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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Leichen-Gedichte.
Er findt ins Lebens-Buch sich überall geschrieben/
Es raubt noch Höll- und Feind das ihm versprochne Gut.
Und ist von Schwachheit je und Sünden noch was blieben/
So hat dafür genung gethan des Heilands Blut.
Was hülffes sonst den Mensch viel Schätze zugewinnen/
Wenn er dabey Verlust an seiner Seelen fühlt?
Muß nicht das Gut der Welt wie eine Fluth zerrinnen?
Wohl dem/ der hier den Zweck der Ewigkeit er zielt.
Beglückter Handels-Mann/ der erst was oben suchet/
Der ein warhafftig Lob läst bey gemeiner Stadt/
Daß niemand seinem Grab/ und seiner Asche fluchet
Noch etwas wiedriges darauff zu sprechen hat!
Herr Oehmens Redligkeit war ohne Schuld und Flecken/
Jndem kein falsches Wort von seinen Lippen ging/
Er pflegte sein Gemüth und Hertz nicht zuverstecken/
Treu war sein Wapen-Schild/ Beständigkeit sein Ring.
Die Moden von der Zeit/ die Masquen von Gebehrden
Das schien ein Gauckel-Spiel in seinem Deutschen Blut.
Und obschon Laster itzt zu Sitten wollen werden/
So war der Phantasey sein redlich Hertz nicht gut.
Es wird manch werther Freund noch diesen Freund vermissen:
Klagt itzt das Armuth nicht/ sein Vater sey dahin.
Der leicht nicht was versagt/ ist allzu früh entrissen.
Wo ist die freye Hand/ wo sein mitleidig Sinn?
Wie aber sol ich itzt des Hauses Leid entdecken?
Wem schick ich erstlich Trost bey diesen Wunden zu?
Die Liebste seufftzt und girrt/ wie eine Taub' in Hecken/
Die ihren Gatten sucht/ und findet nirgend Ruh.
Die Kinder schliessen gleich bethränt des Vatern Augen/
Und thun die letzte Pflicht nach der Natur Geheiß.
So geust auch Kindes-Kind was von der Zähren-Laugen;
Und hängt der Regung nach/ die sie kaum kennt und weiß.
Gar keinen mangelt Zeug von seiner Noth zuklagen/
Allein mein Trost ist kurtz in diesen Reim gefast:
Was GOtt hat aufferlegt/ das lerne man doch tragen/
Je mehr man es empfind't je schwerer ist die Last.
Herr Oehm geht Ehrenvoll bey den begrauten Haaren
Jns Grab/ sein Schlaffgemach/ und Haus der Sicherheit/
Läst Erbenhinter sich/ die seinen Ruhm bewahren/
Den Sohn dem Phöbus hat den Lorber-Krantz geweyht.
Sein
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Leichen-Gedichte.
Er findt ins Lebens-Buch ſich uͤberall geſchrieben/
Es raubt noch Hoͤll- und Feind das ihm verſprochne Gut.
Und iſt von Schwachheit je und Suͤnden noch was blieben/
So hat dafuͤr genung gethan des Heilands Blut.
Was huͤlffes ſonſt den Menſch viel Schaͤtze zugewinnen/
Wenn er dabey Verluſt an ſeiner Seelen fuͤhlt?
Muß nicht das Gut der Welt wie eine Fluth zerrinnen?
Wohl dem/ der hier den Zweck der Ewigkeit er zielt.
Begluͤckter Handels-Mann/ der erſt was oben ſuchet/
Der ein warhafftig Lob laͤſt bey gemeiner Stadt/
Daß niemand ſeinem Grab/ und ſeiner Aſche fluchet
Noch etwas wiedriges darauff zu ſprechen hat!
Herr Oehmens Redligkeit war ohne Schuld und Flecken/
Jndem kein falſches Wort von ſeinen Lippen ging/
Er pflegte ſein Gemuͤth und Hertz nicht zuverſtecken/
Treu war ſein Wapen-Schild/ Beſtaͤndigkeit ſein Ring.
Die Moden von der Zeit/ die Maſquen von Gebehrden
Das ſchien ein Gauckel-Spiel in ſeinem Deutſchen Blut.
Und obſchon Laſter itzt zu Sitten wollen werden/
So war der Phantaſey ſein redlich Hertz nicht gut.
Es wird manch werther Freund noch dieſen Freund vermiſſen:
Klagt itzt das Armuth nicht/ ſein Vater ſey dahin.
