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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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schaft in den bestimmteren Zügen damit wenig Ver-
wandtschaft zeigt, obgleich in der Waffenbrüderschaft
älterer und jüngerer Heroen bei fernen Abentheuern 1
die Anfänge davon gegeben sein mochten 2. Zuerst hat
man wohl dem Herakles, als dem Dorischen Helden,
solche Lieblinge, wie Theiomenes, Elakatos, Hylas, bei-
gegeben, zum Theil schon in sehr früher Zeit 3. --
Es konnte aber diese Verbindung ihre völlige Bedeu-
tung nur im Dorischen Staate haben, wo die Bildung
der Jugend zum großen Theil der Familie entzogen,
und einem weiteren Kreise und einer mannigfaltigeren
Berührung hingegeben ist: hier war sie im gesammten
Leben so tief gewurzelt, daß sie auch auf das weibliche
Geschlecht überging. Denn auch edle und wohlerzogne
Frauen liebten Jungfrauen 4, wobei kein gesunder
Sinn an Hetäristrien denken wird: im Gegentheil hat
Welcker diese Nachricht für die Würdigung des Ver-

1 Waffenbrüder heißen Akhilleioi philoi in dem schönen
Bruchstück Aeolischer Lyrik (Theokr. 28, 34.) vgl. Arrian Peripl.
Pont. p. 23.
2 Nach Meiners, Ramdohr Venus Urania 3,
1. S. 138., Welcker S. 45.
3 S. oben Bd. 2. S. 451.
vgl. Beil. 2. unter Kinäthon. In der Böot. Sage wurde auch
Jolaos, sein parastates, so gedacht, da die Liebenden sich auf des-
sen Grabe zu Theben ihre Liebe versicherten, Aristot. bei Plut. Pe-
lop. 18. Aber die andern Beispiele (bei Phanokles, Platon im
Symp. und Lukians Eroten) gehören entweder gar nicht hieher,
wie Orests und Theseus Freundschaften, oder sind deutlich Erfin-
dungen erotischer Lyriker, wie Minos und Talos Liebe des Ibykos,
oder Späterer. Nur Chrysipps Raub, durch Laios, kam schon bei
Pisander vor; von Argynnos vgl. Orchom. S. 215. Von Ga-
nymed will ich nicht absprechen, aber die Hineintragung desselben in
die Kretischen Mythen (Platon Ges. 1, 636 c. Echemenes bei
Ath. 601 e.) ist offenbar künstlich.
4 Plut. Lyk. 18.

ſchaft in den beſtimmteren Zuͤgen damit wenig Ver-
wandtſchaft zeigt, obgleich in der Waffenbruͤderſchaft
aͤlterer und juͤngerer Heroen bei fernen Abentheuern 1
die Anfaͤnge davon gegeben ſein mochten 2. Zuerſt hat
man wohl dem Herakles, als dem Doriſchen Helden,
ſolche Lieblinge, wie Theiomenes, Elakatos, Hylas, bei-
gegeben, zum Theil ſchon in ſehr fruͤher Zeit 3. —
Es konnte aber dieſe Verbindung ihre voͤllige Bedeu-
tung nur im Doriſchen Staate haben, wo die Bildung
der Jugend zum großen Theil der Familie entzogen,
und einem weiteren Kreiſe und einer mannigfaltigeren
Beruͤhrung hingegeben iſt: hier war ſie im geſammten
Leben ſo tief gewurzelt, daß ſie auch auf das weibliche
Geſchlecht uͤberging. Denn auch edle und wohlerzogne
Frauen liebten Jungfrauen 4, wobei kein geſunder
Sinn an Hetaͤriſtrien denken wird: im Gegentheil hat
Welcker dieſe Nachricht fuͤr die Wuͤrdigung des Ver-

