Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Leichen-Gedichte. Drumb werther Seeliger hastu sehr wol geschlossen.Wie aber stell ich recht den grossen Nutzen für? Bilantz und Räitung sind nur lauter Kinder-Possen/ Was Welt und zeiclich ist hat kein Gehore hier. Da unser Heyland sich in unser Fleisch verkleidet/ Da wuchs das Capital der Ewigkeit uns zu; Und als er an dem Creutz vor unsre Sunden leidet Da setzt er aus Gefahr uns in die sichre Ruh. Es sey das Fleisch nun Heu: was ist daran gelegen? Ob uns der Würge-Mann die Knochen gleich zerhaut/ Und wird uns durch das Grab wie durch ein Sieb ausfegen. Versichert daß sie sind zu grösserm Glantz vertraut. Ach laß erblaster Freund das Heu/ dein Fleisch/ verwelcken/ Du hast hier wol gelebt und schläfft mit Ehren ein/ So prangt dein Garten nicht mit Wunder bunten Nelcken/ Als dermahleinst dein Fleisch wird auffgekläret seyn. &q;Des HErren Athem wird in dein Gebeine blasen &q;Du wirst voll Safft und Krafft und Geistes aufferstehn. &q;Es mag die tolle Welt in ihren Sünden rasen &q;Sie muß wie Fleisch und Heu doch endlich untergehn. Als Fr. D. A. g. L. den 16. Junii 1680. in Lie- AEgypten mahlt uns für durch einen grossen Drachen/gnitz beerdiget wurde. Der in die tieffe Klufft sich einer Höle dringt/ Und den geschuppten Leib in grüne Zirkel schlingt/ Biß er sich selbst verzehrt durch seinen eignen Rachen/ Daß eben so die Zeit in ihrem Abgrund sey/ Und was sie heute baut offt morgen bricht entzwey. Es mahlt der Dichter Witz ihr Blitz-geschwinde Flügel/ Und waffnet ihre Hand mit einem leichten Pfeil. Der Adler schwingt sich nicht in so geschwinder Eil (Der doch der Lüffte Printz) hoch über Berg und Hügel. Kein Schiff das guter Wind mit vollen Segeln führt/ Hat bey dem Zwey-Gestirn so schnell den Port berührt. Was mehr/ so hat die Zeit geschwinde Tiger Füsse Jhr Sprung ereilet auch die mächtigste Gewalt; So ändert sie noch mehr als Proteus die Gestalt/ Und gegen ihrer Flucht sind langsam Strohm und Flüsse. Ein E e e e 2
Leichen-Gedichte. Drumb werther Seeliger haſtu ſehr wol geſchloſſen.Wie aber ſtell ich recht den groſſen Nutzen fuͤr? Bilantz und Raͤitung ſind nur lauter Kinder-Poſſen/ Was Welt und zeiclich iſt hat kein Gehore hier. Da unſer Heyland ſich in unſer Fleiſch verkleidet/ Da wuchs das Capital der Ewigkeit uns zu; Und als er an dem Creutz vor unſre Sunden leidet Da ſetzt er aus Gefahr uns in die ſichre Ruh. Es ſey das Fleiſch nun Heu: was iſt daran gelegen? Ob uns der Wuͤrge-Mann die Knochen gleich zerhaut/ Und wird uns durch das Grab wie durch ein Sieb ausfegen. Verſichert daß ſie ſind zu groͤſſerm Glantz vertraut. Ach laß erblaſter Freund das Heu/ dein Fleiſch/ verwelcken/ Du haſt hier wol gelebt und ſchlaͤfft mit Ehren ein/ So prangt dein Garten nicht mit Wunder bunten Nelcken/ Als dermahleinſt dein Fleiſch wird auffgeklaͤret ſeyn. &q;Des HErren Athem wird in dein Gebeine blaſen &q;Du wirſt voll Safft und Krafft und Geiſtes aufferſtehn. &q;Es mag die tolle Welt in ihren Suͤnden raſen &q;Sie muß wie