Der leicht nicht was verſagt/ iſt allzu fruͤh entriſſen.
Wo iſt die freye Hand/ wo ſein mitleidig Sinn?
Wie aber ſol ich itzt des Hauſes Leid entdecken?
Wem ſchick ich erſtlich Troſt bey dieſen Wunden zu?
Die Liebſte ſeufftzt und girrt/ wie eine Taub’ in Hecken/
Die ihren Gatten ſucht/ und findet nirgend Ruh.
Die Kinder ſchlieſſen gleich bethraͤnt des Vatern Augen/
Und thun die letzte Pflicht nach der Natur Geheiß.
So geuſt auch Kindes-Kind was von der Zaͤhren-Laugen;
Und haͤngt der Regung nach/ die ſie kaum kennt und weiß.
Gar keinen mangelt Zeug von ſeiner Noth zuklagen/
Allein mein Troſt iſt kurtz in dieſen Reim gefaſt:
Was GOtt hat aufferlegt/ das lerne man doch tragen/
Je mehr man es empfind’t je ſchwerer iſt die Laſt.
Herr Oehm geht Ehrenvoll bey den begrauten Haaren
Jns Grab/ ſein Schlaffgemach/ und Haus der Sicherheit/
Laͤſt Erbenhinter ſich/ die ſeinen Ruhm bewahren/
Den Sohn dem Phoͤbus hat den Lorber-Krantz geweyht.
Sein
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[359/0591] Leichen-Gedichte. Er findt ins Lebens-Buch ſich uͤberall geſchrieben/ Es raubt noch Hoͤll- und Feind das ihm verſprochne Gut. Und iſt von Schwachheit je und Suͤnden noch was blieben/ So hat dafuͤr genung gethan des Heilands Blut. Was huͤlffes ſonſt den Menſch viel Schaͤtze zugewinnen/ Wenn er dabey Verluſt an ſeiner Seelen fuͤhlt? Muß nicht das Gut der Welt wie eine Fluth zerrinnen? Wohl dem/ der hier den Zweck der Ewigkeit er zielt. Begluͤckter Handels-Mann/ der erſt was oben ſuchet/ Der ein warhafftig Lob laͤſt bey gemeiner Stadt/ Daß niemand ſeinem Grab/ und ſeiner Aſche fluchet Noch etwas wiedriges darauff zu ſprechen hat! Herr Oehmens Redligkeit war ohne Schuld und Flecken/ Jndem kein falſches Wort von ſeinen Lippen ging/ Er pflegte ſein Gemuͤth und Hertz nicht zuverſtecken/ Treu war ſein Wapen-Schild/ Beſtaͤndigkeit ſein Ring. Die Moden von der Zeit/ die Maſquen von Gebehrden Das ſchien ein Gauckel-Spiel in ſeinem Deutſchen Blut. Und obſchon Laſter itzt zu Sitten wollen werden/ So war der Phantaſey ſein redlich Hertz nicht gut. Es wird manch werther Freund noch dieſen Freund vermiſſen: Klagt itzt das Armuth nicht/ ſein Vater ſey dahin. Der leicht nicht was verſagt/ iſt allzu fruͤh entriſſen. Wo iſt die freye Hand/ wo ſein mitleidig Sinn? Wie aber ſol ich itzt des Hauſes Leid entdecken? Wem ſchick ich erſtlich Troſt bey dieſen Wunden zu? Die Liebſte ſeufftzt und girrt/ wie eine Taub’ in Hecken/ Die ihren Gatten ſucht/ und findet nirgend Ruh. Die Kinder ſchlieſſen gleich bethraͤnt des Vatern Augen/ Und thun die letzte Pflicht nach der Natur Geheiß. So geuſt auch Kindes-Kind was von der Zaͤhren-Laugen; Und haͤngt der Regung nach/ die ſie kaum kennt und weiß. Gar keinen mangelt Zeug von ſeiner Noth zuklagen/ Allein mein Troſt iſt kurtz in dieſen Reim gefaſt: Was GOtt hat aufferlegt/ das lerne man doch tragen/ Je mehr man es empfind’t je ſchwerer iſt die Laſt. Herr Oehm geht Ehrenvoll bey den begrauten Haaren Jns Grab/ ſein Schlaffgemach/ und Haus der Sicherheit/ Laͤſt Erbenhinter ſich/ die ſeinen Ruhm bewahren/ Den Sohn dem Phoͤbus hat den Lorber-Krantz geweyht. Sein Z z z 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/591>, abgerufen am 22.11.2024.