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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Was hat in kurtzer Zeit für Gut sie nicht erstritten?
Nun sie den Uberfluß der Himmels-Füll erlangt.
Es scheint ein Augenblick darinnen sie gelitten/
Da sie auf ewig jetzt für Gottes Throne prangt.
Und diß macht die Gedult/ daß sie so herrlich sieget/
Die Tugend so gewiß der andern Königin.
Die stärckt den schwachen Geist/ daß er nicht unten lieget/
Führt von der Erden ab zum Himmel unsern Sinn.
Ruhmseeligste Gedult/ wer preist nicht deine Wercke?
Und wem ist unbekand die Grösse deiner Macht?
Du giebst dem Hertzen Trost/ dem Glauben Licht und Stärcke
Und stehest unbewegt wenn Erd uud Welt erkracht.
Regiert nicht deine Hand die Ketten von dem Frieden?
Baust du die Liebe nicht sambt der Bescheidenheit?
Wenn du die Buß erwegst; wird Sünde nicht vermieden?
Des Fleisches Lust gedämpfft/ der Geist davon befreyt?
Und hemmst du nicht die Zung und bindest unsre Hände?
Heist du uns nicht getrost auch bey Versuchung seyn?
Und machst dem Aergernüß und was uns kränckt ein Ende/
Daß wir gleich Märtyrern den Himmel gehen ein?
Du bist der Armen Trost/ ein Ziel und Maß des Reichen/
Dem Schwachen hilffst du auf/ dem Starcken daß er bleibt
Du bist deß Gläubigen erwünschtes Freuden-Zeichen/
Des Heyden Angetrieb/ daß er sich dir verschreibt.
Du ziehrst das Frauen-Volck und wirst am Mann gepriesen/
An Jünglingen gelobt/ an Knaben hoch geliebt.
Es ist kein Alter nicht/ daß dir nicht Ehr' erwiesen
Und das dir willig Raum und Wohnstätt bey sich gibt.
Vornemlich hat' ihr Hertz Frau Knorrin dir ergeben/
Du mustest Tag und Nacht bey ihr Gefertin seyn.
Und wie du Führerin begleitet sie im Leben/
So seh' ich dich annoch bemüht umb ihren Schrein.
Wir sinnen nur umbsonst ein Denckmal ihr zu setzen
Weil selbst den Leichenstein du/ O Gedult/ gelegt.
Es würde sonder Ruhm der Künstler Schrifften ätzen
Weil dein warhafftig Mund ihr Zeugnüß bey sich trägt.
Wie sie von Jugend auff so eifrig GOtt geliebet/
Wie sie nach seinem Wort ihr Leben eingericht/
Jhr Christenthum durch dich vollkommen ausgeübet/
Ja dich in Creutz und Angst gebraucht als Trost und Licht.
Das
Leichen-Gedichte.
Was hat in kurtzer Zeit fuͤr Gut ſie nicht erſtritten?
Nun ſie den Uberfluß der Himmels-Fuͤll erlangt.
Es ſcheint ein Augenblick darinnen ſie gelitten/
Da ſie auf ewig jetzt fuͤr Gottes Throne prangt.
Und diß macht die Gedult/ daß ſie ſo herꝛlich ſieget/
Die Tugend ſo gewiß der andern Koͤnigin.
Die ſtaͤrckt den ſchwachen Geiſt/ daß er nicht unten lieget/
Fuͤhrt von der Erden ab zum Himmel unſern Sinn.
Ruhmſeeligſte Gedult/ wer preiſt nicht deine Wercke?
Und wem iſt unbekand die Groͤſſe deiner Macht?
Du giebſt dem Hertzen Troſt/ dem Glauben Licht und Staͤrcke
Und ſteheſt unbewegt wenn Erd uud Welt erkracht.
Regiert nicht deine Hand die Ketten von dem Frieden?
Bauſt du die Liebe nicht ſambt der Beſcheidenheit?
Wenn du die Buß erwegſt; wird Suͤnde nicht vermieden?
Des Fleiſches Luſt gedaͤmpfft/ der Geiſt davon befreyt?
Und hemmſt du nicht die Zung und bindeſt unſre Haͤnde?
Heiſt du uns nicht getroſt auch bey Verſuchung ſeyn?
Und machſt dem Aergernuͤß und was uns kraͤnckt ein Ende/
Daß wir gleich Maͤrtyrern den Himmel gehen ein?
Du biſt der Armen Troſt/ ein Ziel und Maß des Reichen/
Dem Schwachen hilffſt du auf/ dem Starcken daß er bleibt
Du biſt deß Glaͤubigen erwuͤnſchtes Freuden-Zeichen/
Des Heyden Angetrieb/ daß er ſich dir verſchreibt.
