Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.Geistliche Gedichte und Lieder. Von deinem Auffsehn hat mein Athem seine Ruh.Wie stellst denn du dich jetzt als wollstu mich verdammen? Und obschon alles diß dein Vater-Hertz verdeckt/ Doch weiß ich/ daß es dich/ mein zu gedencken/ weckt. Denn wenn ich sündige/ so kanst du es bald mercken/ Und meine Missethat bleibt niemahls ohne Pein. Es muß mir Angst und Weh bey meinen Lastern seyn. Und bin ich gleich gerecht in Worten und in Wercken/ So darff ich doch mein Haupt nicht richten auff empor/ Weil ich voll Elend bin/ und mein Schmertz gehet vor. Du aber richt'st dich auff/ wie auffgeweckte Löwen/ Der ein ohnmächtig Lamm in seinen Rachen schlingt. Wie grausam handelst du? Wie hast du mich umbringt; Und hörest noch nicht auff mich ernstlich zu bedräuen! Du stellest Zeugen vor/ die wissen gar zu viel; Dein Zorn der häuffet sich. Jch bin der Menschen Spiel. Es plaget eines nach dem andern mich mit Hauffen. Ach warumb must ich doch aus Mutterleibe gehn! Ach warumb blieb ich nicht in der Geburts-Statt stehn; Ob ich im Schlamme gleich und Unflat müst ersauffen? O daß kein Auge mich auf dieser Welt gesehn! So wäre mir ja wohl und mehr als wohl geschehn. Jch wär' alßdenn gewest als die so nie gewesen; Von Mutterleibe bald zur Grabes Stätt gebracht/ Wird denn kein Ende nicht der schweren Zeit gemacht? Muß ich noch vor dem Tod in Traurigkeit verwesen? Läst denn der grimme Schmertz ein wenig nicht von mir? Daß ich ein wenig nur erquicket würde hier; Eh denn ich gar vergeh und komme nicht mehr wieder. Aus Barthii Soliloquiis. WAs ich nur hoffen kan/ was ich nur kan begehren/ Mein JEsu/ Sieges-Fürst/ das überbring ich dir. Jch wil die Seele selbst zum Unterpfand gewähren/ Mein Leben das ist dein/ und ich bin ausser mir. Ach der du diesen Tag von Todten aufferstanden/ Zeuch mich mit deinem Arm aus meiner Sünden Nacht. Ach würcke doch in mir/ ich bin/ mein GOtt/ vorhanden; Und bitt/ es werd' aus mir ein ander Mensch gemacht. Der
Geiſtliche Gedichte und Lieder. Von deinem Auffſehn hat mein Athem ſeine Ruh.Wie ſtellſt denn du dich jetzt als wollſtu mich verdammen? Und obſchon alles diß dein Vater-Hertz verdeckt/ Doch weiß ich/ daß es dich/ mein zu gedencken/ weckt. Denn wenn ich ſuͤndige/ ſo kanſt du es bald mercken/ Und meine Miſſethat bleibt niemahls ohne Pein. Es muß mir Angſt und Weh bey meinen Laſtern ſeyn. Und bin ich gleich gerecht in Worten und in Wercken/ So darff ich doch mein Haupt nicht richten auff empor/ Weil ich voll Elend bin/ und mein Schmertz gehet vor. Du aber richt’ſt dich auff/ wie auffgeweckte Loͤwen/ Der ein ohnmaͤchtig Lamm in ſeinen Rachen ſchlingt. Wie grauſam handelſt du? Wie haſt du mich umbringt; Und hoͤreſt noch nicht auff mich ernſtlich zu bedraͤuen! Du ſtelleſt Zeugen vor/ die wiſſen gar zu viel; Dein Zorn der haͤuffet ſich. Jch bin der Menſchen Spiel. Es plaget eines nach dem andern mich mit Hauffen. Ach warumb muſt ich doch aus Mutterleibe gehn! Ach warumb blieb ich nicht in der Geburts-Statt