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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Vermischte Gedichte.
Denn als ein Bienenstich die Leßbia beflecket/
Und sie umb Hülf und Rath die Weisen ausgefragt/
Ward ihr der Männer Mund zur Artzney vorgeschrieben.
Dann wann der Zungen Wurm im küssen so vermischt/
Hat er die Seelen selbst auf diesen Platz getrieben/
Wo auf dem Lust-Corall der Liebe Nectar jischt.
Hier machet offt der Wurm ein Wetter der Begierden/
Wenn er von Lieb entbrant die Zucker-Rosen bricht.
Nachdem er sich ergetzt in des Gesichtes Zierden/
So übt er seine Macht/ haucht/ züngelt/ beist und sticht/
Daß die Empfindlichkeit durchdringend muß empfinden/
Wie aller Regungen Urheber ist ein Wurm;
Wie er den ersten Grund der Adern kan ergründen/
Fährt tieffer als ein Thal und höher als ein Thurm.
Deß Lebens in Begrif/ das Hertze bleibt nicht sicher/
Da hält der Liebes-Wurm die schönste Rennebahn;
Wenn er da einquatirt/ durchfrist er keine Bücher/
Denckt wie er weiter nur sich immer wühlen kan.
Die 11. Lunge hebt er auf/ daß nicht die Krafft gebreche/
Wenn er die 12. Leber schon hat in den Brand gesteckt/
Daß seinen Vorsatz nicht des Miltzes Unruh schwäche/
Hat in die 13. Nieren sich er ausgedöhnt gestreckt.
Wenn dann die Glieder in dem Leibe so zerrittet
Das Eingeweide von dem Wühlen wird durchbohrt.
Wird bey des 14. Nabels Schluß der Wurm erst ausgeschüttet/
Da er sich wesendlich weist am benimmten Ort.
Herr Bräutigam/ ihn muß diß Wesen nicht erschrecken/
Daß man den Liebes-Wurm so starck bey Menschen spürt;
Wir wollen ihm dabey die Heimlichkeit entdecken/
Daß auch der Liebes-Wurm das Frauenzimmer schürt.
Mund/ Auge/ Naß und Ohr sind eben mit besämet;
Doch wohnt er sonderlich auf ihrer Lilgen-Brust/
Wenn offt das Mädgen sich zum aller höchsten schämet/
So denckt es/ Wurm/ ach Wurm! mein schaffe mir doch Lust.
Noch mehr; der 15. Bauch-Wurm ist bey ihnen gantz gemeine/
Sein Kützeln achten sie oft für ihr höchstes Gut.
Richt Schätze/ Perl' und Geld/ des Morgenlandes Steine
Ergetzen/ wie der Wurm/ das Zunder-reiche Blut.
Sein Wesen wissen sie nach Kunst gar hoch zu heben;
Ja daß kein Wetter nicht von aussen ihn bestreicht/
So
Vermiſchte Gedichte.
Denn als ein Bienenſtich die Leßbia beflecket/
Und ſie umb Huͤlf und Rath die Weiſen ausgefragt/
Ward ihr der Maͤnner Mund zur Artzney vorgeſchrieben.
Dann wann der Zungen Wurm im kuͤſſen ſo vermiſcht/
Hat er die Seelen ſelbſt auf dieſen Platz getrieben/
Wo auf dem Luſt-Corall der Liebe Nectar jiſcht.
Hier machet offt der Wurm ein Wetter der Begierden/
Wenn er von Lieb entbrant die Zucker-Roſen bricht.
Nachdem er ſich ergetzt in des Geſichtes Zierden/
So uͤbt er ſeine Macht/ haucht/ zuͤngelt/ beiſt und ſticht/
Daß die Empfindlichkeit durchdringend muß empfinden/
Wie aller Regungen Urheber iſt ein Wurm;
Wie er den erſten Grund der Adern kan ergruͤnden/
Faͤhrt tieffer als ein Thal und hoͤher als ein Thurm.
Deß Lebens in Begrif/ das Hertze bleibt nicht ſicher/
Da haͤlt der Liebes-Wurm die ſchoͤnſte Rennebahn;
Wenn er da einquatirt/ durchfriſt er keine Buͤcher/
Denckt wie er weiter nur ſich immer wuͤhlen kan.
Die 11. Lunge hebt er auf/ daß nicht die Krafft gebreche/
Wenn er die 12. Leber ſchon hat in den Brand geſteckt/
Daß ſeinen Vorſatz nicht des Miltzes Unruh ſchwaͤche/
Hat in die 13. Nieren ſich er ausgedoͤhnt geſtreckt.
Wenn dann die Glieder in dem Leibe ſo zerrittet
Das Eingeweide von dem Wuͤhlen wird durchbohrt.
