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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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der Hund, wie öfter in alter Mythologie, den Sirius,
und überhaupt die Gluthitze des Sommers, die aller Vege-
tation u. allem zarteren Leben der Natur ein Ende macht.
Der Gesang aber, der den frühen Tod des vielgelieb-
ten 1 Kindes beklagte, wurde mit leiser gedämpfter
Stimme zur Kithar gesungen, und in Homerischer und
Hesiodischer Zeit gern gehört 2, obgleich damals schon
mit ermäßigter Trauer und vielleicht blos als ein sanf-
tes Adagio; doch muß er auch nachher noch einen vor-
herrschend traurigen Charakter gehabt haben, wie die
Namen Ailinos und Oitolinos beweisen 3; besonders
sangen ihn die Landbauer (gewöhnlich Ureinwohner) gern
und oft 4. Das alte Griechenland kam in dieser Hin-
sicht mit dem Kleinasiatischen Orient überein, wo
solche religiöse Klaglieder nach den Landschaften ver-
schieden, aber überall mit demselben Grundtone sich
wiederfinden 5: der Klagesang der Dolionen 6; der
Hylas an den Quellen im Lande der Myser und Bi-
thyner 7, (ziemlich einerlei mit dem Mysion) 8; der
schöne Bormos, dessen Wassertod die Landleute der
Mariandynen um Sommersmitte zur einheimischen Lan-
desflöte sangen 9; der Lityerses, den die Phryger zu
Kelänä, in Marsyas Heimat, jährlich zur Erndtezeit
beklagten 10; das schwermüthige Karikon auf Phrygi-

1 Hesiod bei Eust. a. O.
2 Il. 18, 569. Eurip. bei
Athen. 14, 619 c.
3 vgl. Stanley zu Aesch. Agam. 123.
Der eigentliche Name war vielleicht oitos Linou, der Anfang ai
Line.
4 Pollux 1, 1, 38. vgl. Il. a. O.
5 Barbari-
sche Ailinoi bei Eurip. Or. 1402.
6 Sch. Apoll. 1, 1133.
7 Bd. 1. S. 293.
8 Aesch. Pers. 1059., (wo es eine eigne
Trauermelodie zu einem kläglichen Chorgesange ist) Schol. Eust.
zu Dion. P. 791.
9 Aesch. Pers. 941. Schol. Eust. a. O.
Pollux 4, 7, 54.
10 Schol. Theokr. 10, 41. Apostol. 12, 7.
Hesych, der s. v. Mariand. threnos den Lityerses mit diesem ver-

der Hund, wie oͤfter in alter Mythologie, den Sirius,
und uͤberhaupt die Gluthitze des Sommers, die aller Vege-
tation u. allem zarteren Leben der Natur ein Ende macht.
Der Geſang aber, der den fruͤhen Tod des vielgelieb-
ten 1 Kindes beklagte, wurde mit leiſer gedaͤmpfter
Stimme zur Kithar geſungen, und in Homeriſcher und
Heſiodiſcher Zeit gern gehoͤrt 2, obgleich damals ſchon
mit ermaͤßigter Trauer und vielleicht blos als ein ſanf-
tes Adagio; doch muß er auch nachher noch einen vor-
herrſchend traurigen Charakter gehabt haben, wie die
Namen Αἴλινος und Οἰτόλινος beweiſen 3; beſonders
ſangen ihn die Landbauer (gewoͤhnlich Ureinwohner) gern
und oft 4. Das alte Griechenland kam in dieſer Hin-
ſicht mit dem Kleinaſiatiſchen Orient uͤberein, wo
ſolche religioͤſe Klaglieder nach den Landſchaften ver-
ſchieden, aber uͤberall mit demſelben Grundtone ſich
wiederfinden 5: der Klageſang der Dolionen 6; der
Hylas an den Quellen im Lande der Myſer und Bi-
thyner 7, (ziemlich einerlei mit dem Myſion) 8; der
ſchoͤne Bormos, deſſen Waſſertod die Landleute der
Mariandynen um Sommersmitte zur einheimiſchen Lan-
desfloͤte ſangen 9; der Lityerſes, den die Phryger zu
Kelaͤnaͤ, in Marſyas Heimat, jaͤhrlich zur Erndtezeit
beklagten 10; das ſchwermuͤthige Karikon auf Phrygi-