ſtehn; Ob ich im Schlamme gleich und Unflat muͤſt erſauffen? O daß kein Auge mich auf dieſer Welt geſehn! So waͤre mir ja wohl und mehr als wohl geſchehn. Jch waͤr’ alßdenn geweſt als die ſo nie geweſen; Von Mutterleibe bald zur Grabes Staͤtt gebracht/ Wird denn kein Ende nicht der ſchweren Zeit gemacht? Muß ich noch vor dem Tod in Traurigkeit verweſen? Laͤſt denn der grimme Schmertz ein wenig nicht von mir? Daß ich ein wenig nur erquicket wuͤrde hier; Eh denn ich gar vergeh und komme nicht mehr wieder. Aus Barthii Soliloquiis. WAs ich nur hoffen kan/ was ich nur kan begehren/ Mein JEſu/ Sieges-Fuͤrſt/ das uͤberbring ich dir. Jch wil die Seele ſelbſt zum Unterpfand gewaͤhren/ Mein Leben das iſt dein/ und ich bin auſſer mir. Ach der du dieſen Tag von Todten aufferſtanden/ Zeuch mich mit deinem Arm aus meiner Suͤnden Nacht. Ach wuͤrcke doch in mir/ ich bin/ mein GOtt/ vorhanden; Und bitt/ es werd’ aus mir ein ander Menſch gemacht. Der
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Geiſtliche Gedichte und Lieder.
Von deinem Auffſehn hat mein Athem ſeine Ruh.
Wie ſtellſt denn du dich jetzt als wollſtu mich verdammen?
Und obſchon alles diß dein Vater-Hertz verdeckt/
Doch weiß ich/ daß es dich/ mein zu gedencken/ weckt.
Denn wenn ich ſuͤndige/ ſo kanſt du es bald mercken/
Und meine Miſſethat bleibt niemahls ohne Pein.
Es muß mir Angſt und Weh bey meinen Laſtern ſeyn.
Und bin ich gleich gerecht in Worten und in Wercken/
So darff ich doch mein Haupt nicht richten auff empor/
Weil ich voll Elend bin/ und mein Schmertz gehet vor.
Du aber richt’ſt dich auff/ wie auffgeweckte Loͤwen/
Der ein ohnmaͤchtig Lamm in ſeinen Rachen ſchlingt.
Wie grauſam handelſt du? Wie haſt du mich umbringt;
Und hoͤreſt noch nicht auff mich ernſtlich zu bedraͤuen!
Du ſtelleſt Zeugen vor/ die wiſſen gar zu viel;
Dein Zorn der haͤuffet ſich. Jch bin der Menſchen Spiel.
Es plaget eines nach dem andern mich mit Hauffen.
Ach warumb muſt ich doch aus Mutterleibe gehn!
Ach warumb blieb ich nicht in der Geburts-Statt ſtehn;
Ob ich im Schlamme gleich und Unflat muͤſt erſauffen?
O daß kein Auge mich auf dieſer Welt geſehn!
So waͤre mir ja wohl und mehr als wohl geſchehn.
Jch waͤr’ alßdenn geweſt als die ſo nie geweſen;
Von Mutterleibe bald zur Grabes Staͤtt gebracht/
Wird denn kein Ende nicht der ſchweren Zeit gemacht?
Muß ich noch vor dem Tod in Traurigkeit verweſen?
Laͤſt denn der grimme Schmertz ein wenig nicht von mir?
Daß ich ein wenig nur erquicket wuͤrde hier;
Eh denn ich gar vergeh und komme nicht mehr wieder.
Aus Barthii Soliloquiis.
WAs ich nur hoffen kan/ was ich nur kan begehren/
Mein JEſu/ Sieges-Fuͤrſt/ das uͤberbring ich dir.
Jch wil die Seele ſelbſt zum Unterpfand gewaͤhren/
Mein Leben das iſt dein/ und ich bin auſſer mir.
Ach der du dieſen Tag von Todten aufferſtanden/
Zeuch mich mit deinem Arm aus meiner Suͤnden Nacht.
Ach wuͤrcke doch in mir/ ich bin/ mein GOtt/ vorhanden;
Und bitt/ es werd’ aus mir ein ander Menſch gemacht.
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