dern Gesetzgebungen Griechenlands zum Grunde lag. Der Chalkedonier Phalkes hatte es an die Spitze sei- ner Gesetzgebung gestellt 1. Daß Solon ein Maaß vorschrieb, über welches hinaus kein Bürger Land er- werben dürfte, scheint ein Rest ehemaliger Gleichheit der Kleren des Adels 2. Wo aber Gleichheit nicht mehr hergestellt oder eingeführt werden konnte, dran- gen die Gesetzgeber doch auf Unveräußerlichkeit des Grundbesitzes. Darum durfte in Elis Niemand ein Grundstück verpfänden 3, und bei den Lokrern nicht ohne Beweis unverschuldeter Noth veräußern 4; von der Unveräußerlichkeit der Kleren auf Leukas ist oben schon gesprochen 5. Der uralte Korinthische Gesetzge- ber Pheidon ließ zwar die verschiedene Größe der Grundstücke bestehn, aber wollte bewirken, daß ebenso der Umfang derselben, wie die Zahl der Grundbesitzer, die allein Bürger waren, stets dieselbe bliebe 6. Phi- lolaos aber, der Korinthische Bakchiade, den Theben gegen Ol. 13. als Gesetzgeber anerkannte 7, war noch weiter gegangen, indem er nicht blos dieselbe Anzahl von Kleren durch Gesetze über Kinderzeugung und Adoption beständig zu erhalten 8, sondern auch von Zeit zu Zeit, vielleicht auf eine dem Hebräischen Halljahre ähnliche Weise, die ursprüngliche Gleichheit wieder her- zustellen suchte 9. Am einfachsten bewerkstelligten dies in der That die Illyrischen Dalmater, welche alle sie- ben Jahre das Ackerland neu theilten 10. -- Wenn die Dorische Gesetzgebung von Kreta ursprünglich
1 Arist. 2, 4, 1.
2 2, 4, 4.
3 6, 2, 5.
4 2, 4, 4.
5 S. 155.
6 Arist. 2, 3, 7.
7 Orchom. S. 407. 408., wo aber Arist. Rhet. 2, 23. falsch angewandt (die St. geht auf Epaminondas).
8 Arist. 2, 9, 7.
9 Arist. 2, 9, 8., wo anomalosis eine neue Gleichmachung zu bedeuten scheint, wie anadasmos eine neue Vertheilung.
10 Str. 7, 315.
dern Geſetzgebungen Griechenlands zum Grunde lag. Der Chalkedonier Phalkes hatte es an die Spitze ſei- ner Geſetzgebung geſtellt 1. Daß Solon ein Maaß vorſchrieb, uͤber welches hinaus kein Buͤrger Land er- werben duͤrfte, ſcheint ein Reſt ehemaliger Gleichheit der Kleren des Adels 2. Wo aber Gleichheit nicht mehr hergeſtellt oder eingefuͤhrt werden konnte, dran- gen die Geſetzgeber doch auf Unveraͤußerlichkeit des Grundbeſitzes. Darum durfte in Elis Niemand ein Grundſtuͤck verpfaͤnden 3, und bei den Lokrern nicht ohne Beweis unverſchuldeter Noth veraͤußern 4; von der Unveraͤußerlichkeit der Kleren auf Leukas iſt oben ſchon geſprochen 5. Der uralte Korinthiſche Geſetzge- ber Pheidon ließ zwar die verſchiedene Groͤße der Grundſtuͤcke beſtehn, aber wollte bewirken, daß ebenſo der Umfang derſelben, wie die Zahl der Grundbeſitzer, die allein Buͤrger waren, ſtets dieſelbe bliebe 6. Phi- lolaos aber, der Korinthiſche Bakchiade, den Theben gegen Ol. 13. als Geſetzgeber anerkannte 7, war noch weiter gegangen, indem er nicht blos dieſelbe Anzahl von Kleren durch Geſetze uͤber Kinderzeugung und Adoption beſtaͤndig zu erhalten 8, ſondern auch von Zeit zu Zeit, vielleicht auf eine dem Hebraͤiſchen Halljahre aͤhnliche Weiſe, die urſpruͤngliche Gleichheit wieder her- zuſtellen ſuchte 9. Am einfachſten bewerkſtelligten dies in der That die Illyriſchen Dalmater, welche alle ſie- ben Jahre das Ackerland neu theilten 10. — Wenn die Doriſche Geſetzgebung von Kreta urſpruͤnglich
1 Ariſt. 2, 4, 1.
2 2, 4, 4.
3 6, 2, 5.
4 2, 4, 4.