1 Heſiod bei Euſt. a. O.
2 Il. 18, 569. Eurip. bei
Athen. 14, 619 c.
3 vgl. Stanley zu Aeſch. Agam. 123.
Der eigentliche Name war vielleicht οἶτος Λίνου, der Anfang αἲ
Λίνε.
4 Pollux 1, 1, 38. vgl. Il. a. O.
5 Barbari-
ſche Αἴλινοι bei Eurip. Or. 1402.
6 Sch. Apoll. 1, 1133.
7 Bd. 1. S. 293.
8 Aeſch. Perſ. 1059., (wo es eine eigne
Trauermelodie zu einem klaͤglichen Chorgeſange iſt) Schol. Euſt.
zu Dion. P. 791.
9 Aeſch. Perſ. 941. Schol. Euſt. a. O.
Pollux 4, 7, 54.
10 Schol. Theokr. 10, 41. Apoſtol. 12, 7.
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[347/0377] der Hund, wie oͤfter in alter Mythologie, den Sirius, und uͤberhaupt die Gluthitze des Sommers, die aller Vege- tation u. allem zarteren Leben der Natur ein Ende macht. Der Geſang aber, der den fruͤhen Tod des vielgelieb- ten 1 Kindes beklagte, wurde mit leiſer gedaͤmpfter Stimme zur Kithar geſungen, und in Homeriſcher und Heſiodiſcher Zeit gern gehoͤrt 2, obgleich damals ſchon mit ermaͤßigter Trauer und vielleicht blos als ein ſanf- tes Adagio; doch muß er auch nachher noch einen vor- herrſchend traurigen Charakter gehabt haben, wie die Namen Αἴλινος und Οἰτόλινος beweiſen 3; beſonders ſangen ihn die Landbauer (gewoͤhnlich Ureinwohner) gern und oft 4. Das alte Griechenland kam in dieſer Hin- ſicht mit dem Kleinaſiatiſchen Orient uͤberein, wo ſolche religioͤſe Klaglieder nach den Landſchaften ver- ſchieden, aber uͤberall mit demſelben Grundtone ſich wiederfinden 5: der Klageſang der Dolionen 6; der Hylas an den Quellen im Lande der Myſer und Bi- thyner 7, (ziemlich einerlei mit dem Myſion) 8; der ſchoͤne Bormos, deſſen Waſſertod die Landleute der Mariandynen um Sommersmitte zur einheimiſchen Lan- desfloͤte ſangen 9; der Lityerſes, den die Phryger zu Kelaͤnaͤ, in Marſyas Heimat, jaͤhrlich zur Erndtezeit beklagten 10; das ſchwermuͤthige Karikon auf Phrygi- 1 Heſiod bei Euſt. a. O. 2 Il. 18, 569. Eurip. bei Athen. 14, 619 c. 3 vgl. Stanley zu Aeſch. Agam. 123. Der eigentliche Name war vielleicht οἶτος Λίνου, der Anfang αἲ Λίνε. 4 Pollux 1, 1, 38. vgl. Il. a. O. 5 Barbari- ſche Αἴλινοι bei Eurip. Or. 1402. 6 Sch. Apoll. 1, 1133. 7 Bd. 1. S. 293. 8 Aeſch. Perſ. 1059., (wo es eine eigne Trauermelodie zu einem klaͤglichen Chorgeſange iſt) Schol. Euſt. zu Dion. P. 791. 9 Aeſch. Perſ. 941. Schol. Euſt. a. O. Pollux 4, 7, 54. 10 Schol. Theokr. 10, 41. Apoſtol. 12, 7. Heſych, der s. v. Μαϱιανδ. ϑϱῆνος den Lityerſes mit dieſem ver-

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/377>, abgerufen am 22.11.2024.