — Stureson bog sich tief hinunter, sein Fuß zitterte, er hörte nichts mehr. Liege bei den Grundhaien, sie werden hoffentlich dich nicht wieder loslassen, sagte er leise vor sich hin. Ein schreckliches Lachen lief über sein Gesicht; er wischte den Schweiß von der Stirn und sah nach dem Mond auf, dem einzigen Zeugen seiner That. Dann wandte er sich nach der Bank um, auf welcher Mary besinnungslos lag. Rasch nahm er Geige und Bogen des unglücklichen Schulmeisters und schleuderte sie ihm nach, und nun erst richtete er die Ohnmächtige auf, rieb ihre Schläfe, küßte ihre kalten Lippen, nannte sie mit zärtlichen Namen und deckte seine mörderische Hand auf ihr leise schlagendes Herz. Nach mancher Bemühung erwachte das Leben

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:04:01Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Mügge, Theodor: Am Malanger Fjord. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–176. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muegge_fjord_1910/92>, abgerufen am 18.05.2024.