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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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wo das Oeffentliche an das Privateigenthum gränzt,
um Gutes einzulassen und Böses abzuwehren; man
betet zu ihm um gutes Glück (peri tukhas agathas).
Sein Zeichen oder Bild war höchst einfach; ein koni-
scher Cippus (kion konoeides); die Alten wissen nicht,
ob sie es als Altar oder als Bildsäule betrachten sol-
len 1. Der Dienst bestand aus einer fortdauernden
Besorgung (Aguiatides therapeiai) 2; man zündete
vor diesen Spitzsäulen Weihrauch an 3, schmückte sie
mit Myrthenkränzen, hing Tänien daran u. s. w.
Dies genügte den alten Doriern, und sie beständig an
die schützende Gegenwart der Eottheit zu erinnern und
derselben zu versichern. Die Athener wandten auf eine
ähnliche Weise den Hermes an, der, obgleich vom Apol-
lon grundverschieden, doch hier gleiches Amt mit ihm
versieht: denn wenn der Cultus des erstern in der
That idealistisch genannt werden kann, so ist dage-
gen im letztern die Zeugkraft der Natur auf derbsinn-
liche Weise gefaßt. Aber der Ausdruck derselben schien
gleicherweise geeignet, an Hallen und auf Straßen,
an Thüren und Thoren als allgemeines Zeichen des
göttlichen Segens aufgestellt zu werden. Und erst da-
durch wurde Hermes allmälig Gott der Herolde.


Apollini instituerunt et Agyeum appellare. Dazu Eurip. Jon
186. (worauf sich Eust. Il. p. 166. Rom. bezieht).
1 S. Schol. Arist. Wesp. 870 Thesm. 496. Ritter 1317. zu Eurip.
Phön. 634. Harpokr. Hesych. Helladios bei Phot. C. 279. p. 1596. Plaut.
Mercat. 4, 1, 9. Steph. B. s. v. aguia. sonst Everh. Otto de
diis vialibus
und Zoega de obeliscis p. 210. -- Der Agyieus
kommt sehr oft auf Münzen anstatt anderer Apollin. Insignien vor,
ohne daß ihn die Numismatiker bis jetzt erkannt haben; ich finde
ihn auf denen von Apollonia in Epeiros, Aptera in Kreta, Megara,
Byzanz, Orikos, Ambrakia, wo er mit Tänien umwunden ist.
2 Eurip. Jon a. O.
3 knissan Aguias, Demosth. a.
O. und den Englischen Stephanus 1, 6. p. 1048.

wo das Oeffentliche an das Privateigenthum graͤnzt,
um Gutes einzulaſſen und Boͤſes abzuwehren; man
betet zu ihm um gutes Gluͤck (περὶ τύχας ἀγαϑᾶς).
Sein Zeichen oder Bild war hoͤchſt einfach; ein koni-
ſcher Cippus (κίων κωνοειδής); die Alten wiſſen nicht,
ob ſie es als Altar oder als Bildſaͤule betrachten ſol-
len 1. Der Dienſt beſtand aus einer fortdauernden
Beſorgung (Ἀγυιάτιδες ϑεραπεῖαι) 2; man zuͤndete
vor dieſen Spitzſaͤulen Weihrauch an 3, ſchmuͤckte ſie
mit Myrthenkraͤnzen, hing Taͤnien daran u. ſ. w.
Dies genuͤgte den alten Doriern, und ſie beſtaͤndig an
die ſchuͤtzende Gegenwart der Eottheit zu erinnern und
derſelben zu verſichern. Die Athener wandten auf eine
aͤhnliche Weiſe den Hermes an, der, obgleich vom Apol-
lon grundverſchieden, doch hier gleiches Amt mit ihm
verſieht: denn wenn der Cultus des erſtern in der
That idealiſtiſch genannt werden kann, ſo iſt dage-
gen im letztern die Zeugkraft der Natur auf derbſinn-
liche Weiſe gefaßt. Aber der Ausdruck derſelben ſchien
gleicherweiſe geeignet, an Hallen und auf Straßen,
an Thuͤren und Thoren als allgemeines Zeichen des
goͤttlichen Segens aufgeſtellt zu werden. Und erſt da-
durch wurde Hermes allmaͤlig Gott der Herolde.


