Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Dergleichen schönen Lohn und prächtiges Geschencke/Mein Moeschel hat dir auch die Nachwelt bey gelegt/ Du hast mit Recht verdient/ daß man dein offt gedencke/ Und daß man Lorbeer-Zweig itzt auf dein Grabmal trägt. Du Sohn der Gratien/ du Hertz der Castalinnen/ Es sah von Jugend auf/ dich Phöbus günstig an/ Minerva schärffte dir die auffgeweckten Sinnen/ Und hat das feinste Gold in dein Gehirn gethan. Ein Buch war deine Lust/ ein Buch hieß deine Freude/ Die Lehrer wunderten den ungemeinen Fleiß/ Und/ was ihr Mund vorlaß/ blieb deiner Seelen Weyde/ Es rühmt noch Onoltzbach der grünen Jahre Schweiß. Und als du höher nun in freyen Künsten kommen/ Und Griechisch und Latein von deinen Lippen floß/ Hat dich der Grossen Gunst in Obacht bald genommen/ Und Basel/ als ein Sitz der Weisheit/ in die Schos. Es wieß dir Altdorff auch der Themis heilge Rechte/ Und was Justinian uns von Gesetzen sagt. Es hat zu Mümpelgart manch adliches Geschlechte Dich offt umb Unterricht und treuen Rath gefragt. Und diß war nicht genug; dein Sinn der voller Flammen/ Wolt auch vie gantze Welt das grosse Buch durchsehn. Und was Rom und Paris von Wundern bringt zusammen/ Das war dein feurig Geist bemühet außzuspähn. Wie vielmals hastu nicht die Länder durchgegangen? Und wie die Adler thun/ die Jugend angeführt? Wie so manch grosser Mann hat dich erfreut umbfangen? Und deine Redligkeit und reine Treu gespürt? Was würdig hier und da vom Alterthum zu schauen/ Und was der graue Mund von den Geschichten sagt/ Was von Gedächtnüssen den Felsen eingehauen/ Und was von Maur und Stein aus tieffen Klüfften ragt/ Das war dir gantz bekandt samt dem Vorlauff der Zeiten. Es war dein kluger Kopff die Mappe dieser Welt. Und wer dir anvertraut/ den wustest du zu leiten Daß zu der Hurtigkeit stets ernster Witz gesellt; Manch hohes Stamm-Haus hat sein Wünschen und sein Hoffen/ Die Pfeiler deß Geschlechts geliefert deiner Hand/ So hat der Seegen auch deß Himmels eingetroffen/ Daß du sie wiederbracht/ Gott und dem Vaterland. Bevor
Leichen-Gedichte. Dergleichen ſchoͤnen Lohn und praͤchtiges Geſchencke/Mein Moeſchel hat dir auch die Nachwelt bey gelegt/ Du haſt mit Recht verdient/ daß man dein offt gedencke/ Und daß man Lorbeer-Zweig itzt auf dein Grabmal traͤgt. Du Sohn der Gratien/ du Hertz der Caſtalinnen/ Es ſah von Jugend auf/ dich Phoͤbus guͤnſtig an/ Minerva ſchaͤrffte dir die auffgeweckten Sinnen/ Und hat das feinſte Gold in dein Gehirn gethan. Ein Buch war deine Luſt/ ein Buch hieß deine Freude/ Die Lehrer wunderten den ungemeinen Fleiß/ Und/ was ihr Mund vorlaß/ blieb deiner Seelen Weyde/ Es ruͤhmt noch Onoltzbach der gruͤnen Jahre Schweiß. Und als du hoͤher nun in freyen Kuͤnſten kommen/ Und Griechiſch und Latein von deinen Lippen floß/ Hat dich der Groſſen Gunſt in Obacht bald genommen/ Und Baſel/ als ein Sitz der Weisheit/ in die Schos. Es wieß dir Altdorff auch der Themis heilge Rechte/ Und was Juſtinian uns von Geſetzen ſagt. Es hat zu Muͤmpelgart manch adliches Geſchlechte Dich offt umb Unterricht und treuen Rath gefragt. Und diß war nicht genug; dein Sinn der voller Flammen/ Wolt auch vie gantze Welt das groſſe Buch durchſehn. Und was Rom und Paris von Wundern bringt zuſammen/ Das war dein feurig Geiſt bemuͤhet außzuſpaͤhn. Wie vielmals haſtu nicht die Laͤnder durchgegangen? Und wie die Adler thun/ die Jugend angefuͤhrt? Wie ſo manch groſſer Mann hat dich erfreut umbfangen? Und deine Redligkeit und reine Treu geſpuͤrt? Was wuͤrdig hier und da vom Alterthum zu ſchauen/ Und was der graue Mund von den Geſchichten ſagt/ Was von Gedaͤchtnuͤſſen den Felſen eingehauen/ Und was von Maur und Stein aus tieffen Kluͤfften ragt/ Das war dir gantz bekandt ſamt dem Vorlauff der Zeiten. Es war dein kluger Kopff die Mappe dieſer Welt. Und wer dir anvertraut/ den wuſteſt du zu leiten Daß zu der Hurtigkeit ſtets ernſter Witz geſellt; Manch hohes Stamm-Haus hat ſein Wuͤnſchen und ſein Hoffen/ Die Pfeiler deß Geſchlechts geliefert deiner Hand/ So hat der Seegen auch deß Himmels eingetroffen/ Daß du ſie wiederbracht/ Gott und dem Vaterland. Bevor
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Leichen-Gedichte.