Fleiſch und Heu doch endlich untergehn. Als Fr. D. A. g. L. den 16. Junii 1680. in Lie- AEgypten mahlt uns fuͤr durch einen groſſen Drachen/gnitz beerdiget wurde. Der in die tieffe Klufft ſich einer Hoͤle dringt/ Und den geſchuppten Leib in gruͤne Zirkel ſchlingt/ Biß er ſich ſelbſt verzehrt durch ſeinen eignen Rachen/ Daß eben ſo die Zeit in ihrem Abgrund ſey/ Und was ſie heute baut offt morgen bricht entzwey. Es mahlt der Dichter Witz ihr Blitz-geſchwinde Fluͤgel/ Und waffnet ihre Hand mit einem leichten Pfeil. Der Adler ſchwingt ſich nicht in ſo geſchwinder Eil (Der doch der Luͤffte Printz) hoch uͤber Berg und Huͤgel. Kein Schiff das guter Wind mit vollen Segeln fuͤhrt/ Hat bey dem Zwey-Geſtirn ſo ſchnell den Port beruͤhrt. Was mehr/ ſo hat die Zeit geſchwinde Tiger Fuͤſſe Jhr Sprung ereilet auch die maͤchtigſte Gewalt; So aͤndert ſie noch mehr als Proteus die Geſtalt/ Und gegen ihrer Flucht ſind langſam Strohm und Fluͤſſe. Ein E e e e 2
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Leichen-Gedichte.
Drumb werther Seeliger haſtu ſehr wol geſchloſſen.
Wie aber ſtell ich recht den groſſen Nutzen fuͤr?
Bilantz und Raͤitung ſind nur lauter Kinder-Poſſen/
Was Welt und zeiclich iſt hat kein Gehore hier.
Da unſer Heyland ſich in unſer Fleiſch verkleidet/
Da wuchs das Capital der Ewigkeit uns zu;
Und als er an dem Creutz vor unſre Sunden leidet
Da ſetzt er aus Gefahr uns in die ſichre Ruh.
Es ſey das Fleiſch nun Heu: was iſt daran gelegen?
Ob uns der Wuͤrge-Mann die Knochen gleich zerhaut/
Und wird uns durch das Grab wie durch ein Sieb ausfegen.
Verſichert daß ſie ſind zu groͤſſerm Glantz vertraut.
Ach laß erblaſter Freund das Heu/ dein Fleiſch/ verwelcken/
Du haſt hier wol gelebt und ſchlaͤfft mit Ehren ein/
So prangt dein Garten nicht mit Wunder bunten Nelcken/
Als dermahleinſt dein Fleiſch wird auffgeklaͤret ſeyn.
&q;Des HErren Athem wird in dein Gebeine blaſen
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&q;Es mag die tolle Welt in ihren Suͤnden raſen
&q;Sie muß wie Fleiſch und Heu doch endlich untergehn.
Als Fr. D. A. g. L. den 16. Junii 1680. in Lie-
gnitz beerdiget wurde.
AEgypten mahlt uns fuͤr durch einen groſſen Drachen/
Der in die tieffe Klufft ſich einer Hoͤle dringt/
Und den geſchuppten Leib in gruͤne Zirkel ſchlingt/
Biß er ſich ſelbſt verzehrt durch ſeinen eignen Rachen/
Daß eben ſo die Zeit in ihrem Abgrund ſey/
Und was ſie heute baut offt morgen bricht entzwey.
Es mahlt der Dichter Witz ihr Blitz-geſchwinde Fluͤgel/
Und waffnet ihre Hand mit einem leichten Pfeil.
Der Adler ſchwingt ſich nicht in ſo geſchwinder Eil
(Der doch der Luͤffte Printz) hoch uͤber Berg und Huͤgel.
Kein Schiff das guter Wind mit vollen Segeln fuͤhrt/
Hat bey dem Zwey-Geſtirn ſo ſchnell den Port beruͤhrt.
Was mehr/ ſo hat die Zeit geſchwinde Tiger Fuͤſſe
Jhr Sprung ereilet auch die maͤchtigſte Gewalt;
So aͤndert ſie noch mehr als Proteus die Geſtalt/
Und gegen ihrer Flucht ſind langſam Strohm und Fluͤſſe.
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