und von dem großartigen und gewaltigen Sinne der Perikleischen Zeit durchdrungen, durch Phidias denselben 2Gipfelpunkt. Jedoch sind, dem Charakter der ältern Hellenen gemäß, noch immer ruhige Würde und eine lei- denschaftslose Stille der Seele das Gepräge der bewun- 3derten Hauptwerke der Zeit. Der Geist der Athenischen Kunst macht sich schnell in Griechenland herrschend: ob- gleich auch im Peloponnes, namentlich unter den demo- kratischen und industriösen Argivern, die Kunst in großer Vollkommenheit geübt wird.
3. Athenische Künstler arbeiten gegen Ol. 83 (de Phidia i, 14) für den Delphischen Tempel, und die Phidiassische Schule schmückt um Ol. 86. Olympia und Elis mit Bildwerken. -- Ue- ber Argos Zustand des Verf. Dorier ii, S. 143.
1103. Der Peloponnesische Krieg, von Olymp. 87, 1 ex. bis 93, 4., vernichtet erstens Athens Reichthum durch die das Maaß der Einkünfte überwiegenden Kriegs- 2kosten, und zerreißt zugleich das Band der Athenischen Künstlerschule mit den Peloponnesischen und andern. Tie- 3fer greift die innre Veränderung, welche nicht ohne bedeu- tende Mitwirkung der großen Seuche (Ol. 87, 3), welche das mannhafte Geschlecht der alten Athener hinwegraffte und ein schlechteres zurückließ, im Peloponnesischen Kriege 4eintrat. Sinnlichkeit und Leidenschaftlichkeit auf der einen, eine sophistische und geschwätzige Verstandesbildung auf der andern Seite treten an die Stelle der festen und durch sichre Gefühle geleiteten Denkweise früherer Zeiten; das Griechische Volk ist gleichsam aus dem Mittelpunkte der alten National-Grundsätze herausgeworfen; und, wie im öffentlichen Leben, so drängt sich auch in allen Künsten Sucht nach Genuß und Verlangen nach heftigern Auf- regungen des Gemüths mehr hervor.
1. S. Böckh Staatshaush. 1 S. 311.
2. De Phidia i, 19.
3. Proton te erxe kai es talla te polei epi pleon
Hiſtoriſcher Theil.
und von dem großartigen und gewaltigen Sinne der Perikleiſchen Zeit durchdrungen, durch Phidias denſelben 2Gipfelpunkt. Jedoch ſind, dem Charakter der aͤltern Hellenen gemaͤß, noch immer ruhige Wuͤrde und eine lei- denſchaftsloſe Stille der Seele das Gepraͤge der bewun- 3derten Hauptwerke der Zeit. Der Geiſt der Atheniſchen Kunſt macht ſich ſchnell in Griechenland herrſchend: ob- gleich auch im Peloponnes, namentlich unter den demo- kratiſchen und induſtrioͤſen Argivern, die Kunſt in großer Vollkommenheit geuͤbt wird.
3. Atheniſche Künſtler arbeiten gegen Ol. 83 (de Phidia i, 14) für den Delphiſchen Tempel, und die Phidiaſſiſche Schule ſchmückt um Ol. 86. Olympia und Elis mit Bildwerken. — Ue- ber Argos Zuſtand des Verf. Dorier ii, S. 143.
1103. Der Peloponneſiſche Krieg, von Olymp. 87, 1 ex. bis 93, 4., vernichtet erſtens Athens Reichthum durch die das Maaß der Einkuͤnfte uͤberwiegenden Kriegs- 2koſten, und zerreißt zugleich das Band der Atheniſchen Kuͤnſtlerſchule mit den Peloponneſiſchen und andern. Tie- 3fer greift die innre Veraͤnderung, welche nicht ohne bedeu- tende Mitwirkung der großen Seuche (Ol. 87, 3), welche das mannhafte Geſchlecht der alten Athener hinwegraffte und ein ſchlechteres zuruͤckließ, im Peloponneſiſchen Kriege 4eintrat. Sinnlichkeit und Leidenſchaftlichkeit auf der einen, eine ſophiſtiſche und geſchwaͤtzige Verſtandesbildung auf der andern Seite treten an die Stelle der feſten und durch ſichre Gefuͤhle geleiteten Denkweiſe fruͤherer Zeiten; das Griechiſche Volk iſt gleichſam aus dem Mittelpunkte der alten National-Grundſaͤtze herausgeworfen; und, wie im oͤffentlichen Leben, ſo draͤngt ſich auch in allen Kuͤnſten Sucht nach Genuß und Verlangen nach heftigern Auf- regungen des Gemuͤths mehr hervor.
1. S. Böckh Staatshaush. 1 S. 311.
2. De Phidia i, 19.
3. Πρῶτόν τε ἦρξε καὶ ἐς τἆλλα τῇ πόλει ἐπὶ πλέον
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Hiſtoriſcher Theil.
und von dem großartigen und gewaltigen Sinne der
Perikleiſchen Zeit durchdrungen, durch Phidias denſelben
Gipfelpunkt. Jedoch ſind, dem Charakter der aͤltern
Hellenen gemaͤß, noch immer ruhige Wuͤrde und eine lei-
denſchaftsloſe Stille der Seele das Gepraͤge der bewun-
derten Hauptwerke der Zeit. Der Geiſt der Atheniſchen
Kunſt macht ſich ſchnell in Griechenland herrſchend: ob-
gleich auch im Peloponnes, namentlich unter den demo-
kratiſchen und induſtrioͤſen Argivern, die Kunſt in großer
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3. Atheniſche Künſtler arbeiten gegen Ol. 83 (de Phidia i,
14) für den Delphiſchen Tempel, und die Phidiaſſiſche Schule
ſchmückt um Ol. 86. Olympia und Elis mit Bildwerken. — Ue-
ber Argos Zuſtand des Verf. Dorier ii, S. 143.
103. Der Peloponneſiſche Krieg, von Olymp. 87,
1 ex. bis 93, 4., vernichtet erſtens Athens Reichthum
durch die das Maaß der Einkuͤnfte uͤberwiegenden Kriegs-
koſten, und zerreißt zugleich das Band der Atheniſchen
Kuͤnſtlerſchule mit den Peloponneſiſchen und andern. Tie-
fer greift die innre Veraͤnderung, welche nicht ohne bedeu-
tende Mitwirkung der großen Seuche (Ol. 87, 3), welche
das mannhafte Geſchlecht der alten Athener hinwegraffte
und ein ſchlechteres zuruͤckließ, im Peloponneſiſchen Kriege
eintrat. Sinnlichkeit und Leidenſchaftlichkeit auf der einen,
eine ſophiſtiſche und geſchwaͤtzige Verſtandesbildung auf
der andern Seite treten an die Stelle der feſten und durch
ſichre Gefuͤhle geleiteten Denkweiſe fruͤherer Zeiten; das
Griechiſche Volk iſt gleichſam aus dem Mittelpunkte der
alten National-Grundſaͤtze herausgeworfen; und, wie im
oͤffentlichen Leben, ſo draͤngt ſich auch in allen Kuͤnſten
Sucht nach Genuß und Verlangen nach heftigern Auf-
regungen des Gemuͤths mehr hervor.
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1. S. Böckh Staatshaush. 1 S. 311.
2. De Phidia i, 19.
3. Πρῶτόν τε ἦρξε καὶ ἐς τἆλλα τῇ πόλει ἐπὶ πλέον
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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/100>, abgerufen am 16.02.2025.
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