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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Wogen ihrer Locken schlugen von oben her über ihn zusammen. Ich habe sie gefunden! stammelte er und zog das Portrait aus dem Fenster hervor, es mit ungestümer Entzückung bald an seine Brust, bald gegen seine Lippen drückend. Jetzt nannte er es Lureley, dann wieder Minna, und seine verworrene Phantasie erzwang eine Aehnlichkeit desselben mit jenen Bildern seiner Erinnerungen und Träume. Das neue Gesicht erschien ihm als eine bis zu der höchsten Verklärung irdischer Schönheit gesteigerte Copie jener beiden, die in seinem Herzen schon in eines zusammengestoßen waren, oder er mußte sich vielmehr das Gemälde des Tempels als unerreichbares Original vorstellen, von welchem jene Bilder nur schwache und einseitige Copien wären. Er versenkte sich immer inniger und tiefer in den bezaubernden Anblick, und indem er alle Kräfte seines Geistes und Herzens aufbot, das todte Bild zu beleben, schauete seine eigene Sehnsucht ihm aus den großen Augen desselben entgegen.

Es dauerte lange, bis diese schwärmerische Verzückung sich in ihm erschöpfte und seine Sinne wieder so weit aus ihren Fesseln ließ, daß sie sich auch auf die übrigen Gegenstände ihrer abenteuerlichen Umgebung richten konnten. Arthur erkannte die ganze Einrichtung des Tempels nach der Beschreibung, welche der geschwätzige Diener des Marquis ihm in Berlin davon entworfen hatte. Nur der Kirschkern fehlte,

Wogen ihrer Locken schlugen von oben her über ihn zusammen. Ich habe sie gefunden! stammelte er und zog das Portrait aus dem Fenster hervor, es mit ungestümer Entzückung bald an seine Brust, bald gegen seine Lippen drückend. Jetzt nannte er es Lureley, dann wieder Minna, und seine verworrene Phantasie erzwang eine Aehnlichkeit desselben mit jenen Bildern seiner Erinnerungen und Träume. Das neue Gesicht erschien ihm als eine bis zu der höchsten Verklärung irdischer Schönheit gesteigerte Copie jener beiden, die in seinem Herzen schon in eines zusammengestoßen waren, oder er mußte sich vielmehr das Gemälde des Tempels als unerreichbares Original vorstellen, von welchem jene Bilder nur schwache und einseitige Copien wären. Er versenkte sich immer inniger und tiefer in den bezaubernden Anblick, und indem er alle Kräfte seines Geistes und Herzens aufbot, das todte Bild zu beleben, schauete seine eigene Sehnsucht ihm aus den großen Augen desselben entgegen.

Es dauerte lange, bis diese schwärmerische Verzückung sich in ihm erschöpfte und seine Sinne wieder so weit aus ihren Fesseln ließ, daß sie sich auch auf die übrigen Gegenstände ihrer abenteuerlichen Umgebung richten konnten. Arthur erkannte die ganze Einrichtung des Tempels nach der Beschreibung, welche der geschwätzige Diener des Marquis ihm in Berlin davon entworfen hatte. Nur der Kirschkern fehlte,

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Wogen ihrer Locken schlugen von oben her über ihn zusammen. Ich habe                sie gefunden! stammelte er und zog das Portrait aus dem Fenster hervor, es mit                ungestümer Entzückung bald an seine Brust, bald gegen seine Lippen drückend. Jetzt                nannte er es Lureley, dann wieder Minna, und seine verworrene Phantasie erzwang eine                Aehnlichkeit desselben mit jenen Bildern seiner Erinnerungen und Träume. Das neue                Gesicht erschien ihm als eine bis zu der höchsten Verklärung irdischer Schönheit                gesteigerte Copie jener beiden, die in seinem Herzen schon in eines zusammengestoßen                waren, oder er mußte sich vielmehr das Gemälde des Tempels als unerreichbares                Original vorstellen, von welchem jene Bilder nur schwache und einseitige Copien                wären. Er versenkte sich immer inniger und tiefer in den bezaubernden Anblick, und                indem er alle Kräfte seines Geistes und Herzens aufbot, das todte Bild zu beleben,                schauete seine eigene Sehnsucht ihm aus den großen Augen desselben entgegen.</p><lb/>
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[0099] Wogen ihrer Locken schlugen von oben her über ihn zusammen. Ich habe sie gefunden! stammelte er und zog das Portrait aus dem Fenster hervor, es mit ungestümer Entzückung bald an seine Brust, bald gegen seine Lippen drückend. Jetzt nannte er es Lureley, dann wieder Minna, und seine verworrene Phantasie erzwang eine Aehnlichkeit desselben mit jenen Bildern seiner Erinnerungen und Träume. Das neue Gesicht erschien ihm als eine bis zu der höchsten Verklärung irdischer Schönheit gesteigerte Copie jener beiden, die in seinem Herzen schon in eines zusammengestoßen waren, oder er mußte sich vielmehr das Gemälde des Tempels als unerreichbares Original vorstellen, von welchem jene Bilder nur schwache und einseitige Copien wären. Er versenkte sich immer inniger und tiefer in den bezaubernden Anblick, und indem er alle Kräfte seines Geistes und Herzens aufbot, das todte Bild zu beleben, schauete seine eigene Sehnsucht ihm aus den großen Augen desselben entgegen. Es dauerte lange, bis diese schwärmerische Verzückung sich in ihm erschöpfte und seine Sinne wieder so weit aus ihren Fesseln ließ, daß sie sich auch auf die übrigen Gegenstände ihrer abenteuerlichen Umgebung richten konnten. Arthur erkannte die ganze Einrichtung des Tempels nach der Beschreibung, welche der geschwätzige Diener des Marquis ihm in Berlin davon entworfen hatte. Nur der Kirschkern fehlte,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/99>, abgerufen am 21.11.2024.