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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Griechen. Zweite Periode.
bildeten zwei einander entsprechende Gruppen in den Giebelfeldern
des Minerventempels (§. 80. Anm. ii, c. ) wovon die westliche voll-
ständiger, die östlichen Figuren aber größer und besser gearbeitet sind.
Athena leitet die Kämpfe der Aeginetischen Helden gegen Troja,
im W. den Kampf um Patroklos (Achilleus?), in O. um Lao-
medons Leichnam. Herakles steht in O. zum Aeakiden Telamon im
Verhältniß des Psilos (vgl. Eurip. Ras. Herakl. 158) wie Teukros
zu Aias in W.; Costüm und Gestalt entspricht der auf den Thasi-
schen Münzen (Mionnet Descr. Pl. 55.). Wie die Aeakiden hier
die Barbaren Asiens schlagen: so hatten sie neuerlich bei Salamis,
dem Glauben nach, mitgefochten (Herod. viii, 64. Aa), sammt
Athena, die in Aegina auch Seekämpfen vorsteht (Her. iii, 59).
Bestimmter deutet auf diese Parallele das Persische Bogenschützen-
Costüm des Paris (piloi apagees, kithones (skutinoi) khei-
ridotoi poikiloi lepidos siderees opsin ikhthuoeideos, peri
ta skelea (skutinai) anaxurides Herod. i, 71. v, 49.
vii,
61.). Darnach gehören sie sicher in Ol. 75 ff. Dem Mar-
mor war wahrscheinlich vergoldete Bronze angefügt (wie die Löcher
im Helm, den Ohren der Athena zeigen), auch die Locken zum
Theil aus Draht angesetzt. Spuren von Farbe an Waffen, Klei-
dern, Augäpfeln, Lippen, nicht am Fleisch. Die Anordnung der
Gruppen ist überaus verständig und zweckmäßig; vom Styl der
Arbeit §. 92. Auf den Akroterien standen weibliche Figuren in
alterthümlicher Draperie und Haltung (Mören, Niken, Keren?)

Wagners Bericht über die ägin. Bildw. mit kunstgeschichtl.
Anm. von Schelling. 1817. Hirt in Wolfs Analekten H. iii.
S. 167. (der für Erklärung und Zeitbestimmung sich das Haupt-
verdienst erworben). Cockerell §. 80. Anm. ii, c. Thiersch über
die mythische Bedeutung der Aegin. Bildw. Amalthea i. S. 137
ff. Göthe's Kunst u. Alterthum B. iii. S. 116 ff.


Styl der bildenden Kunst.

91. So wenig zu erwarten ist, daß in einer Zeit ei-
nes so angestrengten Strebens, bei der großen Ausdeh-
nung des Kunstbetriebs, dem verschiedenen Stammcharak-
ter der Dorier und Jonier, dem Mangel eines Mittel-
punkts, die Kunst überall auf gleiche Weise fortgeschrit-
ten sei: so bemerkt man doch gewisse durchgängige und in
dem Gange der Hellenischen Kunstentwickelung mit Noth-
wendigkeit gegebne Veränderungen. Sie bestehen haupt-
sächlich darin, daß die Formen aus der ursprünglichen