Du ziehrſt das Frauen-Volck und wirſt am Mann geprieſen/
An Juͤnglingen gelobt/ an Knaben hoch geliebt.
Es iſt kein Alter nicht/ daß dir nicht Ehr’ erwieſen
Und das dir willig Raum und Wohnſtaͤtt bey ſich gibt.
Vornemlich hat’ ihr Hertz Frau Knorrin dir ergeben/
Du muſteſt Tag und Nacht bey ihr Gefertin ſeyn.
Und wie du Fuͤhrerin begleitet ſie im Leben/
So ſeh’ ich dich annoch bemuͤht umb ihren Schrein.
Wir ſinnen nur umbſonſt ein Denckmal ihr zu ſetzen
Weil ſelbſt den Leichenſtein du/ O Gedult/ gelegt.
Es wuͤrde ſonder Ruhm der Kuͤnſtler Schrifften aͤtzen
Weil dein warhafftig Mund ihr Zeugnuͤß bey ſich traͤgt.
Wie ſie von Jugend auff ſo eifrig GOtt geliebet/
Wie ſie nach ſeinem Wort ihr Leben eingericht/
Jhr Chriſtenthum durch dich vollkommen ausgeuͤbet/
Ja dich in Creutz und Angſt gebraucht als Troſt und Licht.
Das
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[352/0584] Leichen-Gedichte. Was hat in kurtzer Zeit fuͤr Gut ſie nicht erſtritten? Nun ſie den Uberfluß der Himmels-Fuͤll erlangt. Es ſcheint ein Augenblick darinnen ſie gelitten/ Da ſie auf ewig jetzt fuͤr Gottes Throne prangt. Und diß macht die Gedult/ daß ſie ſo herꝛlich ſieget/ Die Tugend ſo gewiß der andern Koͤnigin. Die ſtaͤrckt den ſchwachen Geiſt/ daß er nicht unten lieget/ Fuͤhrt von der Erden ab zum Himmel unſern Sinn. Ruhmſeeligſte Gedult/ wer preiſt nicht deine Wercke? Und wem iſt unbekand die Groͤſſe deiner Macht? Du giebſt dem Hertzen Troſt/ dem Glauben Licht und Staͤrcke Und ſteheſt unbewegt wenn Erd uud Welt erkracht. Regiert nicht deine Hand die Ketten von dem Frieden? Bauſt du die Liebe nicht ſambt der Beſcheidenheit? Wenn du die Buß erwegſt; wird Suͤnde nicht vermieden? Des Fleiſches Luſt gedaͤmpfft/ der Geiſt davon befreyt? Und hemmſt du nicht die Zung und bindeſt unſre Haͤnde? Heiſt du uns nicht getroſt auch bey Verſuchung ſeyn? Und machſt dem Aergernuͤß und was uns kraͤnckt ein Ende/ Daß wir gleich Maͤrtyrern den Himmel gehen ein? Du biſt der Armen Troſt/ ein Ziel und Maß des Reichen/ Dem Schwachen hilffſt du auf/ dem Starcken daß er bleibt Du biſt deß Glaͤubigen erwuͤnſchtes Freuden-Zeichen/ Des Heyden Angetrieb/ daß er ſich dir verſchreibt. Du ziehrſt das Frauen-Volck und wirſt am Mann geprieſen/ An Juͤnglingen gelobt/ an Knaben hoch geliebt. Es iſt kein Alter nicht/ daß dir nicht Ehr’ erwieſen Und das dir willig Raum und Wohnſtaͤtt bey ſich gibt. Vornemlich hat’ ihr Hertz Frau Knorrin dir ergeben/ Du muſteſt Tag und Nacht bey ihr Gefertin ſeyn. Und wie du Fuͤhrerin begleitet ſie im Leben/ So ſeh’ ich dich annoch bemuͤht umb ihren Schrein. Wir ſinnen nur umbſonſt ein Denckmal ihr zu ſetzen Weil ſelbſt den Leichenſtein du/ O Gedult/ gelegt. Es wuͤrde ſonder Ruhm der Kuͤnſtler Schrifften aͤtzen Weil dein warhafftig Mund ihr Zeugnuͤß bey ſich traͤgt. Wie ſie von Jugend auff ſo eifrig GOtt geliebet/ Wie ſie nach ſeinem Wort ihr Leben eingericht/ Jhr Chriſtenthum durch dich vollkommen ausgeuͤbet/ Ja dich in Creutz und Angſt gebraucht als Troſt und Licht. Das

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/584>, abgerufen am 22.11.2024.