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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mein Haupt mit unsichtbaren Zauberfäden umschlingt und mich an diesen Zügeln in die chaotische Wüste der blinden Zufälle und Ahnungen hinauslenkt, die mich doch alle mit offenen und bedeutungsvollen Augen anblicken und mir verheißen, die Räthsel meines Lebens zu lösen?

Keine Monologe, Herr Doctor, unterbrach ihn Signor Bernardino, und um die Sache so kurz als möglich in das Klare zu bringen, so lassen Sie uns auf der Stelle einen Vertrag schließen. Erstens gehn Sie mit mir zu Tische, zweitens erzählen Sie mir so viel, als sich erzählen läßt, von Ihren, wie soll ich es nennen? -- Verhältnissen oder Beziehungen zu dem Bilde da, drittens, wie die Sache auch stehe oder noch zu stehen komme, versprechen Sie mir keine nächtlichen Expeditionen und Bekehrungsversuche im Ghetto zu unternehmen, und dafür verpflichte ich mich, Sie sollen die schöne Debora sehen, mit eigenen Augen, wie sie leibt und lebt, und wenn Sie Ihren Augen nicht trauen wollen, so mögen Sie es ohne meine Hülfe versuchen, sich als ungläubiger Thomas durch Berührung von dem Fleische und Blute derselben zu überzeugen. Schlagen Sie ein, und wir machen heute noch einen Gang danach.

Arthur, welcher nicht mehr wußte, ob er träume oder wache, legte seine Hand unwillkürlich in die ihm entgegenkommende Rechte des Professors und folgte demselben, ohne zu bedenken, wohin und weßwegen.

mein Haupt mit unsichtbaren Zauberfäden umschlingt und mich an diesen Zügeln in die chaotische Wüste der blinden Zufälle und Ahnungen hinauslenkt, die mich doch alle mit offenen und bedeutungsvollen Augen anblicken und mir verheißen, die Räthsel meines Lebens zu lösen?

Keine Monologe, Herr Doctor, unterbrach ihn Signor Bernardino, und um die Sache so kurz als möglich in das Klare zu bringen, so lassen Sie uns auf der Stelle einen Vertrag schließen. Erstens gehn Sie mit mir zu Tische, zweitens erzählen Sie mir so viel, als sich erzählen läßt, von Ihren, wie soll ich es nennen? — Verhältnissen oder Beziehungen zu dem Bilde da, drittens, wie die Sache auch stehe oder noch zu stehen komme, versprechen Sie mir keine nächtlichen Expeditionen und Bekehrungsversuche im Ghetto zu unternehmen, und dafür verpflichte ich mich, Sie sollen die schöne Debora sehen, mit eigenen Augen, wie sie leibt und lebt, und wenn Sie Ihren Augen nicht trauen wollen, so mögen Sie es ohne meine Hülfe versuchen, sich als ungläubiger Thomas durch Berührung von dem Fleische und Blute derselben zu überzeugen. Schlagen Sie ein, und wir machen heute noch einen Gang danach.

Arthur, welcher nicht mehr wußte, ob er träume oder wache, legte seine Hand unwillkürlich in die ihm entgegenkommende Rechte des Professors und folgte demselben, ohne zu bedenken, wohin und weßwegen.

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[0125] mein Haupt mit unsichtbaren Zauberfäden umschlingt und mich an diesen Zügeln in die chaotische Wüste der blinden Zufälle und Ahnungen hinauslenkt, die mich doch alle mit offenen und bedeutungsvollen Augen anblicken und mir verheißen, die Räthsel meines Lebens zu lösen? Keine Monologe, Herr Doctor, unterbrach ihn Signor Bernardino, und um die Sache so kurz als möglich in das Klare zu bringen, so lassen Sie uns auf der Stelle einen Vertrag schließen. Erstens gehn Sie mit mir zu Tische, zweitens erzählen Sie mir so viel, als sich erzählen läßt, von Ihren, wie soll ich es nennen? — Verhältnissen oder Beziehungen zu dem Bilde da, drittens, wie die Sache auch stehe oder noch zu stehen komme, versprechen Sie mir keine nächtlichen Expeditionen und Bekehrungsversuche im Ghetto zu unternehmen, und dafür verpflichte ich mich, Sie sollen die schöne Debora sehen, mit eigenen Augen, wie sie leibt und lebt, und wenn Sie Ihren Augen nicht trauen wollen, so mögen Sie es ohne meine Hülfe versuchen, sich als ungläubiger Thomas durch Berührung von dem Fleische und Blute derselben zu überzeugen. Schlagen Sie ein, und wir machen heute noch einen Gang danach. Arthur, welcher nicht mehr wußte, ob er träume oder wache, legte seine Hand unwillkürlich in die ihm entgegenkommende Rechte des Professors und folgte demselben, ohne zu bedenken, wohin und weßwegen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/125>, abgerufen am 25.11.2024.