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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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ſtellung die phyſiologiſche Lebensform der Phantaſie iſt,
die bloß darum pſychiſch heißt, weil ſie eben nur vor-
ſtellend iſt, ſo koͤmmt es uns nun zuletzt zu, dieß leben-
dige Verwandeln des Inhaltes ſelbſt fuͤr ſich der Unter-
ſuchung zu unterwerfen.

168.

Was ſoll man nun nach allem dem dazu ſagen, was
die empiriſche Pſychologie bisher uͤber das Lebendige der Ein-
bildungskraft vorgebracht? Hat ſie nur einigermaßen den
Inhalt eines ſo maͤchtigen Vermoͤgens wahrgenommen, hat
ſie nicht gerade zu das Leben der Phantaſie, ihren nach
eigenen Geſetzen lebendigen Fortſchritt verlaͤugnen muͤſſen,
um ihre klaͤglichen Aſſociationsgeſetze durchfuͤhren zu
koͤnnen, Regeln, die darum ſchon keine Geſetze ſind, weil
ihrer viele uͤber dieſelbe Sache, und weil ſie, in ſich ſelbſt
widerſprechend Willkuͤhr und Zufaͤlligkeit an die Stelle des
lebendigen Fortſchrittes ſetzen? Wenn die Phantaſie das
Aehnliche und zugleich das Entgegengeſetzte aſſociirt, wo iſt
denn das Lebensgeſetz der Phantaſie, durch welches begreif-
lich waͤre, wie ſie beides thun kann, ohne anders als in
ihrem Leben thaͤtig zu ſeyn? In den ſogenannten Aſſo-
ciationsgeſetzen liegt das Geſetzmaͤßige bloß in dem Inhalt
der Vorſtellungen, in den Objecten der Aſſociation, nicht
aber in dem aſſociirenden, in der Phantaſie ſelbſt, und
die empiriſche Pſychologie wiederhohlt hier, was ſie immer
gethan hat, ſie ſtellt Beziehungen zwiſchen den Producten
auf und laͤßt das Leben des producirenden Geiſtes gehen.

169.

Wenn man dieſe Eroͤrterungen uͤber die Aſſociations-
geſetze lieſt, ſo ſollte man glauben, das Leben der Phan-
taſie waͤre nicht ein lebendiges Schaffen, ſondern nur ſelbſt
die nach gewiſſen Geſetzen der Wahlverwandſchaft ſich an-

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/111>, abgerufen am 11.02.2025.