Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. O seelig wer nicht lang als Pilger hier darff wallenUnd ruht in GOttes Hand/ voll Freud und Sicherheit! Jch weiß/ Ehrwürdiger/ er muß den Wechsel loben/ Wie scharff es auch zu erst hat Fleisch und Blut gedrückt/ Und weil er Traurende mit viel bewehrten Proben/ Und rechtem Himmels-Trost/ nicht ohne Ruhm/ erquickt/ So woll' er was er offt Betrübten hat gerathen/ Zu seiner Linderung ihm heilsam legen bey. Des Schöpffers Allmacht übt bey uns doch Wunderthaten/ Sie schlägt/ und heilet drauf/ sie bind und macht auch frey. GOtt nimmt ihm einen Sohn/ und giebet einen wieder Den schmertzlichen Verlust ersetzt ein gleich Gewinn: Sein Obsicht stärck' an ihm die Knorpel-weichen Glieder/ Und laß ihn unverletzt zu Trost und Freude blühn. Jch kan/ Ehrwürdiger/ nichts mehr von Trost anfügen/ Weil selbst in seinem Hertz und Mund der Himmel schwebt/ Doch wird diß kurtze Wort den langen Schmertz einwiegen: Er gehins HErren Haus/ sein liebster Sohn der lebt. Leichen-Gedichte/ WElch Ungewitter hat den Garten so verheeret?Bey Beerdigung Fr. B. E. v. R. g. B. den 6. April. 1676. Der vor ein Paradieß der schönsten Blumen war/ Da die Ergötzligkeit stets neue Lust gebahr/ Und den die Liebe selbst mit ihrem Thau ernehret. Wie! irr ich/ oder deckt ein Nebel mein Gesicht? Daß ich den werthen Ort schau ohne Glantz und Licht. Ach ja! ich sehe nichts als blasse Wermuth-Sträuche/ Die Bäthe sonder Lust/ die Felder sonder Zier/ Der Eppich sprost allein/ das Todten-Kraut/ herfür/ Und öde Wüsteney wohnt in der Chloris Reiche: Die Lufft wird von dem Stral der Sonnen nie beblickt Noch durch den süssen Hauch der Westen einst erquickt. Man hört die Vögel nicht erfreute Lieder singen. Als Echo nur allein erthönt ein kläglich Ach! Die Bäche lauffen dem mit trüben Fusse nach/ Und dicke Finst ernüß will auch den Tag verdringen/ Die
Leichen-Gedichte. O ſeelig wer nicht lang als Pilger hier darff wallenUnd ruht in GOttes Hand/ voll Freud und Sicherheit! Jch weiß/ Ehrwuͤrdiger/ er muß den Wechſel loben/ Wie ſcharff es auch zu erſt hat Fleiſch und Blut gedruͤckt/ Und weil er Traurende mit viel bewehrten Proben/ Und rechtem Himmels-Troſt/ nicht ohne Ruhm/ erquickt/ So woll’ er was er offt Betruͤbten hat gerathen/ Zu ſeiner Linderung ihm heilſam legen bey. Des Schoͤpffers Allmacht uͤbt bey uns doch Wunderthaten/ Sie ſchlaͤgt/ und heilet drauf/ ſie bind und macht auch frey. GOtt nimmt ihm einen Sohn/ und giebet einen wieder Den ſchmertzlichen Verluſt erſetzt ein gleich Gewinn: Sein Obſicht ſtaͤrck’ an ihm die Knorpel-weichen Glieder/ Und laß ihn unverletzt zu Troſt und Freude bluͤhn. Jch kan/ Ehrwuͤrdiger/ nichts mehr von Troſt anfuͤgen/ Weil ſelbſt in ſeinem Hertz und Mund der Himmel ſchwebt/ Doch wird diß kurtze Wort den langen Schmertz einwiegen: Er gehins HErren Haus/ ſein liebſter Sohn der lebt. Leichen-Gedichte/ WElch Ungewitter hat den Garten ſo verheeret?Bey Beerdigung Fr. B. E. v. R. g. B. den 6. April. 