Dergleichen ſchoͤnen Lohn und praͤchtiges Geſchencke/
Mein Moeſchel hat dir auch die Nachwelt bey gelegt/
Du haſt mit Recht verdient/ daß man dein offt gedencke/
Und daß man Lorbeer-Zweig itzt auf dein Grabmal traͤgt.
Du Sohn der Gratien/ du Hertz der Caſtalinnen/
Es ſah von Jugend auf/ dich Phoͤbus guͤnſtig an/
Minerva ſchaͤrffte dir die auffgeweckten Sinnen/
Und hat das feinſte Gold in dein Gehirn gethan.
Ein Buch war deine Luſt/ ein Buch hieß deine Freude/
Die Lehrer wunderten den ungemeinen Fleiß/
Und/ was ihr Mund vorlaß/ blieb deiner Seelen Weyde/
Es ruͤhmt noch Onoltzbach der gruͤnen Jahre Schweiß.
Und als du hoͤher nun in freyen Kuͤnſten kommen/
Und Griechiſch und Latein von deinen Lippen floß/
Hat dich der Groſſen Gunſt in Obacht bald genommen/
Und Baſel/ als ein Sitz der Weisheit/ in die Schos.
Es wieß dir Altdorff auch der Themis heilge Rechte/
Und was Juſtinian uns von Geſetzen ſagt.
Es hat zu Muͤmpelgart manch adliches Geſchlechte
Dich offt umb Unterricht und treuen Rath gefragt.
Und diß war nicht genug; dein Sinn der voller Flammen/
Wolt auch vie gantze Welt das groſſe Buch durchſehn.
Und was Rom und Paris von Wundern bringt zuſammen/
Das war dein feurig Geiſt bemuͤhet außzuſpaͤhn.
Wie vielmals haſtu nicht die Laͤnder durchgegangen?
Und wie die Adler thun/ die Jugend angefuͤhrt?
Wie ſo manch groſſer Mann hat dich erfreut umbfangen?
Und deine Redligkeit und reine Treu geſpuͤrt?
Was wuͤrdig hier und da vom Alterthum zu ſchauen/
Und was der graue Mund von den Geſchichten ſagt/
Was von Gedaͤchtnuͤſſen den Felſen eingehauen/
Und was von Maur und Stein aus tieffen Kluͤfften ragt/
Das war dir gantz bekandt ſamt dem Vorlauff der Zeiten.
Es war dein kluger Kopff die Mappe dieſer Welt.
Und wer dir anvertraut/ den wuſteſt du zu leiten
Daß zu der Hurtigkeit ſtets ernſter Witz geſellt;
Manch hohes Stamm-Haus hat ſein Wuͤnſchen und ſein Hoffen/
Die Pfeiler deß Geſchlechts geliefert deiner Hand/
So hat der Seegen auch deß Himmels eingetroffen/
Daß du ſie wiederbracht/ Gott und dem Vaterland.
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Zitationshilfe: | Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/616>, abgerufen am 27.07.2024. |