5 S. 155.
6 Ariſt. 2, 3, 7.
7 Orchom. S. 407. 408., wo aber Ariſt. Rhet. 2, 23. falſch angewandt (die St. geht auf Epaminondas).
8 Ariſt. 2, 9, 7.
9 Ariſt. 2, 9, 8., wo ἀνομάλωσις eine neue Gleichmachung zu bedeuten ſcheint, wie ἀναδασμὸς eine neue Vertheilung.
10 Str. 7, 315.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0206"n="200"/>
dern Geſetzgebungen Griechenlands zum Grunde lag.<lb/>
Der Chalkedonier Phalkes hatte es an die Spitze ſei-<lb/>
ner Geſetzgebung geſtellt <noteplace="foot"n="1">Ariſt. 2, 4, 1.</note>. Daß Solon ein Maaß<lb/>
vorſchrieb, uͤber welches hinaus kein Buͤrger Land er-<lb/>
werben duͤrfte, ſcheint ein Reſt ehemaliger Gleichheit<lb/>
der Kleren des Adels <noteplace="foot"n="2">2, 4, 4.</note>. Wo aber Gleichheit nicht<lb/>
mehr hergeſtellt oder eingefuͤhrt werden konnte, dran-<lb/>
gen die Geſetzgeber doch auf Unveraͤußerlichkeit des<lb/>
Grundbeſitzes. Darum durfte in Elis Niemand ein<lb/>
Grundſtuͤck verpfaͤnden <noteplace="foot"n="3">6, 2, 5.</note>, und bei den Lokrern nicht<lb/>
ohne Beweis unverſchuldeter Noth veraͤußern <noteplace="foot"n="4">2,<lb/>
4, 4.</note>; von<lb/>
der Unveraͤußerlichkeit der Kleren auf Leukas iſt oben<lb/>ſchon geſprochen <noteplace="foot"n="5">S. 155.</note>. Der uralte Korinthiſche Geſetzge-<lb/>
ber Pheidon ließ zwar die verſchiedene Groͤße der<lb/>
Grundſtuͤcke beſtehn, aber wollte bewirken, daß ebenſo<lb/>
der Umfang derſelben, wie die Zahl der Grundbeſitzer,<lb/>
die allein Buͤrger waren, ſtets dieſelbe bliebe <noteplace="foot"n="6">Ariſt. 2, 3, 7.</note>. Phi-<lb/>
lolaos aber, der Korinthiſche Bakchiade, den Theben<lb/>
gegen Ol. 13. als Geſetzgeber anerkannte <noteplace="foot"n="7">Orchom.<lb/>
S. 407. 408., wo aber Ariſt. Rhet. 2, 23. falſch angewandt (die<lb/>
St. geht auf Epaminondas).</note>, war noch<lb/>
weiter gegangen, indem er nicht blos dieſelbe Anzahl<lb/>
von Kleren durch Geſetze uͤber Kinderzeugung und<lb/>
Adoption beſtaͤndig zu erhalten <noteplace="foot"n="8">Ariſt. 2, 9, 7.</note>, ſondern auch von Zeit<lb/>
zu Zeit, vielleicht auf eine dem Hebraͤiſchen Halljahre<lb/>
aͤhnliche Weiſe, die urſpruͤngliche Gleichheit wieder her-<lb/>
zuſtellen ſuchte <noteplace="foot"n="9">Ariſt.<lb/>
2, 9, 8., wo ἀνομάλωσις eine neue Gleichmachung zu bedeuten<lb/>ſcheint, wie ἀναδασμὸς eine neue Vertheilung.</note>. Am einfachſten bewerkſtelligten dies<lb/>
in der That die Illyriſchen Dalmater, welche alle ſie-<lb/>
ben Jahre das Ackerland neu theilten <noteplace="foot"n="10">Str. 7, 315.</note>. — Wenn<lb/>
die Doriſche Geſetzgebung von <hirendition="#g">Kreta</hi> urſpruͤnglich<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[200/0206]
dern Geſetzgebungen Griechenlands zum Grunde lag.
Der Chalkedonier Phalkes hatte es an die Spitze ſei-
ner Geſetzgebung geſtellt 1. Daß Solon ein Maaß
vorſchrieb, uͤber welches hinaus kein Buͤrger Land er-
werben duͤrfte, ſcheint ein Reſt ehemaliger Gleichheit
der Kleren des Adels 2. Wo aber Gleichheit nicht
mehr hergeſtellt oder eingefuͤhrt werden konnte, dran-
gen die Geſetzgeber doch auf Unveraͤußerlichkeit des
Grundbeſitzes. Darum durfte in Elis Niemand ein
Grundſtuͤck verpfaͤnden 3, und bei den Lokrern nicht
ohne Beweis unverſchuldeter Noth veraͤußern 4; von
der Unveraͤußerlichkeit der Kleren auf Leukas iſt oben
ſchon geſprochen 5. Der uralte Korinthiſche Geſetzge-
ber Pheidon ließ zwar die verſchiedene Groͤße der
Grundſtuͤcke beſtehn, aber wollte bewirken, daß ebenſo
der Umfang derſelben, wie die Zahl der Grundbeſitzer,
die allein Buͤrger waren, ſtets dieſelbe bliebe 6. Phi-
lolaos aber, der Korinthiſche Bakchiade, den Theben
gegen Ol. 13. als Geſetzgeber anerkannte 7, war noch
weiter gegangen, indem er nicht blos dieſelbe Anzahl
von Kleren durch Geſetze uͤber Kinderzeugung und
Adoption beſtaͤndig zu erhalten 8, ſondern auch von Zeit
zu Zeit, vielleicht auf eine dem Hebraͤiſchen Halljahre
aͤhnliche Weiſe, die urſpruͤngliche Gleichheit wieder her-
zuſtellen ſuchte 9. Am einfachſten bewerkſtelligten dies
in der That die Illyriſchen Dalmater, welche alle ſie-
ben Jahre das Ackerland neu theilten 10. — Wenn
die Doriſche Geſetzgebung von Kreta urſpruͤnglich
1 Ariſt. 2, 4, 1.
2 2, 4, 4.
3 6, 2, 5.
4 2,
4, 4.
5 S. 155.
6 Ariſt. 2, 3, 7.
7 Orchom.
S. 407. 408., wo aber Ariſt. Rhet. 2, 23. falſch angewandt (die
St. geht auf Epaminondas).
8 Ariſt. 2, 9, 7.
9 Ariſt.
2, 9, 8., wo ἀνομάλωσις eine neue Gleichmachung zu bedeuten
ſcheint, wie ἀναδασμὸς eine neue Vertheilung.
10 Str. 7, 315.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/206>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.