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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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reichte. Zu der Zeit waren in der That die Lesbischen
Musiker die angesehensten Griechenlands, sie überglänz-
ten im Peloponnes, in Lakedämon selbst, die einheimi-
schen weit: so daß, wenn damals die Tonart nicht
schon in der Halbinsel allgemein gewesen wäre, sie
auch nicht die Dorische hätte genannt werden können.
Nun kann doch aber auf der andern Seite die Ent-
gegenstellung der Dorischen mit der Phrygischen und
Lydischen Tonart, so wie das bestimmte und systemati-
sche Verhältniß dieser drei, sich weder von selbst auf
dem Wege rein volksmäßiger Entwickelung, noch auch
im Griechischen Mutterlande gebildet haben, in wel-
chem man keine Veranlassung und Gelegenheit hatte,
die eigenthümlichen Tonweisen jener Völkerschaften
Asiens kennen zu lernen 1, und dieselben mit der ein-
heimischen zu vergleichen und in ein System zu brin-
gen. Mit dieser Entgegenstellung konnte aber auch
erst der Name der "Dorischen" Tonart aufkommen,
und auch dies schwerlich unter den Doriern oder Pelo-
ponnesiern selbst, die ja nur die eine hatten und
kannten, sondern zuerst im Auslande. Und dann bie-
tet sich als sehr natürlich und befriedigend die An-
nahme dar, daß eben jene Lesbischen Musiker es wa-
ren, die, mit dem Peloponnes und Kleinasien in glei-
cher Verbindung stehend, die Namen und das Ver-
hältniß der drei Tonarten festsetzten, indem sie auf
das im Peloponnes gebräuchliche, auf eine bestimmte
Weise gespannte Tetrachord die Sang- und Spielwei-
sen Asiens übertrugen, und damit in eine systematische
Beziehung brachten.


1 So sagt Pind. bei Ath. 14, 635. Frgm. Scol. 5 Bh.
daß Terpandros bei Lydischen Gastmalen zuerst den Saitenklang der
hohen Pektis entgegen tönen hörte.

reichte. Zu der Zeit waren in der That die Lesbiſchen
Muſiker die angeſehenſten Griechenlands, ſie uͤberglaͤnz-
ten im Peloponnes, in Lakedaͤmon ſelbſt, die einheimi-
ſchen weit: ſo daß, wenn damals die Tonart nicht
ſchon in der Halbinſel allgemein geweſen waͤre, ſie
auch nicht die Doriſche haͤtte genannt werden koͤnnen.
Nun kann doch aber auf der andern Seite die Ent-
gegenſtellung der Doriſchen mit der Phrygiſchen und
Lydiſchen Tonart, ſo wie das beſtimmte und ſyſtemati-
ſche Verhaͤltniß dieſer drei, ſich weder von ſelbſt auf
dem Wege rein volksmaͤßiger Entwickelung, noch auch
im Griechiſchen Mutterlande gebildet haben, in wel-
chem man keine Veranlaſſung und Gelegenheit hatte,
die eigenthuͤmlichen Tonweiſen jener Voͤlkerſchaften
Aſiens kennen zu lernen 1, und dieſelben mit der ein-
heimiſchen zu vergleichen und in ein Syſtem zu brin-
gen. Mit dieſer Entgegenſtellung konnte aber auch
erſt der Name der „Doriſchen“ Tonart aufkommen,
und auch dies ſchwerlich unter den Doriern oder Pelo-
ponneſiern ſelbſt, die ja nur die eine hatten und
kannten, ſondern zuerſt im Auslande. Und dann bie-
tet ſich als ſehr natuͤrlich und befriedigend die An-
nahme dar, daß eben jene Lesbiſchen Muſiker es wa-
ren, die, mit dem Peloponnes und Kleinaſien in glei-
cher Verbindung ſtehend, die Namen und das Ver-
haͤltniß der drei Tonarten feſtſetzten, indem ſie auf
das im Peloponnes gebraͤuchliche, auf eine beſtimmte
Weiſe geſpannte Tetrachord die Sang- und Spielwei-
ſen Aſiens uͤbertrugen, und damit in eine ſyſtematiſche
Beziehung brachten.


1 So ſagt Pind. bei Ath. 14, 635. Frgm. Scol. 5 Bh.
daß Terpandros bei Lydiſchen Gaſtmalen zuerſt den Saitenklang der
hohen Pektis entgegen toͤnen hoͤrte.
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[318/0324] reichte. Zu der Zeit waren in der That die Lesbiſchen Muſiker die angeſehenſten Griechenlands, ſie uͤberglaͤnz- ten im Peloponnes, in Lakedaͤmon ſelbſt, die einheimi- ſchen weit: ſo daß, wenn damals die Tonart nicht ſchon in der Halbinſel allgemein geweſen waͤre, ſie auch nicht die Doriſche haͤtte genannt werden koͤnnen. Nun kann doch aber auf der andern Seite die Ent- gegenſtellung der Doriſchen mit der Phrygiſchen und Lydiſchen Tonart, ſo wie das beſtimmte und ſyſtemati- ſche Verhaͤltniß dieſer drei, ſich weder von ſelbſt auf dem Wege rein volksmaͤßiger Entwickelung, noch auch im Griechiſchen Mutterlande gebildet haben, in wel- chem man keine Veranlaſſung und Gelegenheit hatte, die eigenthuͤmlichen Tonweiſen jener Voͤlkerſchaften Aſiens kennen zu lernen 1, und dieſelben mit der ein- heimiſchen zu vergleichen und in ein Syſtem zu brin- gen. Mit dieſer Entgegenſtellung konnte aber auch erſt der Name der „Doriſchen“ Tonart aufkommen, und auch dies ſchwerlich unter den Doriern oder Pelo- ponneſiern ſelbſt, die ja nur die eine hatten und kannten, ſondern zuerſt im Auslande. Und dann bie- tet ſich als ſehr natuͤrlich und befriedigend die An- nahme dar, daß eben jene Lesbiſchen Muſiker es wa- ren, die, mit dem Peloponnes und Kleinaſien in glei- cher Verbindung ſtehend, die Namen und das Ver- haͤltniß der drei Tonarten feſtſetzten, indem ſie auf das im Peloponnes gebraͤuchliche, auf eine beſtimmte Weiſe geſpannte Tetrachord die Sang- und Spielwei- ſen Aſiens uͤbertrugen, und damit in eine ſyſtematiſche Beziehung brachten. 1 So ſagt Pind. bei Ath. 14, 635. Frgm. Scol. 5 Bh. daß Terpandros bei Lydiſchen Gaſtmalen zuerſt den Saitenklang der hohen Pektis entgegen toͤnen hoͤrte.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/324>, abgerufen am 21.11.2024.