Wird bey des 14. Nabels Schluß der Wurm erſt ausgeſchuͤttet/
Da er ſich weſendlich weiſt am benimmten Ort.
Herr Braͤutigam/ ihn muß diß Weſen nicht erſchrecken/
Daß man den Liebes-Wurm ſo ſtarck bey Menſchen ſpuͤrt;
Wir wollen ihm dabey die Heimlichkeit entdecken/
Daß auch der Liebes-Wurm das Frauenzimmer ſchuͤrt.
Mund/ Auge/ Naß und Ohr ſind eben mit beſaͤmet;
Doch wohnt er ſonderlich auf ihrer Lilgen-Bruſt/
Wenn offt das Maͤdgen ſich zum aller hoͤchſten ſchaͤmet/
So denckt es/ Wurm/ ach Wurm! mein ſchaffe mir doch Luſt.
Noch mehr; der 15. Bauch-Wurm iſt bey ihnen gantz gemeine/
Sein Kuͤtzeln achten ſie oft fuͤr ihr hoͤchſtes Gut.
Richt Schaͤtze/ Perl’ und Geld/ des Morgenlandes Steine
Ergetzen/ wie der Wurm/ das Zunder-reiche Blut.
Sein Weſen wiſſen ſie nach Kunſt gar hoch zu heben;
Ja daß kein Wetter nicht von auſſen ihn beſtreicht/
So
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[26/0722] Vermiſchte Gedichte. Denn als ein Bienenſtich die Leßbia beflecket/ Und ſie umb Huͤlf und Rath die Weiſen ausgefragt/ Ward ihr der Maͤnner Mund zur Artzney vorgeſchrieben. Dann wann der Zungen Wurm im kuͤſſen ſo vermiſcht/ Hat er die Seelen ſelbſt auf dieſen Platz getrieben/ Wo auf dem Luſt-Corall der Liebe Nectar jiſcht. Hier machet offt der Wurm ein Wetter der Begierden/ Wenn er von Lieb entbrant die Zucker-Roſen bricht. Nachdem er ſich ergetzt in des Geſichtes Zierden/ So uͤbt er ſeine Macht/ haucht/ zuͤngelt/ beiſt und ſticht/ Daß die Empfindlichkeit durchdringend muß empfinden/ Wie aller Regungen Urheber iſt ein Wurm; Wie er den erſten Grund der Adern kan ergruͤnden/ Faͤhrt tieffer als ein Thal und hoͤher als ein Thurm. Deß Lebens in Begrif/ das Hertze bleibt nicht ſicher/ Da haͤlt der Liebes-Wurm die ſchoͤnſte Rennebahn; Wenn er da einquatirt/ durchfriſt er keine Buͤcher/ Denckt wie er weiter nur ſich immer wuͤhlen kan. Die 11. Lunge hebt er auf/ daß nicht die Krafft gebreche/ Wenn er die 12. Leber ſchon hat in den Brand geſteckt/ Daß ſeinen Vorſatz nicht des Miltzes Unruh ſchwaͤche/ Hat in die 13. Nieren ſich er ausgedoͤhnt geſtreckt. Wenn dann die Glieder in dem Leibe ſo zerrittet Das Eingeweide von dem Wuͤhlen wird durchbohrt. Wird bey des 14. Nabels Schluß der Wurm erſt ausgeſchuͤttet/ Da er ſich weſendlich weiſt am benimmten Ort. Herr Braͤutigam/ ihn muß diß Weſen nicht erſchrecken/ Daß man den Liebes-Wurm ſo ſtarck bey Menſchen ſpuͤrt; Wir wollen ihm dabey die Heimlichkeit entdecken/ Daß auch der Liebes-Wurm das Frauenzimmer ſchuͤrt. Mund/ Auge/ Naß und Ohr ſind eben mit beſaͤmet; Doch wohnt er ſonderlich auf ihrer Lilgen-Bruſt/ Wenn offt das Maͤdgen ſich zum aller hoͤchſten ſchaͤmet/ So denckt es/ Wurm/ ach Wurm! mein ſchaffe mir doch Luſt. Noch mehr; der 15. Bauch-Wurm iſt bey ihnen gantz gemeine/ Sein Kuͤtzeln achten ſie oft fuͤr ihr hoͤchſtes Gut. Richt Schaͤtze/ Perl’ und Geld/ des Morgenlandes Steine Ergetzen/ wie der Wurm/ das Zunder-reiche Blut. Sein Weſen wiſſen ſie nach Kunſt gar hoch zu heben; Ja daß kein Wetter nicht von auſſen ihn beſtreicht/ So

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/722>, abgerufen am 22.11.2024.