Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Der Wandel den er hier in seinem Leben führte/Der bietet ihm auch dort die Unschulds-Lilgen all. Die wolbedachte Ruh/ so ihn auff Erden zierte/ Macht daß er in der Hand deß HErren ruhen kan/ Uber das frühzeitige Absterben/ DAs kalte Todes-Eis jetzt euer Hertz beschweret/Hn. P. V. ältesten Töchterlein/ 2. Febr. 1670. Betrübtste/ daß der Frost den Bronn der Adern schleust/ Und ein erbärmlich Weh euch Hertz und Seel ver- zehret/ Weil eure Lust und Trost von dieser Erden reißt/ Jst heisser Thränen werth/ auch billich zu beklagen. Es solte Castalis mit vollen Strömen gehn/ Wenn nicht deß Hornungs Grimm in Harnisch sie geschlagen/ Und so mit Stadt und Land verfroren müste stehn. Vergebens hab ich nur den Lorber-Wald besuchet/ Der Pindus siand verschneyt/ Parnassus gantz bedeckt; Und als ich bey der Thür der Musen angepochet/ Hat mich die Grausamkeit des Wetters mehr erschreckt. Jch forschte ferner nach in der Gelehrten Büchern/ Wiewol ein grimmig Leid nimmt schlechten Trost nicht an; Diß was die Heyden zwang mit Trost sich zu versichern/ Gilt bey uns Christen nicht und ist nur eitler Wahn. Wie sehr wir uns bemühn die Künste zu ergründen/ Und alle Wissenschafft in den Besitz zu ziehn/ So ist die gröste Kunst in Gottes Schluß sich finden/ Und seinem Willen nicht vorsetzlich zu entfliehn. Es bleibet unverrückt das Göttliche Gesetze/ Wie wiederwertig es Vernunfft und Sinnen scheint. So sind doch nirgends sonst deß Himmels wahre Schätze/ Die andern aufder Welt raubt Untreu/ Zeit und Feind. Jst nun ein Kind ein Schatz/ wie billich/ zu benennen/ Was Wunder daß auch GOtt für solche Schätze wacht! Und eh das Sodoma der Welt noch muß verbrennen/ Bey zeiten zu sich holt und selber nimmt in acht. Der Eltern Sorg' und Fleiß/ wie mühsam sie sonst wachen/ Legt Erben von dem Gut deß Glückes etwas bey; Doch
Leichen-Gedichte. Der Wandel den er hier in ſeinem Leben fuͤhrte/Der bietet ihm auch dort die Unſchulds-Lilgen all. Die wolbedachte Ruh/ ſo ihn auff Erden zierte/ Macht daß er in der Hand deß HErren ruhen kan/ Uber das fruͤhzeitige Abſterben/ DAs kalte Todes-Eis jetzt euer Hertz beſchweret/Hn. P. V. aͤlteſten Toͤchterlein/ 2. Febr. 1670. Betruͤbtſte/ daß der Froſt den Bronn der Adern ſchleuſt/ Und ein erbaͤrmlich Weh euch Hertz und Seel ver- zehret/ Weil eure Luſt und Troſt von dieſer Erden reißt/ Jſt heiſſer Thraͤnen werth/ auch billich zu beklagen. Es ſolte Caſtalis mit vollen Stroͤmen gehn/ Wenn nicht deß Hornungs Grimm in Harniſch ſie geſchlagen/ Und ſo mit Stadt und Land verfroren muͤſte ſtehn. Vergebens hab ich nur den Lorber-Wald beſuchet/ Der Pindus ſiand verſchneyt/ Parnaſſus gantz bedeckt; Und als ich bey der Thuͤr der Muſen angepochet/ Hat mich die Grauſamkeit des Wetters mehr erſchreckt. Jch forſchte ferner nach in der Gelehrten Buͤchern/ Wiewol ein grimmig Leid nimmt ſchlechten Troſt nicht an; Diß was die Heyden zwang mit Troſt ſich zu verſichern/ Gilt bey uns Chriſten nicht und iſt nur eitler Wahn. Wie ſehr wir uns bemuͤhn die Kuͤnſte zu ergruͤnden/ Und alle Wiſſenſchafft in den Beſitz zu ziehn/ So iſt die groͤſte Kunſt in Gottes Schluß ſich finden/ Und ſeinem Willen nicht vorſetzlich zu entfliehn. Es