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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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che, deren Tänzer denselben Namen führt, wie der
völlig gewaffnete und in allen Wendungen gewandte
und geübte Streiter, prulis 1. Die Pyrrhiche ist
ohne Zweifel ein Erzeugniß Dorischer Nation in Kre-
ta und Sparta 2, obgleich sie dort mythisch an die
Kureten und die Gebräuche alt-idäischer Zeus-Reli-
gion 3, hier an die Dioskuren angeknüpft wird. Sie
wurde zum Flötenspiel aufgeführt 4, und hatte unge-
mein schnelle und leichte Rhythmen, wie der Name des
Pyrrhichischen Versfußes beweist. Daher Thaletas
in Kreta hyporchematische Weisen dazu machen konn-
te 5, die ebenfalls leichte Rhythmen zu haben pfleg-
ten. Außerdem läßt diese Nachricht noch schließen,
daß der Waffentanz in Kreta zugleich ein nachahmen-
des Element hatte; wie Platon von der Pyrrhiche
überhaupt sagt, daß sie alle Schutzwendungen durch
Ausbeugung von Stoß und Wurf, Zurückweichen, Auf-
springen u. Zusammenkrümmen nachahme, u. eben so die
entgegengesetzten Bewegungen angreifender Art beim
Bogenschuß und Lanzenwurf und jedes Stoßes Nach-
ahmung darstelle 6. So eingewurzelt war die Nei-
gung zu diesem Tanz in Sparta, daß, als er in an-

1 S. 250, 6. 7. wo übrigens zu erinnern: daß prulis bei
den Gortyniern den Hopliten zu Fuß bedeutete, nach Eust. Il. 12.
p. 893, 35. Favorin Ecl. p. 390. Dindorf; daß auch die Pyrrhi-
che in Kreta so hieß, kann man aber aus Kallimachos a. O. ab-
nehmen.
2 S. besonders Platon Ges. 7, 795. Aristerenos
bei Ath. 630 e. Str. 10, 467. Nikol. Damase. Kretes. L[ - 1 Zeichen fehlt][ - 1 Zeichen fehlt]an
a. O. 8. Schol. Pind. a. O. Hesych puRRikhizein. Pollux 4, 14,
99. leitet von Kreta zwei enoploi orkheseis, die Pyrrhiche und
den Telesias ab, vgl. Ath. 630 a.; und nach Ath. 14, 629 c. gab
es daselbst auch die verwandten Gattungen orsites und epikre-
dios.
3 Vgl. Hoeck Kreta 1. S. 212.
4 Oben S. 336,
1.
5 Schol. Pind. a. O.
6 Ges. 7, 815.
III. 22

che, deren Taͤnzer denſelben Namen fuͤhrt, wie der
voͤllig gewaffnete und in allen Wendungen gewandte
und geuͤbte Streiter, πρύλις 1. Die Pyrrhiche iſt
ohne Zweifel ein Erzeugniß Doriſcher Nation in Kre-
ta und Sparta 2, obgleich ſie dort mythiſch an die
Kureten und die Gebraͤuche alt-idaͤiſcher Zeus-Reli-
gion 3, hier an die Dioskuren angeknuͤpft wird. Sie
wurde zum Floͤtenſpiel aufgefuͤhrt 4, und hatte unge-
mein ſchnelle und leichte Rhythmen, wie der Name des
Pyrrhichiſchen Versfußes beweist. Daher Thaletas
in Kreta hyporchematiſche Weiſen dazu machen konn-
te 5, die ebenfalls leichte Rhythmen zu haben pfleg-
ten. Außerdem laͤßt dieſe Nachricht noch ſchließen,
daß der Waffentanz in Kreta zugleich ein nachahmen-
des Element hatte; wie Platon von der Pyrrhiche
uͤberhaupt ſagt, daß ſie alle Schutzwendungen durch
Ausbeugung von Stoß und Wurf, Zuruͤckweichen, Auf-
ſpringen u. Zuſammenkruͤmmen nachahme, u. eben ſo die
entgegengeſetzten Bewegungen angreifender Art beim
Bogenſchuß und Lanzenwurf und jedes Stoßes Nach-
ahmung darſtelle 6. So eingewurzelt war die Nei-
gung zu dieſem Tanz in Sparta, daß, als er in an-

