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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Sie wurde auch hier ohne viele Umstände der heroi-
schen Genealogie eingewebt, und Tochter des Theseus
genannt 1. In Sparta war ein Tempel der Artemis
Orthia im Brühl der Stadt (Limnäon), wo man eben-
falls ein von Taurien gekommenes Holzbild zeigte 2.
Die Göttin hieß auch Lugodesma, die mit Keuschlamm
gebundene, oder Phakelitis, die im Reisbunde bewahrte,
welches auf eigene bildliche Vorstellungen zielt. Von
der Einführung des Dienstes erzählte man, daß Astra-
bakos und Alopekos (Esel und Fuchs), die Söhne des
Irbos, Nachkommen des Agis im vierten Geschlecht,
(etwa 900 vor Chr.) das Bild in einem Strauch ge-
funden hätten, und bei Anschauung desselben wahnsin-
nig geworden wären. Darauf hätten ihr die Limna-
ten und andern Komen Spartas geopfert, wobei sie
in Streit gerathen und Mord und Todschlag entstan-
den. Es fallen viel Menschen am Altare; die Göttin
fordert Opfer, wofür später die Geißelung der Kna-
ben am Feste der Orthia, über deren Strenge die
Priesterin wacht 3. Bemerkenswerth, daß gleich
darauf eine pompe Ludon, ein Lydischer Aufzug, folg-
te 4. -- Es geht aus dieser Erzählung hervor, daß
man die Geißelung als Entschädigung für blutige Opfer
betrachtete, und dann auch, daß man den Cultus für

1 Die Argiver, Stesichor. und Euphorion bei Paus. 2, 22,
7. Antonin. Lib. 27. Tz. Lyk. 183.
2 Paus. 3, 16, 6. Hygin 261.
vgl. Creuzers Comment. Herod. p. 244. Aus diesem T. Helena
geraubt nach Plut. Thes. 31. vgl. Hygin 79. deren Namen an die
Elenephorountas der Art. Brauronia erinnert.
3 Der Dia-
mastigosis geht voraus die Phouaxir, e epi tes khoras somaskia
ton mellonton mastigouothai, Hesych. vgl. Hemsterh. und Valck.
Adoniaz. p. 277. Auch andere Spiele dabei. S. die Lakon. In-
schr. Cyriac. p. 40. Murat. p. 654. emd. von Ruhnken. bei Koen
ad Gregor. p. 306 Sch. epi Alkippou nikaxas to paidikon ke-
leti Artemidi Orthiai.
4 Plut. Arist. 17.

Sie wurde auch hier ohne viele Umſtaͤnde der heroi-
ſchen Genealogie eingewebt, und Tochter des Theſeus
genannt 1. In Sparta war ein Tempel der Artemis
Ορϑία im Bruͤhl der Stadt (Limnaͤon), wo man eben-
falls ein von Taurien gekommenes Holzbild zeigte 2.
Die Goͤttin hieß auch Λυγοδέσμα, die mit Keuſchlamm
gebundene, oder Φακελίτις, die im Reisbunde bewahrte,
welches auf eigene bildliche Vorſtellungen zielt. Von
der Einfuͤhrung des Dienſtes erzaͤhlte man, daß Aſtra-
bakos und Alopekos (Eſel und Fuchs), die Soͤhne des
Irbos, Nachkommen des Agis im vierten Geſchlecht,
(etwa 900 vor Chr.) das Bild in einem Strauch ge-
funden haͤtten, und bei Anſchauung deſſelben wahnſin-
nig geworden waͤren. Darauf haͤtten ihr die Limna-
ten und andern Komen Spartas geopfert, wobei ſie
in Streit gerathen und Mord und Todſchlag entſtan-
den. Es fallen viel Menſchen am Altare; die Goͤttin
fordert Opfer, wofuͤr ſpaͤter die Geißelung der Kna-
ben am Feſte der Orthia, uͤber deren Strenge die
Prieſterin wacht 3. Bemerkenswerth, daß gleich
darauf eine πομπὴ Λυδῶν, ein Lydiſcher Aufzug, folg-
te 4. — Es geht aus dieſer Erzaͤhlung hervor, daß
man die Geißelung als Entſchaͤdigung fuͤr blutige Opfer
betrachtete, und dann auch, daß man den Cultus fuͤr