Apollini instituerunt et Agyeum appellare. Dazu Eurip. Jon
186. (worauf ſich Euſt. Il. p. 166. Rom. bezieht).
1 S. Schol. Ariſt. Weſp. 870 Thesm. 496. Ritter 1317. zu Eurip.
Phoͤn. 634. Harpokr. Heſych. Helladios bei Phot. C. 279. p. 1596. Plaut.
Mercat. 4, 1, 9. Steph. B. s. v. ἀγυιά. ſonſt Everh. Otto de
diis vialibus
und Zoëga de obeliscis p. 210. — Der Agyieus
kommt ſehr oft auf Muͤnzen anſtatt anderer Apollin. Inſignien vor,
ohne daß ihn die Numismatiker bis jetzt erkannt haben; ich finde
ihn auf denen von Apollonia in Epeiros, Aptera in Kreta, Megara,
Byzanz, Orikos, Ambrakia, wo er mit Taͤnien umwunden iſt.
2 Eurip. Jon a. O.
3 κνισσᾷν Ἀγυιᾶς, Demoſth. a.
O. und den Engliſchen Stephanus 1, 6. p. 1048.
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[300/0330] wo das Oeffentliche an das Privateigenthum graͤnzt, um Gutes einzulaſſen und Boͤſes abzuwehren; man betet zu ihm um gutes Gluͤck (περὶ τύχας ἀγαϑᾶς). Sein Zeichen oder Bild war hoͤchſt einfach; ein koni- ſcher Cippus (κίων κωνοειδής); die Alten wiſſen nicht, ob ſie es als Altar oder als Bildſaͤule betrachten ſol- len 1. Der Dienſt beſtand aus einer fortdauernden Beſorgung (Ἀγυιάτιδες ϑεραπεῖαι) 2; man zuͤndete vor dieſen Spitzſaͤulen Weihrauch an 3, ſchmuͤckte ſie mit Myrthenkraͤnzen, hing Taͤnien daran u. ſ. w. Dies genuͤgte den alten Doriern, und ſie beſtaͤndig an die ſchuͤtzende Gegenwart der Eottheit zu erinnern und derſelben zu verſichern. Die Athener wandten auf eine aͤhnliche Weiſe den Hermes an, der, obgleich vom Apol- lon grundverſchieden, doch hier gleiches Amt mit ihm verſieht: denn wenn der Cultus des erſtern in der That idealiſtiſch genannt werden kann, ſo iſt dage- gen im letztern die Zeugkraft der Natur auf derbſinn- liche Weiſe gefaßt. Aber der Ausdruck derſelben ſchien gleicherweiſe geeignet, an Hallen und auf Straßen, an Thuͤren und Thoren als allgemeines Zeichen des goͤttlichen Segens aufgeſtellt zu werden. Und erſt da- durch wurde Hermes allmaͤlig Gott der Herolde. 8 1 S. Schol. Ariſt. Weſp. 870 Thesm. 496. Ritter 1317. zu Eurip. Phoͤn. 634. Harpokr. Heſych. Helladios bei Phot. C. 279. p. 1596. Plaut. Mercat. 4, 1, 9. Steph. B. s. v. ἀγυιά. ſonſt Everh. Otto de diis vialibus und Zoëga de obeliscis p. 210. — Der Agyieus kommt ſehr oft auf Muͤnzen anſtatt anderer Apollin. Inſignien vor, ohne daß ihn die Numismatiker bis jetzt erkannt haben; ich finde ihn auf denen von Apollonia in Epeiros, Aptera in Kreta, Megara, Byzanz, Orikos, Ambrakia, wo er mit Taͤnien umwunden iſt. 2 Eurip. Jon a. O. 3 κνισσᾷν Ἀγυιᾶς, Demoſth. a. O. und den Engliſchen Stephanus 1, 6. p. 1048. 8 Apollini instituerunt et Agyeum appellare. Dazu Eurip. Jon 186. (worauf ſich Euſt. Il. p. 166. Rom. bezieht).

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/330>, abgerufen am 22.11.2024.