Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Hochzeit-Gedichte. Die Lieb- und Sommers-Burg/ rieff Venus/ sey beglückt/Hier lasse sich kein Nord noch rauher Winter spüren/ Euch müsse so viel Heil und Wolgedeyen zieren/ Als mit viel Nelcken sich der heisse Sommer schmückt. Und daß Jhr Beyde könt mein letztes Urtheil wissen/ So Wittw' als Wittwer mag die Werckstadt jetzt auffschliessen. Die geharnischte Venus DJe Sonne nahte sich nun zu der Wage-SchalenBey der S. und G. Hochzeit den 20. Septemb 1678. Und theilte Tag und Nacht in gleiche Stunden ein; Sie schenckte nicht so früh der Welt den güldnen Schein/ Und warff was sparsamer die reinen Purpur-Stralen. Die Morgenlufft war frisch/ und kurtz: die gantze Zeit Bracht uns den reiffen Herbst und seine Fruchtbarkeit. Als sich die Sylvia (so sol ihr Namen heissen/) Gespielen ihrer Lust/ entschloß zu laden ein; Sie solten ja bey ihr willkommne Schwestern seyn/ Und sich der Liebligkeit des Wetters mit befleissen/ Eh' als der Winter noch beraubt der Gärten Zier Und trägt uns Frost und Schnee statt Klee und Kräuter für. Die Sylvia/ so bloß der Mutter Hertz und Wonne/ Jhr eintzig Augentrost und Freude dieser Welt/ Eilt mit den Nymphen fort in das erkieste Feld/ Gleich als in Mittag trat die Stralen-reiche Sonne: Sie suchen noch zu letzt des Sommers Uber-Rest/ Und was von Zierath mehr die Flora sehen läst. Theils üben sich in Schertz und Spiel die Zeit zu kürtzen; Theils lesen Blumen aus und winden einen Krantz/ Theils lauffeu in die Wett/ und theils beliebt den Tantz/ Nur so kan Sylvia nicht ihre Sorgen stürtzen. Sie gehet gantz allein/ sucht den Gedancken Raum/ Was andre da vergnügt scheint ihr ein blosser Traum. Sie trifft gleich einen Gang von dick-belaubten Reben/ Der Blätter grüne Nacht scheint ihr bequem zu seyn/ Den süssen Regungen was mehr zu räumen ein. Hier hat sie Scham und Furcht/ dort Brunst und Gluth umbgeben. Sie denckt nicht was sie weiß/ und thut nicht was sie wil/ Sie ist der Hoffnung Raub/ und der Begierden Spiel. Jn G g 4
Hochzeit-Gedichte. Die Lieb- und Sommers-Burg/ rieff Venus/ ſey begluͤckt/Hier laſſe ſich kein Nord noch rauher Winter ſpuͤren/ Euch muͤſſe ſo viel Heil und Wolgedeyen zieren/ Als mit viel Nelcken ſich der heiſſe Sommer ſchmuͤckt. Und daß Jhr Beyde koͤnt mein letztes Urtheil wiſſen/ So Wittw’ als Wittwer mag die Werckſtadt jetzt auffſchlieſſen. Die geharniſchte Venus DJe Sonne nahte ſich nun zu der Wage-SchalenBey der S. und G. Hochzeit den 20. Septemb 1678. Und theilte Tag und Nacht in gleiche Stunden ein; Sie ſchenckte nicht ſo fruͤh der Welt den guͤldnẽ Schein/ Und warff was ſparſamer die reinen Purpur-Stralen. Die Morgenlufft war friſch/ und kurtz: die gantze Zeit Bracht uns den reiffen Herbſt und ſeine Fruchtbarkeit. Als ſich die Sylvia (ſo ſol ihr Namen heiſſen/) Geſpielen ihrer Luſt/ entſchloß zu laden ein; Sie ſolten ja bey ihr willkommne Schweſtern ſeyn/ Und ſich der Liebligkeit des Wetters mit befleiſſen/ Eh’ als der Winter noch beraubt der Gaͤrten Zier Und traͤgt uns Froſt und Schnee ſtatt Klee und