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Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686.

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Hochzeit-Gedichte.
Der schöne Zwillings-Stern verwechselt Kuß umb Kuß/
Und das verbuhlte Volck der freyerischen Westen/
Mischt seinen Anmuhts-Hauch mit den begrünten Aesten/
Daß Zweig bey Zweige steht/ und schöner blühen muß.
Die Bäume kleiden sich in weissen Atlaß an/
Trotz Lilgen/ trotz Narciß' und schönsten Tulipan.
Deß Himmels keusche Braut/ die Erd' ist schwanger grün/
Und hat sich zur Geburt nun allbereit geschicket/
Es steht ihr Königreich viel herrlicher geschmücket/
Als diese/ die nur Gold und lichte Stein umbziehn.
Was die Natur erbaut/ das pocht der Künstler Fleiß/
Die reine Liebligkeit erwirbt den grösten Preiß.
Der Bäche Lißpelthon durch fleust den scharffen Sand/
Das stamrende Geräusch der Sausel schlancken Wellen
Kan Seele/ Hertz und Sinn/ mit seiner Lust erhellen/
Wenn uns ein süsser Schlaff streckt an den grünen Rand/
Der Vogel Sängerey wiegt Ohr' und Angen ein
Und fällt bald hoch/ bald tieff/ bald süß und wunder-rein.
Was lebt/ fühlt neue Lust in dieser Frühlings-Zeit/
Diesüsse regungs-Glut bespringet alle Glieder/
Der Zunder heisser Brunst erweiset hin und wieder/
Daß sich die kleine Welt/ der kluge Mensch erfreut.
Sein Geister-volles-Blut wird hefftiger erhitzt/
Und zeuget daß ein Feur in seiner Leber sitzt.
Ein unverweßlich Feur das ware Gunst ansteckt/
Und das ein keuscher Brand mit reinen Flammen zieret/
Das offt in höchster Angst den besten Trost gebühret/
Und in der letzten Noht gewisse Hülff erweckt.
Die Funcken bläst kein Wind der frechen Geilheit auff/
Sie steigen Himmel ab und nehmen ihren Lauff.
Es ist nicht nur genung ein freundliches Gesicht'/
Aus welchem Venus lacht/ und der Cupido spielet/
Wenn ein verliebter Blick das tolle reitzen fühlet/
Und wenn der Liebes-Dorn das Lüsten-Hertz durchsticht.
Ob schon der Augenklar in tieffer Wollust schwimmt/
Und das entdeckte Feur auff beyden Wangen glimmt.
Viel kräncken sich also und werden selbst gekränckt/
Mit seufftzender Begier/ und hoffendem Verlangen/
Eh sie den schnöden Lohn bethörter Brunst empfangen/
Der doch mit lauter Weh und herber Angst verschränckt.
Die
A a 4
Hochzeit-Gedichte.
Der ſchoͤne Zwillings-Stern verwechſelt Kuß umb Kuß/
Und das verbuhlte Volck der freyeriſchen Weſten/
Miſcht ſeinen Anmuhts-Hauch mit den begruͤnten Aeſten/
Daß Zweig bey Zweige ſteht/ und ſchoͤner bluͤhen muß.
Die Baͤume kleiden ſich in weiſſen Atlaß an/
Trotz Lilgen/ trotz Narciß’ und ſchoͤnſten Tulipan.
Deß Himmels keuſche Braut/ die Erd’ iſt ſchwanger gruͤn/
Und hat ſich zur Geburt nun allbereit geſchicket/
Es ſteht ihr Koͤnigreich viel herrlicher geſchmuͤcket/
Als dieſe/ die nur Gold und lichte Stein umbziehn.
Was die Natur erbaut/ das pocht der Kuͤnſtler Fleiß/
Die reine Liebligkeit erwirbt den groͤſten Preiß.
Der Baͤche Lißpelthon durch fleuſt den ſcharffen Sand/
Das ſtamrende Geraͤuſch der Sauſel ſchlancken Wellen
Kan Seele/ Hertz und Sinn/ mit ſeiner Luſt erhellen/
Wenn uns ein ſuͤſſer Schlaff ſtreckt an den gruͤnen Rand/
Der Vogel Saͤngerey wiegt Ohr’ und Angen ein
Und faͤllt bald hoch/ bald tieff/ bald ſuͤß und wunder-rein.
Was lebt/ fuͤhlt neue Luſt in dieſer Fruͤhlings-Zeit/
Dieſuͤſſe regungs-Glut beſpringet alle Glieder/
Der Zunder heiſſer Brunſt erweiſet hin und wieder/
Daß ſich die kleine Welt/ der kluge Menſch erfreut.