bleibet unverruͤckt das Goͤttliche Geſetze/ Wie wiederwertig es Vernunfft und Sinnen ſcheint. So ſind doch nirgends ſonſt deß Himmels wahre Schaͤtze/ Die andern aufder Welt raubt Untreu/ Zeit und Feind. Jſt nun ein Kind ein Schatz/ wie billich/ zu benennen/ Was Wunder daß auch GOtt fuͤr ſolche Schaͤtze wacht! Und eh das Sodoma der Welt noch muß verbrennen/ Bey zeiten zu ſich holt und ſelber nimmt in acht. Der Eltern Sorg’ und Fleiß/ wie muͤhſam ſie ſonſt wachen/ Legt Erben von dem Gut deß Gluͤckes etwas bey; Doch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0312" n="80"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leichen-Gedichte.</hi> </fw><lb/> <l>Der Wandel den er hier in ſeinem Leben fuͤhrte/</l><lb/> <l>Der bietet ihm auch dort die Unſchulds-Lilgen all.</l><lb/> <l>Die wolbedachte Ruh/ ſo ihn auff Erden zierte/</l><lb/> <l>Macht daß er in der Hand deß HErren ruhen kan/</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Uber das fruͤhzeitige Abſterben/<lb/> Hn. P. V. aͤlteſten Toͤchterlein/ 2. Febr. 1670.</hi> </hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>As kalte Todes-Eis jetzt euer Hertz beſchweret/</l><lb/> <l>Betruͤbtſte/ daß der Froſt den Bronn der Adern<lb/><hi rendition="#et">ſchleuſt/</hi></l><lb/> <l>Und ein erbaͤrmlich Weh euch Hertz und Seel ver-<lb/><hi rendition="#et">zehret/</hi></l><lb/> <l>Weil eure Luſt und Troſt von dieſer Erden reißt/</l><lb/> <l>Jſt heiſſer Thraͤnen werth/ auch billich zu beklagen.</l><lb/> <l>Es ſolte Caſtalis mit vollen Stroͤmen gehn/</l><lb/> <l>Wenn nicht deß Hornungs Grimm in Harniſch ſie geſchlagen/</l><lb/> <l>Und ſo mit Stadt und Land verfroren muͤſte ſtehn.</l><lb/> <l>Vergebens hab ich nur den Lorber-Wald beſuchet/</l><lb/> <l>Der Pindus ſiand verſchneyt/ Parnaſſus gantz bedeckt;</l><lb/> <l>Und als ich bey der Thuͤr der Muſen angepochet/</l><lb/> <l>Hat mich die Grauſamkeit des Wetters mehr erſchreckt.</l><lb/> <l>Jch forſchte ferner nach in der Gelehrten Buͤchern/</l><lb/> <l>Wiewol ein grimmig Leid nimmt ſchlechten Troſt nicht an;</l><lb/> <l>Diß was <choice><sic>dle</sic><corr>die</corr></choice> Heyden zwang mit Troſt ſich zu verſichern/</l><lb/> <l>Gilt bey uns Chriſten nicht und iſt nur eitler Wahn.</l><lb/> <l>Wie ſehr wir uns bemuͤhn die Kuͤnſte zu ergruͤnden/</l><lb/> <l>Und alle Wiſſenſchafft in den Beſitz zu ziehn/</l><lb/> <l>So iſt die groͤſte Kunſt in Gottes Schluß ſich finden/</l><lb/> <l>Und ſeinem Willen nicht vorſetzlich zu entfliehn.</l><lb/> <l>Es bleibet unverruͤckt das Goͤttliche Geſetze/</l><lb/> <l>Wie wiederwertig es Vernunfft und Sinnen ſcheint.</l><lb/> <l>So ſind doch nirgends ſonſt deß Himmels wahre Schaͤtze/</l><lb/> <l>Die andern aufder Welt raubt Untreu/ Zeit und Feind.</l><lb/> <l>Jſt nun ein Kind ein Schatz/ wie billich/ zu benennen/</l><lb/> <l>Was Wunder daß auch GOtt fuͤr ſolche Schaͤtze wacht!</l><lb/> <l>Und eh das Sodoma der Welt noch muß verbrennen/</l><lb/> <l>Bey zeiten zu ſich holt und ſelber nimmt in acht.</l><lb/> <l>Der Eltern Sorg’ und Fleiß/ wie muͤhſam ſie ſonſt wachen/</l><lb/> <l>Legt Erben von dem Gut deß Gluͤckes etwas bey;</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [80/0312]
Leichen-Gedichte.
