Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

tionen zu entwickeln, war die Hauptabsicht des
dritten Buches, das indessen auch diejenigen
Staatseinrichtungen und solche Verfassungen der
Dorier nicht übergeht, in denen von jenem politi-
schen Stammgeiste eben Nichts oder Wenig sicht-
bar ist. Eine sehr verwickelte Aufgabe für die ge-
schichtliche Forschung ist die Sitte, oder die Weise
des Familienlebens und der Geselligkeit, die nicht
unmittelbar von der Einheit des Staates abhängt,
weil an ihr die verschiedensten Zeitalter und oft
auch Individuen beständig und unmerklich arbeiten,
ohne daß von ihrem Entstehen und ihren Um-
wandlungen irgend bestimmte Kunde auf die Nach-
welt käme. Doch wird die Behandlung der Do-
rischen Sitte erstens dadurch erleichtert, daß sie,
die Individuen fast mit gleicher Strenge wie das
eigentliche Recht beherrschend, eben darum mit
größter Treue und Beharrlichkeit festgehalten wird,
daher wir oft in verschiednen und entlegnen Dori-
schen Staaten wesentlich ganz dieselben Herkom-
men finden, und in ihnen bei strengem Gegensatze
gegen später allgemeine Hellenensitten doch Ursit-
ten der ganzen Nation, ja aller occidentalischen
Völker erkennen: zweitens dadurch, daß uns hier,
so wie in der Kunst, der Sprachgebrauch bedeu-
tend unterstützt, indem er in bestimmten Aus-
drücken von Dorischer Kleidung, Speise, Lebens-
art, wie von Bauart und Tonart, redet, während
von Dorischer Aristokratie nur selten, von Dori-

tionen zu entwickeln, war die Hauptabſicht des
dritten Buches, das indeſſen auch diejenigen
Staatseinrichtungen und ſolche Verfaſſungen der
Dorier nicht uͤbergeht, in denen von jenem politi-
ſchen Stammgeiſte eben Nichts oder Wenig ſicht-
bar iſt. Eine ſehr verwickelte Aufgabe fuͤr die ge-
ſchichtliche Forſchung iſt die Sitte, oder die Weiſe
des Familienlebens und der Geſelligkeit, die nicht
unmittelbar von der Einheit des Staates abhaͤngt,
weil an ihr die verſchiedenſten Zeitalter und oft
auch Individuen beſtaͤndig und unmerklich arbeiten,
ohne daß von ihrem Entſtehen und ihren Um-
wandlungen irgend beſtimmte Kunde auf die Nach-
welt kaͤme. Doch wird die Behandlung der Do-
riſchen Sitte erſtens dadurch erleichtert, daß ſie,
die Individuen faſt mit gleicher Strenge wie das
eigentliche Recht beherrſchend, eben darum mit
groͤßter Treue und Beharrlichkeit feſtgehalten wird,
daher wir oft in verſchiednen und entlegnen Dori-
ſchen Staaten weſentlich ganz dieſelben Herkom-
men finden, und in ihnen bei ſtrengem Gegenſatze
gegen ſpaͤter allgemeine Hellenenſitten doch Urſit-
ten der ganzen Nation, ja aller occidentaliſchen
Voͤlker erkennen: zweitens dadurch, daß uns hier,
ſo wie in der Kunſt, der Sprachgebrauch bedeu-
tend unterſtuͤtzt, indem er in beſtimmten Aus-
druͤcken von Doriſcher Kleidung, Speiſe, Lebens-
art, wie von Bauart und Tonart, redet, waͤhrend
von Doriſcher Ariſtokratie nur ſelten, von Dori-