Sein Geiſter-volles-Blut wird hefftiger erhitzt/
Und zeuget daß ein Feur in ſeiner Leber ſitzt.
Ein unverweßlich Feur das ware Gunſt anſteckt/
Und das ein keuſcher Brand mit reinen Flammen zieret/
Das offt in hoͤchſter Angſt den beſten Troſt gebuͤhret/
Und in der letzten Noht gewiſſe Huͤlff erweckt.
Die Funcken blaͤſt kein Wind der frechen Geilheit auff/
Sie ſteigen Himmel ab und nehmen ihren Lauff.
Es iſt nicht nur genung ein freundliches Geſicht’/
Aus welchem Venus lacht/ und der Cupido ſpielet/
Wenn ein verliebter Blick das tolle reitzen fuͤhlet/
Und wenn der Liebes-Dorn das Luͤſten-Hertz durchſticht.
Ob ſchon der Augenklar in tieffer Wolluſt ſchwimmt/
Und das entdeckte Feur auff beyden Wangen glimmt.
Viel kraͤncken ſich alſo und werden ſelbſt gekraͤnckt/
Mit ſeufftzender Begier/ und hoffendem Verlangen/
Eh ſie den ſchnoͤden Lohn bethoͤrter Brunſt empfangen/
Der doch mit lauter Weh und herber Angſt verſchraͤnckt.
Die
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[7/0081] Hochzeit-Gedichte. Der ſchoͤne Zwillings-Stern verwechſelt Kuß umb Kuß/ Und das verbuhlte Volck der freyeriſchen Weſten/ Miſcht ſeinen Anmuhts-Hauch mit den begruͤnten Aeſten/ Daß Zweig bey Zweige ſteht/ und ſchoͤner bluͤhen muß. Die Baͤume kleiden ſich in weiſſen Atlaß an/ Trotz Lilgen/ trotz Narciß’ und ſchoͤnſten Tulipan. Deß Himmels keuſche Braut/ die Erd’ iſt ſchwanger gruͤn/ Und hat ſich zur Geburt nun allbereit geſchicket/ Es ſteht ihr Koͤnigreich viel herrlicher geſchmuͤcket/ Als dieſe/ die nur Gold und lichte Stein umbziehn. Was die Natur erbaut/ das pocht der Kuͤnſtler Fleiß/ Die reine Liebligkeit erwirbt den groͤſten Preiß. Der Baͤche Lißpelthon durch fleuſt den ſcharffen Sand/ Das ſtamrende Geraͤuſch der Sauſel ſchlancken Wellen Kan Seele/ Hertz und Sinn/ mit ſeiner Luſt erhellen/ Wenn uns ein ſuͤſſer Schlaff ſtreckt an den gruͤnen Rand/ Der Vogel Saͤngerey wiegt Ohr’ und Angen ein Und faͤllt bald hoch/ bald tieff/ bald ſuͤß und wunder-rein. Was lebt/ fuͤhlt neue Luſt in dieſer Fruͤhlings-Zeit/ Dieſuͤſſe regungs-Glut beſpringet alle Glieder/ Der Zunder heiſſer Brunſt erweiſet hin und wieder/ Daß ſich die kleine Welt/ der kluge Menſch erfreut. Sein Geiſter-volles-Blut wird hefftiger erhitzt/ Und zeuget daß ein Feur in ſeiner Leber ſitzt. Ein unverweßlich Feur das ware Gunſt anſteckt/ Und das ein keuſcher Brand mit reinen Flammen zieret/ Das offt in hoͤchſter Angſt den beſten Troſt gebuͤhret/ Und in der letzten Noht gewiſſe Huͤlff erweckt. Die Funcken blaͤſt kein Wind der frechen Geilheit auff/ Sie ſteigen Himmel ab und nehmen ihren Lauff. Es iſt nicht nur genung ein freundliches Geſicht’/ Aus welchem Venus lacht/ und der Cupido ſpielet/ Wenn ein verliebter Blick das tolle reitzen fuͤhlet/ Und wenn der Liebes-Dorn das Luͤſten-Hertz durchſticht. Ob ſchon der Augenklar in tieffer Wolluſt ſchwimmt/ Und das entdeckte Feur auff beyden Wangen glimmt. Viel kraͤncken ſich alſo und werden ſelbſt gekraͤnckt/ Mit ſeufftzender Begier/ und hoffendem Verlangen/ Eh ſie den ſchnoͤden Lohn bethoͤrter Brunſt empfangen/ Der doch mit lauter Weh und herber Angſt verſchraͤnckt. Die A a 4

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Zitationshilfe: Mühlpfort, Heinrich: Teutsche Gedichte. Bd. 1. Breslau u. a., 1686, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muehlpfort_gedichte01_1686/81>, abgerufen am 21.11.2024.