Der Wandel den er hier in ſeinem Leben fuͤhrte/
Der bietet ihm auch dort die Unſchulds-Lilgen all.
Die wolbedachte Ruh/ ſo ihn auff Erden zierte/
Macht daß er in der Hand deß HErren ruhen kan/
Uber das fruͤhzeitige Abſterben/
Hn. P. V. aͤlteſten Toͤchterlein/ 2. Febr. 1670.
DAs kalte Todes-Eis jetzt euer Hertz beſchweret/
Betruͤbtſte/ daß der Froſt den Bronn der Adern
ſchleuſt/
Und ein erbaͤrmlich Weh euch Hertz und Seel ver-
zehret/
Weil eure Luſt und Troſt von dieſer Erden reißt/
Jſt heiſſer Thraͤnen werth/ auch billich zu beklagen.
Es ſolte Caſtalis mit vollen Stroͤmen gehn/
Wenn nicht deß Hornungs Grimm in Harniſch ſie geſchlagen/
Und ſo mit Stadt und Land verfroren muͤſte ſtehn.
Vergebens hab ich nur den Lorber-Wald beſuchet/
Der Pindus ſiand verſchneyt/ Parnaſſus gantz bedeckt;
Und als ich bey der Thuͤr der Muſen angepochet/
Hat mich die Grauſamkeit des Wetters mehr erſchreckt.
Jch forſchte ferner nach in der Gelehrten Buͤchern/
Wiewol ein grimmig Leid nimmt ſchlechten Troſt nicht an;
Diß was die Heyden zwang mit Troſt ſich zu verſichern/
Gilt bey uns Chriſten nicht und iſt nur eitler Wahn.
Wie ſehr wir uns bemuͤhn die Kuͤnſte zu ergruͤnden/
Und alle Wiſſenſchafft in den Beſitz zu ziehn/
So iſt die groͤſte Kunſt in Gottes Schluß ſich finden/
Und ſeinem Willen nicht vorſetzlich zu entfliehn.
Es bleibet unverruͤckt das Goͤttliche Geſetze/
Wie wiederwertig es Vernunfft und Sinnen ſcheint.
So ſind doch nirgends ſonſt deß Himmels wahre Schaͤtze/
Die andern aufder Welt raubt Untreu/ Zeit und Feind.
Jſt nun ein Kind ein Schatz/ wie billich/ zu benennen/
Was Wunder daß auch GOtt fuͤr ſolche Schaͤtze wacht!
Und eh das Sodoma der Welt noch muß verbrennen/
Bey zeiten zu ſich holt und ſelber nimmt in acht.
Der Eltern Sorg’ und Fleiß/ wie muͤhſam ſie ſonſt wachen/
Legt Erben von dem Gut deß Gluͤckes etwas bey;
Doch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |