Theorien der Staatswirthschaft wenden sich zur Abgötterey der Sachen, und zu sclavischer Unterwürfigkeit unter ihr vorgebliches Gesetz: man lasse, heißt es, den Menschen nur frey von allen persönlichen Schranken, man lasse die Sachen nur gewähren, nur walten über ihn, man lasse die Ballen der Waaren nur sich unter einander ins Geichgewicht setzen, und den Menchanismus der Gewerbe in sich selbst forttreiben, so wird der Mensch schon folgen müssen; andererseits werden dieselben Sachen wieder absolut privateigenthümlich der willkührlichen Disposition des Einzelnen überlassen, er erhält das Recht der Veräußerung alles Besitzes, ein Recht über Leben und Tod derselben Sachen, die ihn beherrschen sollen; kurz der Sclav wird wieder Tyrann seines Tyrannen, und der Tyrann Sclav seines Sclaven.
Es war eben die Haupt- und Grundthorheit in der vielgeprie- senen Weisheit der heidnischen Alten, daß ihnen das Leben als ein Tummelplatz der Willkühr erschien, daß sie die Güter der Erde nicht anders zu denken wußten, als in blin- der Unterworfenheit unter eine gewisse bald verfeinerte, bald heroische Laune, und daß ihre gesammte Haushaltung nichts Höheres verlangte, als kecke Unterwerfung und klügelnde listige Bewirthschaftung des ausschließenden Eigenthums. Sie wähnten die Welt zu unterjochen und wollten nicht ein- sehen, daß sie eben dadurch selbst Sclaven wurden, und daß sie die Willkühr, die sie ausübten, zugleich auf den Thron setzten über sich. Was war dieses Räthsel des Fatums, das mit schrecklichem Muthwillen über allen ihren Göttern waltete, was waren die vergötterten Gespenster der irrdischen
Theorien der Staatswirthſchaft wenden ſich zur Abgoͤtterey der Sachen, und zu ſclaviſcher Unterwuͤrfigkeit unter ihr vorgebliches Geſetz: man laſſe, heißt es, den Menſchen nur frey von allen perſoͤnlichen Schranken, man laſſe die Sachen nur gewaͤhren, nur walten uͤber ihn, man laſſe die Ballen der Waaren nur ſich unter einander ins Geichgewicht ſetzen, und den Menchanismus der Gewerbe in ſich ſelbſt forttreiben, ſo wird der Menſch ſchon folgen muͤſſen; andererſeits werden dieſelben Sachen wieder abſolut privateigenthuͤmlich der willkuͤhrlichen Dispoſition des Einzelnen uͤberlaſſen, er erhaͤlt das Recht der Veraͤußerung alles Beſitzes, ein Recht uͤber Leben und Tod derſelben Sachen, die ihn beherrſchen ſollen; kurz der Sclav wird wieder Tyrann ſeines Tyrannen, und der Tyrann Sclav ſeines Sclaven.
Es war eben die Haupt- und Grundthorheit in der vielgeprie- ſenen Weisheit der heidniſchen Alten, daß ihnen das Leben als ein Tummelplatz der Willkuͤhr erſchien, daß ſie die Guͤter der Erde nicht anders zu denken wußten, als in blin- der Unterworfenheit unter eine gewiſſe bald verfeinerte, bald heroiſche Laune, und daß ihre geſammte Haushaltung nichts Hoͤheres verlangte, als kecke Unterwerfung und kluͤgelnde liſtige Bewirthſchaftung des ausſchließenden Eigenthums. Sie waͤhnten die Welt zu unterjochen und wollten nicht ein- ſehen, daß ſie eben dadurch ſelbſt Sclaven wurden, und daß ſie die Willkuͤhr, die ſie ausuͤbten, zugleich auf den Thron ſetzten uͤber ſich. Was war dieſes Raͤthſel des Fatums, das mit ſchrecklichem Muthwillen uͤber allen ihren Goͤttern waltete, was waren die vergoͤtterten Geſpenſter der irrdiſchen
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Theorien der Staatswirthſchaft wenden ſich zur Abgoͤtterey
der Sachen, und zu ſclaviſcher Unterwuͤrfigkeit unter ihr
vorgebliches Geſetz: man laſſe, heißt es, den Menſchen nur
frey von allen perſoͤnlichen Schranken, man laſſe die Sachen
nur gewaͤhren, nur walten uͤber ihn, man laſſe die Ballen
der Waaren nur ſich unter einander ins Geichgewicht ſetzen,
und den Menchanismus der Gewerbe in ſich ſelbſt forttreiben,
ſo wird der Menſch ſchon folgen muͤſſen; andererſeits
werden dieſelben Sachen wieder abſolut privateigenthuͤmlich
der willkuͤhrlichen Dispoſition des Einzelnen uͤberlaſſen, er
erhaͤlt das Recht der Veraͤußerung alles Beſitzes, ein Recht
uͤber Leben und Tod derſelben Sachen, die ihn beherrſchen
ſollen; kurz der Sclav wird wieder Tyrann ſeines Tyrannen,
und der Tyrann Sclav ſeines Sclaven.
Es war eben die Haupt- und Grundthorheit in der vielgeprie-
ſenen Weisheit der heidniſchen Alten, daß ihnen das Leben
als ein Tummelplatz der Willkuͤhr erſchien, daß ſie die
Guͤter der Erde nicht anders zu denken wußten, als in blin-
der Unterworfenheit unter eine gewiſſe bald verfeinerte, bald
heroiſche Laune, und daß ihre geſammte Haushaltung nichts
Hoͤheres verlangte, als kecke Unterwerfung und kluͤgelnde
liſtige Bewirthſchaftung des ausſchließenden Eigenthums.
Sie waͤhnten die Welt zu unterjochen und wollten nicht ein-
ſehen, daß ſie eben dadurch ſelbſt Sclaven wurden, und daß
ſie die Willkuͤhr, die ſie ausuͤbten, zugleich auf den Thron
ſetzten uͤber ſich. Was war dieſes Raͤthſel des Fatums,
das mit ſchrecklichem Muthwillen uͤber allen ihren Goͤttern
waltete, was waren die vergoͤtterten Geſpenſter der irrdiſchen
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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/184>, abgerufen am 22.07.2024.
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