halb Lakonien zu machen hatten; sie konnten es nicht anders als von den Magistraten oder dem Könige be- kommen 1; eine Maaßregel, die das Reisen selbst er- staunend erschweren mußte.
11.
Daß aber auch hierin die alte Strenge der Sitten mehr und mehr von dem Wandel der Zeit er- schüttert und unterhöhlt wurde, ist bekannt. Schon im dritten Geschlecht vor dem Persischen Kriege versuchte es den gerechten Glaukos, die bei ihm niedergelegten Schätze eines Milesiers für sich zu behalten. Der Perserkrieg erhöhte indeß nur den Staatsreichthum, und auch die Persischen Subsidien sollten nur öffentli- chem Bedürfnisse abhelfen. Als endlich Lysandros viele Millionen nach Sparta führte, und diese Stadt die reichste Griechenlands wurde 2: sollte das Leben der Bürger nach wie vor dieselbe stolze Arwuth behalten. Aber wie konnte der Einzelne verschmähen, was der Staat so hoch achtete, und wie mochte der Einzelne nicht sein Ansehn darauf zu gründen suchen, worauf fast schon die Macht des Ganzen beruhte? Lysandros selbst, ein Mann, bei aller Verschlagenheit des Cha- rakters, von heroischer Kraft der Seele, verschmähte noch sich selbst zu bereichern 3; ein glaubwürdiger Zeu- ge 4 berichtet zwar, daß er zu Delphi ein Talent, 52 Minen Silbers und dazu 11 Stateren niedergelegt habe, vermuthlich um sie außer Landes zu brauchen: aber wie sehr wenig ist dies gegen die Erwerbungen Anderer in ähnlichen Lagen. Es scheint aber damals
1 Herod. 6, 70. kai epodia labon eporeueto es Elin.
2 was der Platon. Alkib. I. (vgl. Hippias mai. 283 d.) schon von frühern Zeiten sagt. vgl. Bitse sur la richesse de Spar- te, Memoires de Berlin T. 12. p. 559. Manso 2. S. 372. Böckh 1. S. 32.
3 Vergl. oben S. 196, 5.
4 Anaxandridas (peri ton en Delphois sulethenton khrematon) bei Plut. Lys. 18.
halb Lakonien zu machen hatten; ſie konnten es nicht anders als von den Magiſtraten oder dem Koͤnige be- kommen 1; eine Maaßregel, die das Reiſen ſelbſt er- ſtaunend erſchweren mußte.
11.
Daß aber auch hierin die alte Strenge der Sitten mehr und mehr von dem Wandel der Zeit er- ſchuͤttert und unterhoͤhlt wurde, iſt bekannt. Schon im dritten Geſchlecht vor dem Perſiſchen Kriege verſuchte es den gerechten Glaukos, die bei ihm niedergelegten Schaͤtze eines Mileſiers fuͤr ſich zu behalten. Der Perſerkrieg erhoͤhte indeß nur den Staatsreichthum, und auch die Perſiſchen Subſidien ſollten nur oͤffentli- chem Beduͤrfniſſe abhelfen. Als endlich Lyſandros viele Millionen nach Sparta fuͤhrte, und dieſe Stadt die reichſte Griechenlands wurde 2: ſollte das Leben der Buͤrger nach wie vor dieſelbe ſtolze Arwuth behalten. Aber wie konnte der Einzelne verſchmaͤhen, was der Staat ſo hoch achtete, und wie mochte der Einzelne nicht ſein Anſehn darauf zu gruͤnden ſuchen, worauf faſt ſchon die Macht des Ganzen beruhte? Lyſandros ſelbſt, ein Mann, bei aller Verſchlagenheit des Cha- rakters, von heroiſcher Kraft der Seele, verſchmaͤhte noch ſich ſelbſt zu bereichern 3; ein glaubwuͤrdiger Zeu- ge 4 berichtet zwar, daß er zu Delphi ein Talent, 52 Minen Silbers und dazu 11 Stateren niedergelegt habe, vermuthlich um ſie außer Landes zu brauchen: aber wie ſehr wenig iſt dies gegen die Erwerbungen Anderer in aͤhnlichen Lagen. Es ſcheint aber damals
2 was der Platon. Alkib. I. (vgl. Hippias mai. 283 d.) ſchon von fruͤhern Zeiten ſagt. vgl. Bitsé sur la richesse de Spar- te, Memoires de Berlin T. 12. p. 559. Manſo 2. S. 372. Boͤckh 1. S. 32.
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anders als von den Magiſtraten oder dem Koͤnige be-
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ſtaunend erſchweren mußte.
11.
Daß aber auch hierin die alte Strenge der
Sitten mehr und mehr von dem Wandel der Zeit er-
ſchuͤttert und unterhoͤhlt wurde, iſt bekannt. Schon im
dritten Geſchlecht vor dem Perſiſchen Kriege verſuchte
es den gerechten Glaukos, die bei ihm niedergelegten
Schaͤtze eines Mileſiers fuͤr ſich zu behalten. Der
Perſerkrieg erhoͤhte indeß nur den Staatsreichthum,
und auch die Perſiſchen Subſidien ſollten nur oͤffentli-
chem Beduͤrfniſſe abhelfen. Als endlich Lyſandros viele
Millionen nach Sparta fuͤhrte, und dieſe Stadt die
reichſte Griechenlands wurde 2: ſollte das Leben der
Buͤrger nach wie vor dieſelbe ſtolze Arwuth behalten.
Aber wie konnte der Einzelne verſchmaͤhen, was der
Staat ſo hoch achtete, und wie mochte der Einzelne
nicht ſein Anſehn darauf zu gruͤnden ſuchen, worauf
faſt ſchon die Macht des Ganzen beruhte? Lyſandros
ſelbſt, ein Mann, bei aller Verſchlagenheit des Cha-
rakters, von heroiſcher Kraft der Seele, verſchmaͤhte
noch ſich ſelbſt zu bereichern 3; ein glaubwuͤrdiger Zeu-
ge 4 berichtet zwar, daß er zu Delphi ein Talent, 52
Minen Silbers und dazu 11 Stateren niedergelegt
habe, vermuthlich um ſie außer Landes zu brauchen:
aber wie ſehr wenig iſt dies gegen die Erwerbungen
Anderer in aͤhnlichen Lagen. Es ſcheint aber damals
1 Herod. 6, 70. καὶ ἐπόδια λαβὼν ἐποϱεύετο ἐς Ἠλιν.
2 was der Platon. Alkib. I. (vgl. Hippias mai. 283 d.) ſchon
von fruͤhern Zeiten ſagt. vgl. Bitsé sur la richesse de Spar-
te, Memoires de Berlin T. 12. p. 559. Manſo 2. S. 372.
Boͤckh 1. S. 32.
3 Vergl. oben S. 196, 5.
4 Anaxandridas
(πεϱὶ τῶν ἐν Δελφοῖς συληϑἐντων χϱημάτων) bei Plut. Lyſ. 18.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/216>, abgerufen am 24.11.2024.
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