Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Wenn gleich einem Regen-BogenUnser Hoffen muß vergehn/ Und die Lust so man gepflogen Wir sehn auf der Bahre stehn. 2. Daß sie uns die Augen schliessenJst der wünschte Ziel und Zweck. Wenn hingegen wir sie müssen Auß den Augen tragen weg/ Scheint es der Vernunfft zwar bitter/ Und dem Hertzen schwer zu seyn/ Daß deß Todes Ungewitter Reist Gesetz und Ordnung ein. 3. Aber wie auff gleich GewichteTod und Leben ist gelegt/ Und das Göttliche Gerichte Nicht zu unterscheiden pflegt/ Ob es an begrauten Haaren Seinenletzten Schluß vollzieht? Oder die wirfft auff die Bahren So in ihrer ersten Blüth? 4. Also müssen wir auch dencken/Daß beym Eintrit in die Welt/ Ab- und Hinzug uns umbschrencken Und der Tod gefangen helt. Es sind bald die Windel-Binden/ Fessel unsrer Sterbligkeit/ Und der Vorrath den wir finden/ Jst gehäufftes Hertzeleid. 5. Thränen sind die ersten WahrenUnd der letzte Sterbens-Zoll/ Kummer wächset mit den Jahren/ Elend macht das Leben voll. So daß man muß Beyfall geben/ Was der Weisen Mund gelehrt/ Daß es besser gar nicht leben Oder daß es bald auffhört. 6. Denn
Leichen-Gedichte. Wenn gleich einem Regen-BogenUnſer Hoffen muß vergehn/ Und die Luſt ſo man gepflogen Wir ſehn auf der Bahre ſtehn. 2. Daß ſie uns die Augen ſchlieſſenJſt der wuͤnſchte Ziel und Zweck. Wenn hingegen wir ſie muͤſſen Auß den Augen tragen weg/ Scheint es der Vernunfft zwar bitter/ Und dem Hertzen ſchwer zu ſeyn/ Daß deß Todes Ungewitter Reiſt Geſetz und Ordnung ein. 3. Aber wie auff gleich GewichteTod und Leben iſt gelegt/ Und das Goͤttliche Gerichte Nicht zu unterſcheiden pflegt/ Ob es an begrauten Haaren Seinenletzten Schluß vollzieht? Oder die wirfft auff die Bahren So in ihrer erſten Bluͤth? 4. Alſo muͤſſen wir auch dencken/Daß beym Eintrit in die Welt/ Ab- und Hinzug uns umbſchrencken Und der Tod gefangen helt. Es ſind bald die Windel-Binden/ Feſſel unſrer Sterbligkeit/ Und der Vorrath den wir finden/ Jſt gehaͤufftes Hertzeleid. 5. Thraͤnen ſind die erſten WahrenUnd der letzte Sterbens-Zoll/ Kummer waͤchſet mit den Jahren/ Elend macht das Leben voll. So daß man muß Beyfall geben/ Was der Weiſen Mund gelehrt/ Daß es beſſer gar nicht leben Oder daß es bald auffhoͤrt. 6. Denn
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Leichen-Gedichte.
Wenn gleich einem Regen-Bogen
Unſer Hoffen muß vergehn/
Und die Luſt ſo man gepflogen
Wir ſehn auf der Bahre ſtehn.
2.
Daß ſie uns die Augen ſchlieſſen
Jſt der wuͤnſchte Ziel und Zweck.
Wenn hingegen wir ſie muͤſſen
Auß den Augen tragen weg/
Scheint es der Vernunfft zwar bitter/
Und dem Hertzen ſchwer zu ſeyn/
Daß deß Todes Ungewitter
Reiſt Geſetz und Ordnung ein.
3.
Aber wie auff gleich Gewichte
Tod und Leben iſt gelegt/
Und das Goͤttliche Gerichte
Nicht zu unterſcheiden pflegt/
Ob es an begrauten Haaren
Seinenletzten Schluß vollzieht?
Oder die wirfft auff die Bahren
So in ihrer erſten Bluͤth?
4.
Alſo muͤſſen wir auch dencken/
Daß beym Eintrit in die Welt/
Ab- und Hinzug uns umbſchrencken
Und der Tod gefangen helt.
Es ſind bald die Windel-Binden/
Feſſel unſrer Sterbligkeit/
Und der Vorrath den wir finden/
Jſt gehaͤufftes Hertzeleid.
5.
Thraͤnen ſind die erſten Wahren
Und der letzte Sterbens-Zoll/
Kummer waͤchſet mit den Jahren/
Elend macht das Leben voll.
So daß man muß Beyfall geben/
Was der Weiſen Mund gelehrt/
Daß es beſſer gar nicht leben
Oder daß es bald auffhoͤrt.
6. Denn
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