1 Die Argiver, Steſichor. und Euphorion bei Pauſ. 2, 22,
7. Antonin. Lib. 27. Tz. Lyk. 183.
2 Pauſ. 3, 16, 6. Hygin 261.
vgl. Creuzers Comment. Herod. p. 244. Aus dieſem T. Helena
geraubt nach Plut. Theſ. 31. vgl. Hygin 79. deren Namen an die
Ἐλενηφοϱοῦντας der Art. Brauronia erinnert.
3 Der Δια-
μαστίγωσις geht voraus die Φούαξιϱ, ἡ ἐπὶ τῆς χώϱας σωμασκία
τῶν μελλόντων μαστιγοῦοϑαι, Heſych. vgl. Hemſterh. und Valck.
Adoniaz. p. 277. Auch andere Spiele dabei. S. die Lakon. In-
ſchr. Cyriac. p. 40. Murat. p. 654. emd. von Ruhnken. bei Koen
ad Gregor. p. 306 Sch. επι Αλκιππου νικαξας το παιδικον κε-
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4 Plut. Ariſt. 17.
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[382/0412] Sie wurde auch hier ohne viele Umſtaͤnde der heroi- ſchen Genealogie eingewebt, und Tochter des Theſeus genannt 1. In Sparta war ein Tempel der Artemis Ορϑία im Bruͤhl der Stadt (Limnaͤon), wo man eben- falls ein von Taurien gekommenes Holzbild zeigte 2. Die Goͤttin hieß auch Λυγοδέσμα, die mit Keuſchlamm gebundene, oder Φακελίτις, die im Reisbunde bewahrte, welches auf eigene bildliche Vorſtellungen zielt. Von der Einfuͤhrung des Dienſtes erzaͤhlte man, daß Aſtra- bakos und Alopekos (Eſel und Fuchs), die Soͤhne des Irbos, Nachkommen des Agis im vierten Geſchlecht, (etwa 900 vor Chr.) das Bild in einem Strauch ge- funden haͤtten, und bei Anſchauung deſſelben wahnſin- nig geworden waͤren. Darauf haͤtten ihr die Limna- ten und andern Komen Spartas geopfert, wobei ſie in Streit gerathen und Mord und Todſchlag entſtan- den. Es fallen viel Menſchen am Altare; die Goͤttin fordert Opfer, wofuͤr ſpaͤter die Geißelung der Kna- ben am Feſte der Orthia, uͤber deren Strenge die Prieſterin wacht 3. Bemerkenswerth, daß gleich darauf eine πομπὴ Λυδῶν, ein Lydiſcher Aufzug, folg- te 4. — Es geht aus dieſer Erzaͤhlung hervor, daß man die Geißelung als Entſchaͤdigung fuͤr blutige Opfer betrachtete, und dann auch, daß man den Cultus fuͤr 1 Die Argiver, Steſichor. und Euphorion bei Pauſ. 2, 22, 7. Antonin. Lib. 27. Tz. Lyk. 183. 2 Pauſ. 3, 16, 6. Hygin 261. vgl. Creuzers Comment. Herod. p. 244. Aus dieſem T. Helena geraubt nach Plut. Theſ. 31. vgl. Hygin 79. deren Namen an die Ἐλενηφοϱοῦντας der Art. Brauronia erinnert. 3 Der Δια- μαστίγωσις geht voraus die Φούαξιϱ, ἡ ἐπὶ τῆς χώϱας σωμασκία τῶν μελλόντων μαστιγοῦοϑαι, Heſych. vgl. Hemſterh. und Valck. Adoniaz. p. 277. Auch andere Spiele dabei. S. die Lakon. In- ſchr. Cyriac. p. 40. Murat. p. 654. emd. von Ruhnken. bei Koen ad Gregor. p. 306 Sch. επι Αλκιππου νικαξας το παιδικον κε- λητι Αϱτεμιδι Οϱϑιαι. 4 Plut. Ariſt. 17.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/412>, abgerufen am 22.11.2024.