1676. Der vor ein Paradieß der ſchoͤnſten Blumen war/ Da die Ergoͤtzligkeit ſtets neue Luſt gebahr/ Und den die Liebe ſelbſt mit ihrem Thau ernehret. Wie! irr ich/ oder deckt ein Nebel mein Geſicht? Daß ich den werthen Ort ſchau ohne Glantz und Licht. Ach ja! ich ſehe nichts als blaſſe Wermuth-Straͤuche/ Die Baͤthe ſonder Luſt/ die Felder ſonder Zier/ Der Eppich ſproſt allein/ das Todten-Kraut/ herfuͤr/ Und oͤde Wuͤſteney wohnt in der Chloris Reiche: Die Lufft wird von dem Stral der Sonnen nie beblickt Noch durch den ſuͤſſen Hauch der Weſten einſt erquickt. Man hoͤrt die Voͤgel nicht erfreute Lieder ſingen. Als Echo nur allein erthoͤnt ein klaͤglich Ach! Die Baͤche lauffen dem mit truͤben Fuſſe nach/ Und dicke Finſt ernuͤß will auch den Tag verdringen/ Die
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Leichen-Gedichte.
O ſeelig wer nicht lang als Pilger hier darff wallen
Und ruht in GOttes Hand/ voll Freud und Sicherheit!
Jch weiß/ Ehrwuͤrdiger/ er muß den Wechſel loben/
Wie ſcharff es auch zu erſt hat Fleiſch und Blut gedruͤckt/
Und weil er Traurende mit viel bewehrten Proben/
Und rechtem Himmels-Troſt/ nicht ohne Ruhm/ erquickt/
So woll’ er was er offt Betruͤbten hat gerathen/
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Des Schoͤpffers Allmacht uͤbt bey uns doch Wunderthaten/
Sie ſchlaͤgt/ und heilet drauf/ ſie bind und macht auch frey.
GOtt nimmt ihm einen Sohn/ und giebet einen wieder
Den ſchmertzlichen Verluſt erſetzt ein gleich Gewinn:
Sein Obſicht ſtaͤrck’ an ihm die Knorpel-weichen Glieder/
Und laß ihn unverletzt zu Troſt und Freude bluͤhn.
Jch kan/ Ehrwuͤrdiger/ nichts mehr von Troſt anfuͤgen/
Weil ſelbſt in ſeinem Hertz und Mund der Himmel ſchwebt/
Doch wird diß kurtze Wort den langen Schmertz einwiegen:
Er gehins HErren Haus/ ſein liebſter Sohn der lebt.
Leichen-Gedichte/
Bey Beerdigung Fr. B. E. v. R. g. B.
den 6. April. 1676.
WElch Ungewitter hat den Garten ſo verheeret?
Der vor ein Paradieß der ſchoͤnſten Blumen war/
Da die Ergoͤtzligkeit ſtets neue Luſt gebahr/
Und den die Liebe ſelbſt mit ihrem Thau ernehret.
Wie! irr ich/ oder deckt ein Nebel mein Geſicht?
Daß ich den werthen Ort ſchau ohne Glantz und Licht.
Ach ja! ich ſehe nichts als blaſſe Wermuth-Straͤuche/
Die Baͤthe ſonder Luſt/ die Felder ſonder Zier/
Der Eppich ſproſt allein/ das Todten-Kraut/ herfuͤr/
Und oͤde Wuͤſteney wohnt in der Chloris Reiche:
Die Lufft wird von dem Stral der Sonnen nie beblickt
Noch durch den ſuͤſſen Hauch der Weſten einſt erquickt.
Man hoͤrt die Voͤgel nicht erfreute Lieder ſingen.
Als Echo nur allein erthoͤnt ein klaͤglich Ach!
Die Baͤche lauffen dem mit truͤben Fuſſe nach/
Und dicke Finſt ernuͤß will auch den Tag verdringen/
Die
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