1 S. 250, 6. 7. wo uͤbrigens zu erinnern: daß πϱύλις bei
den Gortyniern den Hopliten zu Fuß bedeutete, nach Euſt. Il. 12.
p. 893, 35. Favorin Ecl. p. 390. Dindorf; daß auch die Pyrrhi-
che in Kreta ſo hieß, kann man aber aus Kallimachos a. O. ab-
nehmen.
2 S. beſonders Platon Geſ. 7, 795. Ariſterenos
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a. O. 8. Schol. Pind. a. O. Heſych πυῤῥιχίζειν. Pollux 4, 14,
99. leitet von Kreta zwei ἔνοπλοι ὀϱχήσεις, die Pyrrhiche und
den Teleſias ab, vgl. Ath. 630 a.; und nach Ath. 14, 629 c. gab
es daſelbſt auch die verwandten Gattungen ὀϱσίτης und ἐπικϱή-
διος.
3 Vgl. Hoeck Kreta 1. S. 212.
4 Oben S. 336,
1.
5 Schol. Pind. a. O.
6 Geſ. 7, 815.
III. 22
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[337/0343] che, deren Taͤnzer denſelben Namen fuͤhrt, wie der voͤllig gewaffnete und in allen Wendungen gewandte und geuͤbte Streiter, πρύλις 1. Die Pyrrhiche iſt ohne Zweifel ein Erzeugniß Doriſcher Nation in Kre- ta und Sparta 2, obgleich ſie dort mythiſch an die Kureten und die Gebraͤuche alt-idaͤiſcher Zeus-Reli- gion 3, hier an die Dioskuren angeknuͤpft wird. Sie wurde zum Floͤtenſpiel aufgefuͤhrt 4, und hatte unge- mein ſchnelle und leichte Rhythmen, wie der Name des Pyrrhichiſchen Versfußes beweist. Daher Thaletas in Kreta hyporchematiſche Weiſen dazu machen konn- te 5, die ebenfalls leichte Rhythmen zu haben pfleg- ten. Außerdem laͤßt dieſe Nachricht noch ſchließen, daß der Waffentanz in Kreta zugleich ein nachahmen- des Element hatte; wie Platon von der Pyrrhiche uͤberhaupt ſagt, daß ſie alle Schutzwendungen durch Ausbeugung von Stoß und Wurf, Zuruͤckweichen, Auf- ſpringen u. Zuſammenkruͤmmen nachahme, u. eben ſo die entgegengeſetzten Bewegungen angreifender Art beim Bogenſchuß und Lanzenwurf und jedes Stoßes Nach- ahmung darſtelle 6. So eingewurzelt war die Nei- gung zu dieſem Tanz in Sparta, daß, als er in an- 1 S. 250, 6. 7. wo uͤbrigens zu erinnern: daß πϱύλις bei den Gortyniern den Hopliten zu Fuß bedeutete, nach Euſt. Il. 12. p. 893, 35. Favorin Ecl. p. 390. Dindorf; daß auch die Pyrrhi- che in Kreta ſo hieß, kann man aber aus Kallimachos a. O. ab- nehmen. 2 S. beſonders Platon Geſ. 7, 795. Ariſterenos bei Ath. 630 e. Str. 10, 467. Nikol. Damaſe. Κϱῆτες. L__an a. O. 8. Schol. Pind. a. O. Heſych πυῤῥιχίζειν. Pollux 4, 14, 99. leitet von Kreta zwei ἔνοπλοι ὀϱχήσεις, die Pyrrhiche und den Teleſias ab, vgl. Ath. 630 a.; und nach Ath. 14, 629 c. gab es daſelbſt auch die verwandten Gattungen ὀϱσίτης und ἐπικϱή- διος. 3 Vgl. Hoeck Kreta 1. S. 212. 4 Oben S. 336, 1. 5 Schol. Pind. a. O. 6 Geſ. 7, 815. III. 22

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/343>, abgerufen am 21.11.2024.