Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Bey Beerdigung Fr. H. F. g. J. den. 2. Octobr. 1675. 1. ENtbrichst du dich der Erden Höle/Und suchst das unumschriebne Licht/ Du Tugend-Weib/ du edle Seele Gefällt dir dieser Nothstall nicht? Jn dem dein Leib hier eingespannet? Eilst du des Himmels Freyheit zu/ Und legst vom Sterben übermannet/ Die mürben Glieder zu der Ruh? 2. Ach ja du weist daß diese HüttenAus schlechtem Leim seyn auffgebaut/ Daß Zeit und Zufall sie zerrütten/ Und man daran nichts ewigs schaut; Es reisset jeder Tag und Stunde Vom Bau des Lebens etwas ein/ Da gehn wir ärmsten auch zu Grunde/ So bald wir nur gebohren seyn. 3. Der Tod fällt nicht nur graue Jahre/Und die beschneiten Häupter an. Der Jugend krause locken Haare/ Und was beheglich heissen kan/ Der Augen lichtes Sternen-prangen; Der Glieder Anmuths-reicher May Die Lilg' und Rosen auff den Wangen/ Sind nicht von der Verwesung frey. 4. Vergebens/ daß ihr Lust gestaltenSchätzt eure Schönheit sonder gleich; Die zarte Haut kan bald sich falten/ Ein eintzig Fieber macht euch bleich; Und wenn ihr bey dem höchsten blühen Stecht aller Blumen Zierath hin/ Wird euch der Tod ein Kleid anziehen/ Vor dem ihr andern werdet fliehn. 5. Es P p p 3
Leichen-Gedichte. Bey Beerdigung Fr. H. F. g. J. den. 2. Octobr. 1675. 1. ENtbrichſt du dich der Erden Hoͤle/Und ſuchſt das unumſchriebne Licht/ Du Tugend-Weib/ du edle Seele Gefaͤllt dir dieſer Nothſtall nicht? Jn dem dein Leib hier eingeſpannet? Eilſt du des Himmels Freyheit zu/ Und legſt vom Sterben uͤbermannet/ Die muͤrben Glieder zu der Ruh? 2. Ach ja du weiſt daß dieſe HuͤttenAus ſchlechtem Leim ſeyn auffgebaut/ Daß Zeit und Zufall ſie zerruͤtten/ Und man daran nichts ewigs ſchaut; Es reiſſet jeder Tag und Stunde Vom Bau des Lebens etwas ein/ Da gehn wir aͤrmſten auch zu Grunde/ So bald wir nur gebohren ſeyn. 3. Der Tod faͤllt nicht nur graue Jahre/Und die beſchneiten Haͤupter an. Der Jugend krauſe locken Haare/ Und was beheglich heiſſen kan/ Der Augen lichtes Sternen-prangen; Der Glieder Anmuths-reicher May Die Lilg’ und Roſen auff den Wangen/ Sind nicht von der Verweſung frey. 4. Vergebens/ daß ihr Luſt geſtaltenSchaͤtzt eure Schoͤnheit ſonder gleich; Die zarte Haut kan bald ſich falten/ Ein eintzig Fieber macht euch bleich; Und wenn ihr bey dem hoͤchſten bluͤhen Stecht aller Blumen Zierath hin/ Wird euch der Tod ein Kleid anziehen/ Vor dem ihr andern werdet fliehn. 5. Es P p p 3
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Leichen-Gedichte.
Bey Beerdigung Fr. H. F. g. J. den. 2.
Octobr. 1675.
1.
ENtbrichſt du dich der Erden Hoͤle/
Und ſuchſt das unumſchriebne Licht/
Du Tugend-Weib/ du edle Seele
Gefaͤllt dir dieſer Nothſtall nicht?
Jn dem dein Leib hier eingeſpannet?
Eilſt du des Himmels Freyheit zu/
Und legſt vom Sterben uͤbermannet/
Die muͤrben Glieder zu der Ruh?
2.
Ach ja du weiſt daß dieſe Huͤtten
Aus ſchlechtem Leim ſeyn auffgebaut/
Daß Zeit und Zufall ſie zerruͤtten/
Und man daran nichts ewigs ſchaut;
Es reiſſet jeder Tag und Stunde
Vom Bau des Lebens etwas ein/
Da gehn wir aͤrmſten auch zu Grunde/
So bald wir nur gebohren ſeyn.
3.
Der Tod faͤllt nicht nur graue Jahre/
Und die beſchneiten Haͤupter an.
Der Jugend krauſe locken Haare/
Und was beheglich heiſſen kan/
Der Augen lichtes Sternen-prangen;
Der Glieder Anmuths-reicher May
Die Lilg’ und Roſen auff den Wangen/
Sind nicht von der Verweſung frey.
4.
Vergebens/ daß ihr Luſt geſtalten
Schaͤtzt eure Schoͤnheit ſonder gleich;
Die zarte Haut kan bald ſich falten/
Ein eintzig Fieber macht euch bleich;
Und wenn ihr bey dem hoͤchſten bluͤhen
Stecht aller Blumen Zierath hin/
Wird euch der Tod ein Kleid anziehen/
Vor dem ihr andern werdet fliehn.
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