Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

suchen, und Vor allen Dingen, Sie müssen essen und trinken. Nicht wahr, Sie haben heute wieder nicht an den Mittag gedacht?

Ist es schon so spät? frug Arthur, um doch auch ein Wort von sich hören zu lassen. Denn er hätte eben so gut fragen können: Ist es noch so früh?

Freilich, freilich, Herr Doctor, antwortete der Professor. Es ist vier Uhr, aber ich bin heute auch länger als gewöhnlich in meinem Studium aufgehalten worden von einer enthusiastischen Kunstfreundin, und Sie sollen bei mir noch eine warme Schüssel finden.

Ich danke Ihnen, lieber Freund, entgegnete Arthur. Sie wissen ja, was für einen schlechten Gast ich jetzt abgebe.

Wir essen ganz allein, fuhr der Professor dringend fort, wir bleiben unter vier Augen, und da müssen Sie sich mir entdecken, ich lasse Sie nicht los.

Entdecken? sprach der Andre mit einem schmerzlich bittern Lächeln. Was soll ich Ihnen denn entdecken? Weiß ich mir doch selbst keine Rechenschaft zu geben von dem, was mich quält und entzückt, und glauben Sie mir, ich wäre gerettet, wenn ich es meinem eigenen Bewußtsein entdecken könnte, was ich habe oder was mir fehle.

Mittlerweile warf der Professor einen Blick auf das Bild, welches Arthur in der Ueberraschung zu verstecken vergessen hatte. Ei, ei, Herr Doctor! rief

suchen, und Vor allen Dingen, Sie müssen essen und trinken. Nicht wahr, Sie haben heute wieder nicht an den Mittag gedacht?

Ist es schon so spät? frug Arthur, um doch auch ein Wort von sich hören zu lassen. Denn er hätte eben so gut fragen können: Ist es noch so früh?

Freilich, freilich, Herr Doctor, antwortete der Professor. Es ist vier Uhr, aber ich bin heute auch länger als gewöhnlich in meinem Studium aufgehalten worden von einer enthusiastischen Kunstfreundin, und Sie sollen bei mir noch eine warme Schüssel finden.

Ich danke Ihnen, lieber Freund, entgegnete Arthur. Sie wissen ja, was für einen schlechten Gast ich jetzt abgebe.

Wir essen ganz allein, fuhr der Professor dringend fort, wir bleiben unter vier Augen, und da müssen Sie sich mir entdecken, ich lasse Sie nicht los.

Entdecken? sprach der Andre mit einem schmerzlich bittern Lächeln. Was soll ich Ihnen denn entdecken? Weiß ich mir doch selbst keine Rechenschaft zu geben von dem, was mich quält und entzückt, und glauben Sie mir, ich wäre gerettet, wenn ich es meinem eigenen Bewußtsein entdecken könnte, was ich habe oder was mir fehle.

Mittlerweile warf der Professor einen Blick auf das Bild, welches Arthur in der Ueberraschung zu verstecken vergessen hatte. Ei, ei, Herr Doctor! rief

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="15">
        <p><pb facs="#f0122"/>
suchen, und Vor allen Dingen, Sie müssen essen und trinken. Nicht wahr, Sie haben                heute wieder nicht an den Mittag gedacht?</p><lb/>
        <p>Ist es schon so spät? frug Arthur, um doch auch ein Wort von sich hören zu lassen.                Denn er hätte eben so gut fragen können: Ist es noch so früh?</p><lb/>
        <p>Freilich, freilich, Herr Doctor, antwortete der Professor. Es ist vier Uhr, aber ich                bin heute auch länger als gewöhnlich in meinem Studium aufgehalten worden von einer                enthusiastischen Kunstfreundin, und Sie sollen bei mir noch eine warme Schüssel                finden.</p><lb/>
        <p>Ich danke Ihnen, lieber Freund, entgegnete Arthur. Sie wissen ja, was für einen                schlechten Gast ich jetzt abgebe.</p><lb/>
        <p>Wir essen ganz allein, fuhr der Professor dringend fort, wir bleiben unter vier                Augen, und da müssen Sie sich mir entdecken, ich lasse Sie nicht los.</p><lb/>
        <p>Entdecken? sprach der Andre mit einem schmerzlich bittern Lächeln. Was soll ich Ihnen                denn entdecken? Weiß ich mir doch selbst keine Rechenschaft zu geben von dem, was                mich quält und entzückt, und glauben Sie mir, ich wäre gerettet, wenn ich es meinem                eigenen Bewußtsein entdecken könnte, was ich habe oder was mir fehle.</p><lb/>
        <p>Mittlerweile warf der Professor einen Blick auf das Bild, welches Arthur in der                Ueberraschung zu verstecken vergessen hatte. Ei, ei, Herr Doctor! rief<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0122] suchen, und Vor allen Dingen, Sie müssen essen und trinken. Nicht wahr, Sie haben heute wieder nicht an den Mittag gedacht? Ist es schon so spät? frug Arthur, um doch auch ein Wort von sich hören zu lassen. Denn er hätte eben so gut fragen können: Ist es noch so früh? Freilich, freilich, Herr Doctor, antwortete der Professor. Es ist vier Uhr, aber ich bin heute auch länger als gewöhnlich in meinem Studium aufgehalten worden von einer enthusiastischen Kunstfreundin, und Sie sollen bei mir noch eine warme Schüssel finden. Ich danke Ihnen, lieber Freund, entgegnete Arthur. Sie wissen ja, was für einen schlechten Gast ich jetzt abgebe. Wir essen ganz allein, fuhr der Professor dringend fort, wir bleiben unter vier Augen, und da müssen Sie sich mir entdecken, ich lasse Sie nicht los. Entdecken? sprach der Andre mit einem schmerzlich bittern Lächeln. Was soll ich Ihnen denn entdecken? Weiß ich mir doch selbst keine Rechenschaft zu geben von dem, was mich quält und entzückt, und glauben Sie mir, ich wäre gerettet, wenn ich es meinem eigenen Bewußtsein entdecken könnte, was ich habe oder was mir fehle. Mittlerweile warf der Professor einen Blick auf das Bild, welches Arthur in der Ueberraschung zu verstecken vergessen hatte. Ei, ei, Herr Doctor! rief

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/122
Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/122>, abgerufen am 25.11.2024.