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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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die in einem krankhaften Zustande Monate lang anhiel-
ten, sind allgemein bekannt geworden. Bei Nicolai
traten im Zustande der Gesundheit die leuchtenden Phan-
tasiebilder nur zwischen Schlaf und Wachen ein. Ber-
linische Monatsschrift v. Biester, 1799. S. 350. Daß
die Traumbilder Lebensäusserungen der Sinnesorgane
sind, hat Gruithuisen in seiner an trefflichen Selbst-
beobachtungen reichen Schrift: Beiträge zur Physiognosie
und Eautognosie München 1812. S. 236. aus eigenen und
fremden Erfahrungen zu zeigen gesucht. Eine sehr treffende
mit meiner früher gegebenen Darstellung im wesentlichen ganz
übereinstimmende Selbstbeobachtung über die Phantasiebilder
vor dem Einschlafen hat Nasse in der Zeitschrift für Anthro-
pologie 1825. 3. S. 166. gegeben. Daß Purkinje auch
an diesen subjectiven Gesichtserscheinungen reich seyn müs-
se, erschließen wir aus seiner Abhandlung über das Nach-
bild als Inhalt des Gedächtnisses. Beiträge zur Kennt-
niß des subjectiven Sehens. S. 166.

48.

Höchst erfreulich ist es, daß eben diese Schrift Goe-
the
veranlaßt hat, aus der eigenen lebendigen Erfahrung
seiner Phantasie mitzutheilen, was ihm zu jenen merkwür-
digen einer kunstreichen Schöpfung verwebten Stellen über
die Phantasiebilder in den Wahlverwandschaften, worauf wir
mehrfach zurückkommen werden, vielleicht Anregung gewesen.

"Ich hatte die Gabe, wenn ich die Augen schloß und
mit niedergesenktem Haupte mir in die Mitte des Sehor-
ganes eine Blume dachte, so verharrte sie nicht einen Au-
genblick in ihrer ersten Gestalt, sondern sie legte sich aus-
einander, und aus ihrem Innern entfalteten sich wieder
neue Blumen aus farbigen, auch wohl grünen Blättern;
es waren keine natürliche Blumen, sondern phantastische,
jedoch regelmäßig wie die Rosetten der Bildhauer. Es

die in einem krankhaften Zuſtande Monate lang anhiel-
ten, ſind allgemein bekannt geworden. Bei Nicolai
traten im Zuſtande der Geſundheit die leuchtenden Phan-
taſiebilder nur zwiſchen Schlaf und Wachen ein. Ber-
liniſche Monatsſchrift v. Bieſter, 1799. S. 350. Daß
die Traumbilder Lebensaͤuſſerungen der Sinnesorgane
ſind, hat Gruithuiſen in ſeiner an trefflichen Selbſt-
beobachtungen reichen Schrift: Beitraͤge zur Phyſiognoſie
und Eautognoſie Muͤnchen 1812. S. 236. aus eigenen und
fremden Erfahrungen zu zeigen geſucht. Eine ſehr treffende
mit meiner fruͤher gegebenen Darſtellung im weſentlichen ganz
uͤbereinſtimmende Selbſtbeobachtung uͤber die Phantaſiebilder
vor dem Einſchlafen hat Naſſe in der Zeitſchrift fuͤr Anthro-
pologie 1825. 3. S. 166. gegeben. Daß Purkinje auch
an dieſen ſubjectiven Geſichtserſcheinungen reich ſeyn muͤſ-
ſe, erſchließen wir aus ſeiner Abhandlung uͤber das Nach-
bild als Inhalt des Gedaͤchtniſſes. Beitraͤge zur Kennt-
niß des ſubjectiven Sehens. S. 166.

48.

Hoͤchſt erfreulich iſt es, daß eben dieſe Schrift Goe-
the
veranlaßt hat, aus der eigenen lebendigen Erfahrung
ſeiner Phantaſie mitzutheilen, was ihm zu jenen merkwuͤr-
digen einer kunſtreichen Schoͤpfung verwebten Stellen uͤber
die Phantaſiebilder in den Wahlverwandſchaften, worauf wir
mehrfach zuruͤckkommen werden, vielleicht Anregung geweſen.

»Ich hatte die Gabe, wenn ich die Augen ſchloß und
mit niedergeſenktem Haupte mir in die Mitte des Sehor-
ganes eine Blume dachte, ſo verharrte ſie nicht einen Au-
genblick in ihrer erſten Geſtalt, ſondern ſie legte ſich aus-
einander, und aus ihrem Innern entfalteten ſich wieder
neue Blumen aus farbigen, auch wohl gruͤnen Blaͤttern;
es waren keine natuͤrliche Blumen, ſondern phantaſtiſche,
jedoch regelmaͤßig wie die Roſetten der Bildhauer. Es

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[27/0043] die in einem krankhaften Zuſtande Monate lang anhiel- ten, ſind allgemein bekannt geworden. Bei Nicolai traten im Zuſtande der Geſundheit die leuchtenden Phan- taſiebilder nur zwiſchen Schlaf und Wachen ein. Ber- liniſche Monatsſchrift v. Bieſter, 1799. S. 350. Daß die Traumbilder Lebensaͤuſſerungen der Sinnesorgane ſind, hat Gruithuiſen in ſeiner an trefflichen Selbſt- beobachtungen reichen Schrift: Beitraͤge zur Phyſiognoſie und Eautognoſie Muͤnchen 1812. S. 236. aus eigenen und fremden Erfahrungen zu zeigen geſucht. Eine ſehr treffende mit meiner fruͤher gegebenen Darſtellung im weſentlichen ganz uͤbereinſtimmende Selbſtbeobachtung uͤber die Phantaſiebilder vor dem Einſchlafen hat Naſſe in der Zeitſchrift fuͤr Anthro- pologie 1825. 3. S. 166. gegeben. Daß Purkinje auch an dieſen ſubjectiven Geſichtserſcheinungen reich ſeyn muͤſ- ſe, erſchließen wir aus ſeiner Abhandlung uͤber das Nach- bild als Inhalt des Gedaͤchtniſſes. Beitraͤge zur Kennt- niß des ſubjectiven Sehens. S. 166. 48. Hoͤchſt erfreulich iſt es, daß eben dieſe Schrift Goe- the veranlaßt hat, aus der eigenen lebendigen Erfahrung ſeiner Phantaſie mitzutheilen, was ihm zu jenen merkwuͤr- digen einer kunſtreichen Schoͤpfung verwebten Stellen uͤber die Phantaſiebilder in den Wahlverwandſchaften, worauf wir mehrfach zuruͤckkommen werden, vielleicht Anregung geweſen. »Ich hatte die Gabe, wenn ich die Augen ſchloß und mit niedergeſenktem Haupte mir in die Mitte des Sehor- ganes eine Blume dachte, ſo verharrte ſie nicht einen Au- genblick in ihrer erſten Geſtalt, ſondern ſie legte ſich aus- einander, und aus ihrem Innern entfalteten ſich wieder neue Blumen aus farbigen, auch wohl gruͤnen Blaͤttern; es waren keine natuͤrliche Blumen, ſondern phantaſtiſche, jedoch regelmaͤßig wie die Roſetten der Bildhauer. Es

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/43>, abgerufen am 21.11.2024.