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0018" n="XII"/>
tionen zu entwickeln, war die Hauptab&#x017F;icht des<lb/>
dritten Buches, das inde&#x017F;&#x017F;en auch diejenigen<lb/>
Staatseinrichtungen und &#x017F;olche Verfa&#x017F;&#x017F;ungen der<lb/>
Dorier nicht u&#x0364;bergeht, in denen von jenem politi-<lb/>
&#x017F;chen Stammgei&#x017F;te eben Nichts oder Wenig &#x017F;icht-<lb/>
bar i&#x017F;t. Eine &#x017F;ehr verwickelte Aufgabe fu&#x0364;r die ge-<lb/>
&#x017F;chichtliche For&#x017F;chung i&#x017F;t die Sitte, oder die Wei&#x017F;e<lb/>
des Familienlebens und der Ge&#x017F;elligkeit, die nicht<lb/>
unmittelbar von der Einheit des Staates abha&#x0364;ngt,<lb/>
weil an ihr die ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Zeitalter und oft<lb/>
auch Individuen be&#x017F;ta&#x0364;ndig und unmerklich arbeiten,<lb/>
ohne daß von ihrem Ent&#x017F;tehen und ihren Um-<lb/>
wandlungen irgend be&#x017F;timmte Kunde auf die Nach-<lb/>
welt ka&#x0364;me. Doch wird die Behandlung der Do-<lb/>
ri&#x017F;chen Sitte er&#x017F;tens dadurch erleichtert, daß &#x017F;ie,<lb/>
die Individuen fa&#x017F;t mit gleicher Strenge wie das<lb/>
eigentliche Recht beherr&#x017F;chend, eben darum mit<lb/>
gro&#x0364;ßter Treue und Beharrlichkeit fe&#x017F;tgehalten wird,<lb/>
daher wir oft in ver&#x017F;chiednen und entlegnen Dori-<lb/>
&#x017F;chen Staaten we&#x017F;entlich ganz die&#x017F;elben Herkom-<lb/>
men finden, und in ihnen bei &#x017F;trengem Gegen&#x017F;atze<lb/>
gegen &#x017F;pa&#x0364;ter allgemeine Hellenen&#x017F;itten doch Ur&#x017F;it-<lb/>
ten der ganzen Nation, ja aller occidentali&#x017F;chen<lb/>
Vo&#x0364;lker erkennen: zweitens dadurch, daß uns hier,<lb/>
&#x017F;o wie in der Kun&#x017F;t, der Sprachgebrauch bedeu-<lb/>
tend unter&#x017F;tu&#x0364;tzt, indem er in be&#x017F;timmten Aus-<lb/>
dru&#x0364;cken von Dori&#x017F;cher Kleidung, Spei&#x017F;e, Lebens-<lb/>
art, wie von Bauart und Tonart, redet, wa&#x0364;hrend<lb/>
von Dori&#x017F;cher Ari&#x017F;tokratie nur &#x017F;elten, von Dori-<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XII/0018] tionen zu entwickeln, war die Hauptabſicht des dritten Buches, das indeſſen auch diejenigen Staatseinrichtungen und ſolche Verfaſſungen der Dorier nicht uͤbergeht, in denen von jenem politi- ſchen Stammgeiſte eben Nichts oder Wenig ſicht- bar iſt. Eine ſehr verwickelte Aufgabe fuͤr die ge- ſchichtliche Forſchung iſt die Sitte, oder die Weiſe des Familienlebens und der Geſelligkeit, die nicht unmittelbar von der Einheit des Staates abhaͤngt, weil an ihr die verſchiedenſten Zeitalter und oft auch Individuen beſtaͤndig und unmerklich arbeiten, ohne daß von ihrem Entſtehen und ihren Um- wandlungen irgend beſtimmte Kunde auf die Nach- welt kaͤme. Doch wird die Behandlung der Do- riſchen Sitte erſtens dadurch erleichtert, daß ſie, die Individuen faſt mit gleicher Strenge wie das eigentliche Recht beherrſchend, eben darum mit groͤßter Treue und Beharrlichkeit feſtgehalten wird, daher wir oft in verſchiednen und entlegnen Dori- ſchen Staaten weſentlich ganz dieſelben Herkom- men finden, und in ihnen bei ſtrengem Gegenſatze gegen ſpaͤter allgemeine Hellenenſitten doch Urſit- ten der ganzen Nation, ja aller occidentaliſchen Voͤlker erkennen: zweitens dadurch, daß uns hier, ſo wie in der Kunſt, der Sprachgebrauch bedeu- tend unterſtuͤtzt, indem er in beſtimmten Aus- druͤcken von Doriſcher Kleidung, Speiſe, Lebens- art, wie von Bauart und Tonart, redet, waͤhrend von Doriſcher Ariſtokratie nur ſelten, von Dori-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/18
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/18>, abgerufen am 29.04.2024.