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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Fall unter freiem Himmel 1. Die Zeit der regelmäßi-
gen Versammlung war jeder Vollmond 2, doch wurden
bei dringenden Angelegenheiten auch außerordentliche, oft
in kurzer Zeit mehrere hintereinander, zusammengerufen 3.
Die Hauptfrage aber ist: in welchen Dingen es der
unmittelbaren Entscheidung des Volkes nach dem Her-
kommen Sparta's bedurfte. Was erstens die genauer
bekannten äußern Verhältnisse des Staats betrifft:
so wissen wir, daß nur das gesammte Volk Krieg an-
kündigen, Frieden schließen, einen längern Waffenstill-
stand eingehen u. dgl. 4, und alle Unterhandlungen mit
fremden Staaten, obgleich geführt von den Königen
und Ephoren, doch allein ratificiren konnte: was die in-
nern
, so wurden die angesehensten Obrigkeiten, na-
mentlich die Geronten, vom Volke bestimmt 5; Strei-
tigkeiten über Thronfolge vor demselben entschieden 6;
Veränderungen an der Verfassung hier vorgelegt und
gerechtfertigt, und alle neuen Gesetze, so oft dieser
seltene Fall eintrat, nach vorhergegangener Prüfung
im Rathe hier bestätigt 7. Auch konnte in der Regel
nur das versammelte Volk Heloten in größerer Anzahl

1 Erst später in der Skias, Paus. 3, 12, 8.
2 Schol.
Thuk. 1, 67. wo übrigens eiothota nicht von der Zeit zu erklären
ist.
3 Herod. 7, 134.
4 Her. 7, 149. oi pleunes.
Thuk. 1, 67. 72. xullogos eiothos oder to plethos. 5, 77. dokei ta
ekklesia. vgl. 6, 88. Xen. Hell. 4, 6, 3. edoxe tois ephorois ka[ - 1 Zeichen fehlt] te
ekklesia, anagkaion einai strateuesthai. Vgl. 3, 2, 23. und 5,
2, 23. ephoroi kai to plethos tes poleos. Die ephoroi und ek-
kletoi hören Gesandte, 2, 4, 38. wie das plethos, Polyb. 4, 34, 7.
Feldzüge beschlossen von der ekklesia Xen. 6, 4, 2. vgl. Plut.
Ages. 6.
5 Plut. Lyk. 26. Justin. 3, 3. Aa.
6 Es
ging meist ein Rechtsstreit vorher (Herod. 6, 65. Plut. Agis 11.),
und nach dessen Ausgang faßte das Volk hernach seinen Beschluß.
Plut. vgl. Xen. Hell. 3, 3, 3. auch Polyb. 4, 35, 9.
7 Plut.
Ag. 9. (vgl. Tittmann S. 94. Anm. 25.) Lyk. 29.

Fall unter freiem Himmel 1. Die Zeit der regelmaͤßi-
gen Verſammlung war jeder Vollmond 2, doch wurden
bei dringenden Angelegenheiten auch außerordentliche, oft
in kurzer Zeit mehrere hintereinander, zuſammengerufen 3.
Die Hauptfrage aber iſt: in welchen Dingen es der
unmittelbaren Entſcheidung des Volkes nach dem Her-
kommen Sparta’s bedurfte. Was erſtens die genauer
bekannten aͤußern Verhaͤltniſſe des Staats betrifft:
ſo wiſſen wir, daß nur das geſammte Volk Krieg an-
kuͤndigen, Frieden ſchließen, einen laͤngern Waffenſtill-
ſtand eingehen u. dgl. 4, und alle Unterhandlungen mit
fremden Staaten, obgleich gefuͤhrt von den Koͤnigen
und Ephoren, doch allein ratificiren konnte: was die in-
nern
, ſo wurden die angeſehenſten Obrigkeiten, na-
mentlich die Geronten, vom Volke beſtimmt 5; Strei-
tigkeiten uͤber Thronfolge vor demſelben entſchieden 6;
Veraͤnderungen an der Verfaſſung hier vorgelegt und
gerechtfertigt, und alle neuen Geſetze, ſo oft dieſer
ſeltene Fall eintrat, nach vorhergegangener Pruͤfung
im Rathe hier beſtaͤtigt 7. Auch konnte in der Regel
nur das verſammelte Volk Heloten in groͤßerer Anzahl

