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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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185.

In Allem dem geht die Phantaſie nicht uͤber das ei-
nige Geſetz ihres Eigenlebens, ihre Gebilde zu beſchraͤn-
ken, zu erweitern hinaus, aber ſie iſt nicht mehr willkuͤhr-
lich und ſpielend, ſondern von der Idee beſtimmt, ſie ver-
aͤndert auch hier dieſelbe Form beſchraͤnkend, erweiternd,
aber nur in der Sphaͤre des von der Idee beigebrachten
Begriffs der Form, aus dem ſie hier nicht heraustreten
kann.

186.

Wer davon ſich einen deutlichen Begriff machen will,
leſe Goethe’s meiſterhafte Schilderung des Nagethiers
und ſeiner geſelligen Beziehungen zu andern Thieren in der
Morphologie. Nichts Aehnliches iſt aufzuweiſen, was dieſer
aus dem Mittelpunct der Organiſation entworfenen Pro-
jection gleich kaͤme. Irre ich nicht, ſo liegt in dieſer An-
deutung die Ahndung eines fernen Ideals der Naturgeſchich-
te. So ſiehſt du den Wirbel auch zum Schaͤdel ſich ausbil-
den, das Blatt zum Blumenblatte werden, das Athem-
organ als Lunge, als Kieme unter den mannigfaltigſten
Formen eine nach außen oder nach innen ſich im kleinſten
Raum vermehrende Flaͤche daſſelbe bleiben. Eingenom-
men von dieſer Idee wagt Peter Camper auf der
ſchwarzen Tafel den Hund in ein Pferd, dieſes in eine Kuh,
das Saͤugethier in einen Vogel zu verwandeln. Wenn
deine Phantaſie nach den Begriffen der Formen thaͤtig iſt,
ſo faͤllt es dir nicht ein, Fluͤgel dem Pferde anzudichten,
die Menſchengeſtalt mit dem Rumpf des vierfuͤßigen Thiers
zu verbinden; das iſt der kuͤnſtleriſchen Phantaſie, die mit
einem ſich Alles aͤndern ſieht, ein Widerſpruch. Bei dem
Muskelbau des Pferdes, des Menſchen kann kein Fluͤgel hin-
zugedacht werden, ohne daß alle Formen ſich nach dem Einen
aͤuderen. Das Gefluͤgelte kann nur ein Vogel ſeyn, der Vogel

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/120>, abgerufen am 11.02.2025.