Zuletzt endlich gehört auch die Verfassung Delphi's hieher, wenn wir oben mit Recht ange- nommen haben, daß die angesehensten Geschlechter Del- phi's Dorier waren 1. Eben da ist gezeigt, daß diese Geschlechter in älterer Zeit eine strenge Aristokratie ver- walteten; aus den Edlen wurden die Priester gewählt, denen die Leitung des Orakels oblag; aus ihnen der Pythische Gerichtshof, einer Spartiatischen Gerusia und dem altattischen Ephetengerichtshofe vergleichbar; aus ihnen die bedeutendsten Magistrate, unter denen ehemals ein König 2, hernach ein Prytanis der angese- hendste war 3. Später kommen Archonten als eponu- moi vor 4. Daneben bildete sich ein Demos aus den umwohnenden, vielleicht auch aus den dem Tempel unterworfenen Völkern, der auch wenigstens später in einer ekhkhlesia handelnd auftritt 5. Die Bule wurde in diesen Zeiten hier wie zu Gela und Rhodos (nach der oben aufgestellten Meinung) halbjährig erneuert, aber sie scheint nur aus wenigen Mitgliedern bestanden zu haben, da neben dem Archonten immer nur einer oder wenige bouleuontes in den Schenkungsurkunden an den Delphischen Tempel genannt werden 6. Wir übergehen manche Einzelheiten aus späterer Zeit, da es uns nur daran lag, auf jene Grundzüge früherer Verfassung aufmerksam zu machen.
1 Bd. 2. S. 211. oben S. 135.
2 oben S. 110. Aus der angef. Stelle sieht man, daß auch zu Plut. Zeit noch ein basileis, dem Namen nach, existirte.
3 oben S. 135.
4 ep[ - 1 Zeichen fehlt] aristagora arkhontos delphois, aitolon polemarkhou alex- androu. Dodwell Tour 1. S. 182. u. sehr häufig sonst. Die Delphischen Archonten Gylidas und Diodoros Ol. 47, 3. u. 49, 3. (Hypoth. Schol. Pind. P.) möchte ich aber für Prytanen halten.
5 Oester in Inschr. Cyriac. 196. p. 27. Murat. p. 589.
6 S. mehrere zusammen bei Chandler 2, p. 83. 150 ff. und sonst öster.
16.
Zuletzt endlich gehoͤrt auch die Verfaſſung Delphi’s hieher, wenn wir oben mit Recht ange- nommen haben, daß die angeſehenſten Geſchlechter Del- phi’s Dorier waren 1. Eben da iſt gezeigt, daß dieſe Geſchlechter in aͤlterer Zeit eine ſtrenge Ariſtokratie ver- walteten; aus den Edlen wurden die Prieſter gewaͤhlt, denen die Leitung des Orakels oblag; aus ihnen der Pythiſche Gerichtshof, einer Spartiatiſchen Geruſia und dem altattiſchen Ephetengerichtshofe vergleichbar; aus ihnen die bedeutendſten Magiſtrate, unter denen ehemals ein Koͤnig 2, hernach ein Prytanis der angeſe- hendſte war 3. Spaͤter kommen Archonten als ἐπώνυ- μοι vor 4. Daneben bildete ſich ein Demos aus den umwohnenden, vielleicht auch aus den dem Tempel unterworfenen Voͤlkern, der auch wenigſtens ſpaͤter in einer ἐχχλησία handelnd auftritt 5. Die Bule wurde in dieſen Zeiten hier wie zu Gela und Rhodos (nach der oben aufgeſtellten Meinung) halbjaͤhrig erneuert, aber ſie ſcheint nur aus wenigen Mitgliedern beſtanden zu haben, da neben dem Archonten immer nur einer oder wenige βουλεύοντες in den Schenkungsurkunden an den Delphiſchen Tempel genannt werden 6. Wir uͤbergehen manche Einzelheiten aus ſpaͤterer Zeit, da es uns nur daran lag, auf jene Grundzuͤge fruͤherer Verfaſſung aufmerkſam zu machen.
1 Bd. 2. S. 211. oben S. 135.
2 oben S. 110. Aus der angef. Stelle ſieht man, daß auch zu Plut. Zeit noch ein βασιλεἰς, dem Namen nach, exiſtirte.
3 oben S. 135.
4 ἐπ[ – 1 Zeichen fehlt] αϱισταγοϱα αϱχοντος δελφοις, αιτωλων πολεμαϱχου αλεξ- ανδϱου. Dodwell Tour 1. S. 182. u. ſehr haͤufig ſonſt. Die Delphiſchen Archonten Gylidas und Diodoros Ol. 47, 3. u. 49, 3. (Hypoth. Schol. Pind. P.) moͤchte ich aber fuͤr Prytanen halten.
5 Oeſter in Inſchr. Cyriac. 196. p. 27. Murat. p. 589.
6 S. mehrere zuſammen bei Chandler 2, p. 83. 150 ff. und ſonſt oͤſter.
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16.
Zuletzt endlich gehoͤrt auch die Verfaſſung
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phi’s Dorier waren 1. Eben da iſt gezeigt, daß dieſe
Geſchlechter in aͤlterer Zeit eine ſtrenge Ariſtokratie ver-
walteten; aus den Edlen wurden die Prieſter gewaͤhlt,
denen die Leitung des Orakels oblag; aus ihnen der
Pythiſche Gerichtshof, einer Spartiatiſchen Geruſia
und dem altattiſchen Ephetengerichtshofe vergleichbar;
aus ihnen die bedeutendſten Magiſtrate, unter denen
ehemals ein Koͤnig 2, hernach ein Prytanis der angeſe-
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μοι vor 4. Daneben bildete ſich ein Demos aus den
umwohnenden, vielleicht auch aus den dem Tempel
unterworfenen Voͤlkern, der auch wenigſtens ſpaͤter in
einer ἐχχλησία handelnd auftritt 5. Die Bule wurde
in dieſen Zeiten hier wie zu Gela und Rhodos (nach
der oben aufgeſtellten Meinung) halbjaͤhrig erneuert,
aber ſie ſcheint nur aus wenigen Mitgliedern beſtanden
zu haben, da neben dem Archonten immer nur einer
oder wenige βουλεύοντες in den Schenkungsurkunden
an den Delphiſchen Tempel genannt werden 6. Wir
uͤbergehen manche Einzelheiten aus ſpaͤterer Zeit, da
es uns nur daran lag, auf jene Grundzuͤge fruͤherer
Verfaſſung aufmerkſam zu machen.
1 Bd. 2. S. 211. oben S. 135.
2 oben S. 110.
Aus der angef. Stelle ſieht man, daß auch zu Plut. Zeit noch ein
βασιλεἰς, dem Namen nach, exiſtirte.
3 oben S. 135.
4 ἐπ_ αϱισταγοϱα αϱχοντος δελφοις, αιτωλων πολεμαϱχου αλεξ-
ανδϱου. Dodwell Tour 1. S. 182. u. ſehr haͤufig ſonſt. Die
Delphiſchen Archonten Gylidas und Diodoros Ol. 47, 3. u. 49, 3.
(Hypoth. Schol. Pind. P.) moͤchte ich aber fuͤr Prytanen halten.
5 Oeſter in Inſchr. Cyriac. 196. p. 27. Murat. p. 589.
6 S.
mehrere zuſammen bei Chandler 2, p. 83. 150 ff. und ſonſt oͤſter.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/188>, abgerufen am 16.02.2025.
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