1 Waffenbruͤder heißen Ἁχιλλήιοι φίλοι in dem ſchoͤnen
Bruchſtuͤck Aeoliſcher Lyrik (Theokr. 28, 34.) vgl. Arrian Peripl.
Pont. p. 23.
2 Nach Meiners, Ramdohr Venus Urania 3,
1. S. 138., Welcker S. 45.
3 S. oben Bd. 2. S. 451.
vgl. Beil. 2. unter Kinaͤthon. In der Boͤot. Sage wurde auch
Jolaos, ſein παϱαστάτης, ſo gedacht, da die Liebenden ſich auf deſ-
ſen Grabe zu Theben ihre Liebe verſicherten, Ariſtot. bei Plut. Pe-
lop. 18. Aber die andern Beiſpiele (bei Phanokles, Platon im
Symp. und Lukians Eroten) gehoͤren entweder gar nicht hieher,
wie Oreſts und Theſeus Freundſchaften, oder ſind deutlich Erfin-
dungen erotiſcher Lyriker, wie Minos und Talos Liebe des Ibykos,
oder Spaͤterer. Nur Chryſipps Raub, durch Laios, kam ſchon bei
Piſander vor; von Argynnos vgl. Orchom. S. 215. Von Ga-
nymed will ich nicht abſprechen, aber die Hineintragung deſſelben in
die Kretiſchen Mythen (Platon Geſ. 1, 636 c. Echemenes bei
Ath. 601 e.) iſt offenbar kuͤnſtlich.
4 Plut. Lyk. 18.
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[297/0303] ſchaft in den beſtimmteren Zuͤgen damit wenig Ver- wandtſchaft zeigt, obgleich in der Waffenbruͤderſchaft aͤlterer und juͤngerer Heroen bei fernen Abentheuern 1 die Anfaͤnge davon gegeben ſein mochten 2. Zuerſt hat man wohl dem Herakles, als dem Doriſchen Helden, ſolche Lieblinge, wie Theiomenes, Elakatos, Hylas, bei- gegeben, zum Theil ſchon in ſehr fruͤher Zeit 3. — Es konnte aber dieſe Verbindung ihre voͤllige Bedeu- tung nur im Doriſchen Staate haben, wo die Bildung der Jugend zum großen Theil der Familie entzogen, und einem weiteren Kreiſe und einer mannigfaltigeren Beruͤhrung hingegeben iſt: hier war ſie im geſammten Leben ſo tief gewurzelt, daß ſie auch auf das weibliche Geſchlecht uͤberging. Denn auch edle und wohlerzogne Frauen liebten Jungfrauen 4, wobei kein geſunder Sinn an Hetaͤriſtrien denken wird: im Gegentheil hat Welcker dieſe Nachricht fuͤr die Wuͤrdigung des Ver- 1 Waffenbruͤder heißen Ἁχιλλήιοι φίλοι in dem ſchoͤnen Bruchſtuͤck Aeoliſcher Lyrik (Theokr. 28, 34.) vgl. Arrian Peripl. Pont. p. 23. 2 Nach Meiners, Ramdohr Venus Urania 3, 1. S. 138., Welcker S. 45. 3 S. oben Bd. 2. S. 451. vgl. Beil. 2. unter Kinaͤthon. In der Boͤot. Sage wurde auch Jolaos, ſein παϱαστάτης, ſo gedacht, da die Liebenden ſich auf deſ- ſen Grabe zu Theben ihre Liebe verſicherten, Ariſtot. bei Plut. Pe- lop. 18. Aber die andern Beiſpiele (bei Phanokles, Platon im Symp. und Lukians Eroten) gehoͤren entweder gar nicht hieher, wie Oreſts und Theſeus Freundſchaften, oder ſind deutlich Erfin- dungen erotiſcher Lyriker, wie Minos und Talos Liebe des Ibykos, oder Spaͤterer. Nur Chryſipps Raub, durch Laios, kam ſchon bei Piſander vor; von Argynnos vgl. Orchom. S. 215. Von Ga- nymed will ich nicht abſprechen, aber die Hineintragung deſſelben in die Kretiſchen Mythen (Platon Geſ. 1, 636 c. Echemenes bei Ath. 601 e.) iſt offenbar kuͤnſtlich. 4 Plut. Lyk. 18.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/303>, abgerufen am 24.11.2024.