Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.den Charakter desselben die angemessenste schien. Auch hatte er gelernt, sich in die Launen und Grillen von der Themse, der Seine, der Newa und der Donau ohne Verwunderung und Widerspruch zu fügen, und darum hätte der Marquis weit und breit keinen geschicktern Gehülfen für seinen abenteuerlichen Tempelbau auftreiben können, als diesen Allerweltsdiener. Ohne eine andre Miene zu ziehen, als die zu einem Bücklinge und einem "Wie Sie befehlen" gehörige, ordnete er den alten heiligen Kram ebenso unbefangen, als ob er ein englisches Frühstück zu serviren hätte, und der Marquis war über Cecco's bescheidenen Gleichmuth so entzückt, daß er ihn nach der Vollendung des Werkes mit einer Freigebigkeit belohnte, die dieser unter keine der ihm bisher bekannt gewordenen Nationaltugenden zu bringen wußte. Das Carneval begann, ehe der Marquis, welcher, schwächlich und leicht erschöpft, wie er war, täglich nur einige Stunden an seinem Tempel arbeiten konnte, die innere Einrichtung desselben vollendet hatte. Unterdessen trieb sich Arthur, schon im voraus durch die Beschreibung des großen Dichters für die Maskenlust des Corso begeistert, von dem Augenblicke des capitolinischen Glockensignals bis zu dem Donner des letzten Mörsers in den dicksten und wildesten Haufen umher. Den ersten Tag saß er als ehrbare Charaktermaske in einem Wagen, den andern mischte er sich als Pulcinell unter die Fußgänger, und auch ohne Larve den Charakter desselben die angemessenste schien. Auch hatte er gelernt, sich in die Launen und Grillen von der Themse, der Seine, der Newa und der Donau ohne Verwunderung und Widerspruch zu fügen, und darum hätte der Marquis weit und breit keinen geschicktern Gehülfen für seinen abenteuerlichen Tempelbau auftreiben können, als diesen Allerweltsdiener. Ohne eine andre Miene zu ziehen, als die zu einem Bücklinge und einem „Wie Sie befehlen“ gehörige, ordnete er den alten heiligen Kram ebenso unbefangen, als ob er ein englisches Frühstück zu serviren hätte, und der Marquis war über Cecco's bescheidenen Gleichmuth so entzückt, daß er ihn nach der Vollendung des Werkes mit einer Freigebigkeit belohnte, die dieser unter keine der ihm bisher bekannt gewordenen Nationaltugenden zu bringen wußte. Das Carneval begann, ehe der Marquis, welcher, schwächlich und leicht erschöpft, wie er war, täglich nur einige Stunden an seinem Tempel arbeiten konnte, die innere Einrichtung desselben vollendet hatte. Unterdessen trieb sich Arthur, schon im voraus durch die Beschreibung des großen Dichters für die Maskenlust des Corso begeistert, von dem Augenblicke des capitolinischen Glockensignals bis zu dem Donner des letzten Mörsers in den dicksten und wildesten Haufen umher. Den ersten Tag saß er als ehrbare Charaktermaske in einem Wagen, den andern mischte er sich als Pulcinell unter die Fußgänger, und auch ohne Larve <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0075"/> den Charakter desselben die angemessenste schien. Auch hatte er gelernt, sich in die Launen und Grillen von der Themse, der Seine, der Newa und der Donau ohne Verwunderung und Widerspruch zu fügen, und darum hätte der Marquis weit und breit keinen geschicktern Gehülfen für seinen abenteuerlichen Tempelbau auftreiben können, als diesen Allerweltsdiener. Ohne eine andre Miene zu ziehen, als die zu einem Bücklinge und einem „Wie Sie befehlen“ gehörige, ordnete er den alten heiligen Kram ebenso unbefangen, als ob er ein englisches Frühstück zu serviren hätte, und der Marquis war über Cecco's bescheidenen Gleichmuth so entzückt, daß er ihn nach der Vollendung des Werkes mit einer Freigebigkeit belohnte, die dieser unter keine der ihm bisher bekannt gewordenen Nationaltugenden zu bringen wußte.</p><lb/> <p>Das Carneval begann, ehe der Marquis, welcher, schwächlich und leicht erschöpft, wie er war, täglich nur einige Stunden an seinem Tempel arbeiten konnte, die innere Einrichtung desselben vollendet hatte. Unterdessen trieb sich Arthur, schon im voraus durch die Beschreibung des großen Dichters für die Maskenlust des Corso begeistert, von dem Augenblicke des capitolinischen Glockensignals bis zu dem Donner des letzten Mörsers in den dicksten und wildesten Haufen umher. Den ersten Tag saß er als ehrbare Charaktermaske in einem Wagen, den andern mischte er sich als Pulcinell unter die Fußgänger, und auch ohne Larve<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
den Charakter desselben die angemessenste schien. Auch hatte er gelernt, sich in die Launen und Grillen von der Themse, der Seine, der Newa und der Donau ohne Verwunderung und Widerspruch zu fügen, und darum hätte der Marquis weit und breit keinen geschicktern Gehülfen für seinen abenteuerlichen Tempelbau auftreiben können, als diesen Allerweltsdiener. Ohne eine andre Miene zu ziehen, als die zu einem Bücklinge und einem „Wie Sie befehlen“ gehörige, ordnete er den alten heiligen Kram ebenso unbefangen, als ob er ein englisches Frühstück zu serviren hätte, und der Marquis war über Cecco's bescheidenen Gleichmuth so entzückt, daß er ihn nach der Vollendung des Werkes mit einer Freigebigkeit belohnte, die dieser unter keine der ihm bisher bekannt gewordenen Nationaltugenden zu bringen wußte.
Das Carneval begann, ehe der Marquis, welcher, schwächlich und leicht erschöpft, wie er war, täglich nur einige Stunden an seinem Tempel arbeiten konnte, die innere Einrichtung desselben vollendet hatte. Unterdessen trieb sich Arthur, schon im voraus durch die Beschreibung des großen Dichters für die Maskenlust des Corso begeistert, von dem Augenblicke des capitolinischen Glockensignals bis zu dem Donner des letzten Mörsers in den dicksten und wildesten Haufen umher. Den ersten Tag saß er als ehrbare Charaktermaske in einem Wagen, den andern mischte er sich als Pulcinell unter die Fußgänger, und auch ohne Larve
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/75 |
Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/75>, abgerufen am 16.07.2024. |