1 Erſt ſpaͤter in der Skias, Pauſ. 3, 12, 8.
2 Schol.
Thuk. 1, 67. wo uͤbrigens εἰωϑότα nicht von der Zeit zu erklaͤren
iſt.
3 Herod. 7, 134.
4 Her. 7, 149. οἱ πλεῦνες.
Thuk. 1, 67. 72. ξύλλογος εἰωϑὼς oder τὸ πλῆϑος. 5, 77. δοκεῖ τᾷ
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2, 23. ἔφοϱοι καὶ τὸ πλῆϑος τῆς πόλεως. Die ἔφοϱοι und ἔκ-
κλητοι hoͤren Geſandte, 2, 4, 38. wie das πλῆϑος, Polyb. 4, 34, 7.
Feldzuͤge beſchloſſen von der ἐκκλησία Xen. 6, 4, 2. vgl. Plut.
Ageſ. 6.
5 Plut. Lyk. 26. Juſtin. 3, 3. Aa.
6 Es
ging meiſt ein Rechtsſtreit vorher (Herod. 6, 65. Plut. Agis 11.),
und nach deſſen Ausgang faßte das Volk hernach ſeinen Beſchluß.
Plut. vgl. Xen. Hell. 3, 3, 3. auch Polyb. 4, 35, 9.
7 Plut.
Ag. 9. (vgl. Tittmann S. 94. Anm. 25.) Lyk. 29.
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[88/0094] Fall unter freiem Himmel 1. Die Zeit der regelmaͤßi- gen Verſammlung war jeder Vollmond 2, doch wurden bei dringenden Angelegenheiten auch außerordentliche, oft in kurzer Zeit mehrere hintereinander, zuſammengerufen 3. Die Hauptfrage aber iſt: in welchen Dingen es der unmittelbaren Entſcheidung des Volkes nach dem Her- kommen Sparta’s bedurfte. Was erſtens die genauer bekannten aͤußern Verhaͤltniſſe des Staats betrifft: ſo wiſſen wir, daß nur das geſammte Volk Krieg an- kuͤndigen, Frieden ſchließen, einen laͤngern Waffenſtill- ſtand eingehen u. dgl. 4, und alle Unterhandlungen mit fremden Staaten, obgleich gefuͤhrt von den Koͤnigen und Ephoren, doch allein ratificiren konnte: was die in- nern, ſo wurden die angeſehenſten Obrigkeiten, na- mentlich die Geronten, vom Volke beſtimmt 5; Strei- tigkeiten uͤber Thronfolge vor demſelben entſchieden 6; Veraͤnderungen an der Verfaſſung hier vorgelegt und gerechtfertigt, und alle neuen Geſetze, ſo oft dieſer ſeltene Fall eintrat, nach vorhergegangener Pruͤfung im Rathe hier beſtaͤtigt 7. Auch konnte in der Regel nur das verſammelte Volk Heloten in groͤßerer Anzahl 1 Erſt ſpaͤter in der Skias, Pauſ. 3, 12, 8. 2 Schol. Thuk. 1, 67. wo uͤbrigens εἰωϑότα nicht von der Zeit zu erklaͤren iſt. 3 Herod. 7, 134. 4 Her. 7, 149. οἱ πλεῦνες. Thuk. 1, 67. 72. ξύλλογος εἰωϑὼς oder τὸ πλῆϑος. 5, 77. δοκεῖ τᾷ ἔκκλησἰᾳ. vgl. 6, 88. Xen. Hell. 4, 6, 3. ἔδοξε τοῖς ἐφόϱοις κα_ τῇ ἐκκλησἰᾳ, ἀναγκαῖον εἱναι στϱατεύεσϑαι. Vgl. 3, 2, 23. und 5, 2, 23. ἔφοϱοι καὶ τὸ πλῆϑος τῆς πόλεως. Die ἔφοϱοι und ἔκ- κλητοι hoͤren Geſandte, 2, 4, 38. wie das πλῆϑος, Polyb. 4, 34, 7. Feldzuͤge beſchloſſen von der ἐκκλησία Xen. 6, 4, 2. vgl. Plut. Ageſ. 6. 5 Plut. Lyk. 26. Juſtin. 3, 3. Aa. 6 Es ging meiſt ein Rechtsſtreit vorher (Herod. 6, 65. Plut. Agis 11.), und nach deſſen Ausgang faßte das Volk hernach ſeinen Beſchluß. Plut. vgl. Xen. Hell. 3, 3, 3. auch Polyb. 4, 35, 9. 7 Plut. Ag. 9. (vgl. Tittmann S. 94. Anm. 25.) Lyk. 29.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/94>, abgerufen am 21.11.2024.