Kraͤuter fuͤr. Die Sylvia/ ſo bloß der Mutter Hertz und Wonne/ Jhr eintzig Augentroſt und Freude dieſer Welt/ Eilt mit den Nymphen fort in das erkieſte Feld/ Gleich als in Mittag trat die Stralen-reiche Sonne: Sie ſuchen noch zu letzt des Sommers Uber-Reſt/ Und was von Zierath mehr die Flora ſehen laͤſt. Theils uͤben ſich in Schertz und Spiel die Zeit zu kuͤrtzen; Theils leſen Blumen aus und winden einen Krantz/ Theils lauffeu in die Wett/ und theils beliebt den Tantz/ Nur ſo kan Sylvia nicht ihre Sorgen ſtuͤrtzen. Sie gehet gantz allein/ ſucht den Gedancken Raum/ Was andre da vergnuͤgt ſcheint ihr ein bloſſer Traum. Sie trifft gleich einen Gang von dick-belaubten Reben/ Der Blaͤtter gruͤne Nacht ſcheint ihr bequem zu ſeyn/ Den ſuͤſſen Regungen was mehr zu raͤumen ein. Hier hat ſie Scham und Furcht/ dort Brunſt und Gluth umbgebẽ. Sie denckt nicht was ſie weiß/ und thut nicht was ſie wil/ Sie iſt der Hoffnung Raub/ und der Begierden Spiel. Jn G g 4
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Hochzeit-Gedichte.
Die Lieb- und Sommers-Burg/ rieff Venus/ ſey begluͤckt/
Hier laſſe ſich kein Nord noch rauher Winter ſpuͤren/
Euch muͤſſe ſo viel Heil und Wolgedeyen zieren/
Als mit viel Nelcken ſich der heiſſe Sommer ſchmuͤckt.
Und daß Jhr Beyde koͤnt mein letztes Urtheil wiſſen/
So Wittw’ als Wittwer mag die Werckſtadt jetzt auffſchlieſſen.
Die geharniſchte Venus
Bey der S. und G. Hochzeit den 20.
Septemb 1678.
DJe Sonne nahte ſich nun zu der Wage-Schalen
Und theilte Tag und Nacht in gleiche Stunden ein;
Sie ſchenckte nicht ſo fruͤh der Welt den guͤldnẽ Schein/
Und warff was ſparſamer die reinen Purpur-Stralen.
Die Morgenlufft war friſch/ und kurtz: die gantze Zeit
Bracht uns den reiffen Herbſt und ſeine Fruchtbarkeit.
Als ſich die Sylvia (ſo ſol ihr Namen heiſſen/)
Geſpielen ihrer Luſt/ entſchloß zu laden ein;
Sie ſolten ja bey ihr willkommne Schweſtern ſeyn/
Und ſich der Liebligkeit des Wetters mit befleiſſen/
Eh’ als der Winter noch beraubt der Gaͤrten Zier
Und traͤgt uns Froſt und Schnee ſtatt Klee und Kraͤuter fuͤr.
Die Sylvia/ ſo bloß der Mutter Hertz und Wonne/
Jhr eintzig Augentroſt und Freude dieſer Welt/
Eilt mit den Nymphen fort in das erkieſte Feld/
Gleich als in Mittag trat die Stralen-reiche Sonne:
Sie ſuchen noch zu letzt des Sommers Uber-Reſt/
Und was von Zierath mehr die Flora ſehen laͤſt.
Theils uͤben ſich in Schertz und Spiel die Zeit zu kuͤrtzen;
Theils leſen Blumen aus und winden einen Krantz/
Theils lauffeu in die Wett/ und theils beliebt den Tantz/
Nur ſo kan Sylvia nicht ihre Sorgen ſtuͤrtzen.
Sie gehet gantz allein/ ſucht den Gedancken Raum/
Was andre da vergnuͤgt ſcheint ihr ein bloſſer Traum.
Sie trifft gleich einen Gang von dick-belaubten Reben/
Der Blaͤtter gruͤne Nacht ſcheint ihr bequem zu ſeyn/
Den ſuͤſſen Regungen was mehr zu raͤumen ein.
Hier hat ſie Scham und Furcht/ dort Brunſt und Gluth umbgebẽ.
Sie denckt nicht was ſie weiß/ und thut nicht was ſie wil/
Sie iſt der Hoffnung Raub/ und der Begierden Spiel.
Jn
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