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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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nicht sinnlich, es sind nur vorgestellte, gedachte Grenzen im
dunkeln oder lichten Sehfelde. Aber wirkt das exaltirte
Phantastikon auf die ruhende dunkle Sehsinnsubstanz, erregt
das erregte Phantastikon die letztere, so werden die sonst
nur schlechthin eingebildeten Dinge innerhalb ihrer im Seh-
feld gedachten Grenzen auch leuchtend und farbig. Hier
ist nun der Ort, die Phaenomene, deren Entstehung ich
wissenschaftlich begründet habe, genau und treu zuerst
nach vieljähriger Selbstbeobachtung zu beschreiben, um so-
fort die in diesem Gebiete häufig durch Auslegung entstell-
ten Erfahrungen Anderer anzuknüpfen.



VI. Die phantastischen Gesichtserschei-
nungen
.
34.

Es ist selten, daß ich nicht vor dem Einschlafen bei
geschlossenen Augen in der Dunkelheit des Sehfeldes man-
nichfache leuchtende Bilder sehe. Von früher Jugend auf
erinnere ich mich dieser Erscheinungen, ich wußte sie immer
wohl von den eigentlichen Traumbildern zu unterscheiden;
denn ich konnte oft lange Zeit noch vor dem Einschlafen
über sie reflectiren. Vielfache Selbstbeobachtung hat mich
denn auch in den Stand gesetzt, ihre Erscheinung zu be-
fördern, sie festzuhalten. Schlaflose Nächte wurden mir kür-
zer, wenn ich gleichsam wachend wandeln konnte unter den
eigenen Geschöpfen meines Auges. Wenn ich diese leuchtenden
Bilder beobachten will, sehe ich bei geschlossenen vollkom-
men ausruhenden Augen in die Dunkelheit des Sehfeldes; mit
einem Gefühl der Abspannung und größten Ruhe in den Au-
genmuskeln versenke ich mich ganz in die sinnliche Ruhe des
Auges oder in die Dunkelheit des Sehfeldes. Allen Ge-
danken, allem Urtheil wehre ich ab, ich will bei einer voll-

nicht ſinnlich, es ſind nur vorgeſtellte, gedachte Grenzen im
dunkeln oder lichten Sehfelde. Aber wirkt das exaltirte
Phantaſtikon auf die ruhende dunkle Sehſinnſubſtanz, erregt
das erregte Phantaſtikon die letztere, ſo werden die ſonſt
nur ſchlechthin eingebildeten Dinge innerhalb ihrer im Seh-
feld gedachten Grenzen auch leuchtend und farbig. Hier
iſt nun der Ort, die Phaenomene, deren Entſtehung ich
wiſſenſchaftlich begruͤndet habe, genau und treu zuerſt
nach vieljaͤhriger Selbſtbeobachtung zu beſchreiben, um ſo-
fort die in dieſem Gebiete haͤufig durch Auslegung entſtell-
ten Erfahrungen Anderer anzuknuͤpfen.



VI. Die phantaſtiſchen Geſichtserſchei-
nungen
.
34.

Es iſt ſelten, daß ich nicht vor dem Einſchlafen bei
geſchloſſenen Augen in der Dunkelheit des Sehfeldes man-
nichfache leuchtende Bilder ſehe. Von fruͤher Jugend auf
erinnere ich mich dieſer Erſcheinungen, ich wußte ſie immer
wohl von den eigentlichen Traumbildern zu unterſcheiden;
denn ich konnte oft lange Zeit noch vor dem Einſchlafen
uͤber ſie reflectiren. Vielfache Selbſtbeobachtung hat mich
denn auch in den Stand geſetzt, ihre Erſcheinung zu be-
foͤrdern, ſie feſtzuhalten. Schlafloſe Naͤchte wurden mir kuͤr-
zer, wenn ich gleichſam wachend wandeln konnte unter den
eigenen Geſchoͤpfen meines Auges. Wenn ich dieſe leuchtenden
Bilder beobachten will, ſehe ich bei geſchloſſenen vollkom-
men ausruhenden Augen in die Dunkelheit des Sehfeldes; mit
einem Gefuͤhl der Abſpannung und groͤßten Ruhe in den Au-
genmuskeln verſenke ich mich ganz in die ſinnliche Ruhe des
Auges oder in die Dunkelheit des Sehfeldes. Allen Ge-
danken, allem Urtheil wehre ich ab, ich will bei einer voll-

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[20/0036] nicht ſinnlich, es ſind nur vorgeſtellte, gedachte Grenzen im dunkeln oder lichten Sehfelde. Aber wirkt das exaltirte Phantaſtikon auf die ruhende dunkle Sehſinnſubſtanz, erregt das erregte Phantaſtikon die letztere, ſo werden die ſonſt nur ſchlechthin eingebildeten Dinge innerhalb ihrer im Seh- feld gedachten Grenzen auch leuchtend und farbig. Hier iſt nun der Ort, die Phaenomene, deren Entſtehung ich wiſſenſchaftlich begruͤndet habe, genau und treu zuerſt nach vieljaͤhriger Selbſtbeobachtung zu beſchreiben, um ſo- fort die in dieſem Gebiete haͤufig durch Auslegung entſtell- ten Erfahrungen Anderer anzuknuͤpfen. VI. Die phantaſtiſchen Geſichtserſchei- nungen. 34. Es iſt ſelten, daß ich nicht vor dem Einſchlafen bei geſchloſſenen Augen in der Dunkelheit des Sehfeldes man- nichfache leuchtende Bilder ſehe. Von fruͤher Jugend auf erinnere ich mich dieſer Erſcheinungen, ich wußte ſie immer wohl von den eigentlichen Traumbildern zu unterſcheiden; denn ich konnte oft lange Zeit noch vor dem Einſchlafen uͤber ſie reflectiren. Vielfache Selbſtbeobachtung hat mich denn auch in den Stand geſetzt, ihre Erſcheinung zu be- foͤrdern, ſie feſtzuhalten. Schlafloſe Naͤchte wurden mir kuͤr- zer, wenn ich gleichſam wachend wandeln konnte unter den eigenen Geſchoͤpfen meines Auges. Wenn ich dieſe leuchtenden Bilder beobachten will, ſehe ich bei geſchloſſenen vollkom- men ausruhenden Augen in die Dunkelheit des Sehfeldes; mit einem Gefuͤhl der Abſpannung und groͤßten Ruhe in den Au- genmuskeln verſenke ich mich ganz in die ſinnliche Ruhe des Auges oder in die Dunkelheit des Sehfeldes. Allen Ge- danken, allem Urtheil wehre ich ab, ich will bei einer voll-

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/36>, abgerufen am 23.11.2024.