Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Pindarische Ode Bey Beerdigung Fr. A. M. S. g. v. V. den 20. Augusti 1678. Satz. WEnn itzt das Jahr betagt erscheint/Die Lufft wird frisch/ der Himmel weint/ Und uns die langen Nächte decken/ So falbt der Bäume grünes Haar; Wo vor das schönste Blumwerck war Da siht man nichts als wüste Hecken. Der Apffel so den Baum' geziert Und seinen Purpur hochgeführt Fällt ab/ das Graß verwelckt/ und die so volle Traube Harrt auff des Wintzers Hand/ die sie vom Stocke raube: Denn ist die Lust und alle Liebligkeit Von uns hinweg und nur betrübte Zeit. Gegen-Satz. So gehts mit unsrer Lebens-FristDie einem Herbst gantz ähnlich ist Wenn unsre reiffe Jahre kommen/ So mercket man wie allgemach Das traurig' Alter schleichet nach/ Und hat uns Safft und Krafft genommen. Der Jugend Schönheit ist dahin Der frische Muth/ der grüne Sinn Die blühende Gestalt/ des edlen Geistes Funcken Der Gaben Treffligkeit sind allbereit entsuncken. Und die wir vor so jung/ so schön und roth/ Erwarten nun nichts anders als den Tod. Nach Gesang. Von Bäumen gibt der Herbst/ wir vom Gemüthe Früchte/Er kan so trächtig nimmer stehn/ Als wir geziert mit Tugend gehn/ Und suchen in der Welt ein ewiges Gerüchte. Ob Schönheit schon vergeht trit Klugheit an die statt. Ein hoch und edles Blut das seineu Ursprung hat Von der gestirnten Höh' Reis't wieder zu den Sternen/ Und
Leichen-Gedichte. Pindariſche Ode Bey Beerdigung Fr. A. M. S. g. v. V. den 20. Auguſti 1678. Satz. WEnn itzt das Jahr betagt erſcheint/Die Lufft wird friſch/ der Himmel weint/ Und uns die langen Naͤchte decken/ So falbt der Baͤume gruͤnes Haar; Wo vor das ſchoͤnſte Blumwerck war Da ſiht man nichts als wuͤſte Hecken. Der Apffel ſo den Baum’ geziert Und ſeinen Purpur hochgefuͤhrt Faͤllt ab/ das Graß verwelckt/ und die ſo volle Traube Harrt auff des Wintzers Hand/ die ſie vom Stocke raube: Denn iſt die Luſt und alle Liebligkeit Von uns hinweg und nur betruͤbte Zeit. Gegen-Satz. So gehts mit unſrer Lebens-FriſtDie einem Herbſt gantz aͤhnlich iſt Wenn unſre reiffe Jahre kommen/ So mercket man wie allgemach Das traurig’ Alter ſchleichet nach/ Und hat uns Safft und Krafft genommen. Der Jugend Schoͤnheit iſt dahin Der friſche Muth/ der gruͤne Sinn Die bluͤhende Geſtalt/ des edlen Geiſtes Funcken Der Gaben Treffligkeit ſind allbereit entſuncken. Und die wir vor ſo jung/ ſo ſchoͤn und roth/ Erwarten nun nichts anders als den Tod. Nach Geſang. Von Baͤumen gibt der Herbſt/ wir vom Gemuͤthe Fruͤchte/Er kan ſo traͤchtig nimmer ſtehn/ Als wir geziert mit Tugend gehn/ Und ſuchen in der Welt ein ewiges Geruͤchte. Ob Schoͤnheit ſchon vergeht trit Klugheit an die ſtatt. Ein hoch und edles Blut das ſeineu Urſprung hat Von der geſtirnten Hoͤh’ Reiſ’t wieder zu den Sternen/ Und
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Leichen-Gedichte.
Pindariſche Ode
Bey Beerdigung Fr. A. M. S. g. v. V. den
20. Auguſti 1678.
Satz.
WEnn itzt das Jahr betagt erſcheint/
Die Lufft wird friſch/ der Himmel weint/
Und uns die langen Naͤchte decken/
So falbt der Baͤume gruͤnes Haar;
Wo vor das ſchoͤnſte Blumwerck war
Da ſiht man nichts als wuͤſte Hecken.
Der Apffel ſo den Baum’ geziert
Und ſeinen Purpur hochgefuͤhrt
Faͤllt ab/ das Graß verwelckt/ und die ſo volle Traube
Harrt auff des Wintzers Hand/ die ſie vom Stocke raube:
Denn iſt die Luſt und alle Liebligkeit
Von uns hinweg und nur betruͤbte Zeit.
Gegen-Satz.
So gehts mit unſrer Lebens-Friſt
Die einem Herbſt gantz aͤhnlich iſt
Wenn unſre reiffe Jahre kommen/
So mercket man wie allgemach
Das traurig’ Alter ſchleichet nach/
Und hat uns Safft und Krafft genommen.
Der Jugend Schoͤnheit iſt dahin
Der friſche Muth/ der gruͤne Sinn
Die bluͤhende Geſtalt/ des edlen Geiſtes Funcken
Der Gaben Treffligkeit ſind allbereit entſuncken.
Und die wir vor ſo jung/ ſo ſchoͤn und roth/
Erwarten nun nichts anders als den Tod.
Nach Geſang.
Von Baͤumen gibt der Herbſt/ wir vom Gemuͤthe Fruͤchte/
Er kan ſo traͤchtig nimmer ſtehn/
Als wir geziert mit Tugend gehn/
Und ſuchen in der Welt ein ewiges Geruͤchte.
Ob Schoͤnheit ſchon vergeht trit Klugheit an die ſtatt.
Ein hoch und edles Blut das ſeineu Urſprung hat
Von der geſtirnten Hoͤh’
Reiſ’t wieder zu den Sternen/
Und
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