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Griechen. Zweite Periode.
bildeten zwei einander entſprechende Gruppen in den Giebelfeldern
des Minerventempels (§. 80. Anm. ii, c. ) wovon die weſtliche voll-
ſtändiger, die öſtlichen Figuren aber größer und beſſer gearbeitet ſind.
Athena leitet die Kämpfe der Aeginetiſchen Helden gegen Troja,
im W. den Kampf um Patroklos (Achilleus?), in O. um Lao-
medons Leichnam. Herakles ſteht in O. zum Aeakiden Telamon im
Verhältniß des Pſilos (vgl. Eurip. Raſ. Herakl. 158) wie Teukros
zu Aias in W.; Coſtüm und Geſtalt entſpricht der auf den Thaſi-
ſchen Münzen (Mionnet Descr. Pl. 55.). Wie die Aeakiden hier
die Barbaren Aſiens ſchlagen: ſo hatten ſie neuerlich bei Salamis,
dem Glauben nach, mitgefochten (Herod. viii, 64. Aa), ſammt
Athena, die in Aegina auch Seekämpfen vorſteht (Her. iii, 59).
Beſtimmter deutet auf dieſe Parallele das Perſiſche Bogenſchützen-
Coſtüm des Paris (πῖλοι ἀπαγέες, κιϑῶνες (σκύτινοι) χει-
ριδωτοὶ ποικίλοι λεπίδος σιδηρέης ὄψιν ἰχϑυοειδέος, περὶ
τὰ σκὲλεα (σκύτιναι) ἀναξυρίδες Herod. i, 71. v, 49.
vii,
61.). Darnach gehören ſie ſicher in Ol. 75 ff. Dem Mar-
mor war wahrſcheinlich vergoldete Bronze angefügt (wie die Löcher
im Helm, den Ohren der Athena zeigen), auch die Locken zum
Theil aus Draht angeſetzt. Spuren von Farbe an Waffen, Klei-
dern, Augäpfeln, Lippen, nicht am Fleiſch. Die Anordnung der
Gruppen iſt überaus verſtändig und zweckmäßig; vom Styl der
Arbeit §. 92. Auf den Akroterien ſtanden weibliche Figuren in
alterthümlicher Draperie und Haltung (Mören, Niken, Keren?)

Wagners Bericht über die ägin. Bildw. mit kunſtgeſchichtl.
Anm. von Schelling. 1817. Hirt in Wolfs Analekten H. iii.
S. 167. (der für Erklärung und Zeitbeſtimmung ſich das Haupt-
verdienſt erworben). Cockerell §. 80. Anm. ii, c. Thierſch über
die mythiſche Bedeutung der Aegin. Bildw. Amalthea i. S. 137
ff. Göthe’s Kunſt u. Alterthum B. iii. S. 116 ff.


Styl der bildenden Kunſt.

91. So wenig zu erwarten iſt, daß in einer Zeit ei-
nes ſo angeſtrengten Strebens, bei der großen Ausdeh-
nung des Kunſtbetriebs, dem verſchiedenen Stammcharak-
ter der Dorier und Jonier, dem Mangel eines Mittel-
punkts, die Kunſt uͤberall auf gleiche Weiſe fortgeſchrit-
ten ſei: ſo bemerkt man doch gewiſſe durchgaͤngige und in
dem Gange der Helleniſchen Kunſtentwickelung mit Noth-
wendigkeit gegebne Veraͤnderungen. Sie beſtehen haupt-
ſaͤchlich darin, daß die Formen aus der urſpruͤnglichen

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[65/0087] Griechen. Zweite Periode. bildeten zwei einander entſprechende Gruppen in den Giebelfeldern des Minerventempels (§. 80. Anm. ii, c. ) wovon die weſtliche voll- ſtändiger, die öſtlichen Figuren aber größer und beſſer gearbeitet ſind. Athena leitet die Kämpfe der Aeginetiſchen Helden gegen Troja, im W. den Kampf um Patroklos (Achilleus?), in O. um Lao- medons Leichnam. Herakles ſteht in O. zum Aeakiden Telamon im Verhältniß des Pſilos (vgl. Eurip. Raſ. Herakl. 158) wie Teukros zu Aias in W.; Coſtüm und Geſtalt entſpricht der auf den Thaſi- ſchen Münzen (Mionnet Descr. Pl. 55.). Wie die Aeakiden hier die Barbaren Aſiens ſchlagen: ſo hatten ſie neuerlich bei Salamis, dem Glauben nach, mitgefochten (Herod. viii, 64. Aa), ſammt Athena, die in Aegina auch Seekämpfen vorſteht (Her. iii, 59). Beſtimmter deutet auf dieſe Parallele das Perſiſche Bogenſchützen- Coſtüm des Paris (πῖλοι ἀπαγέες, κιϑῶνες (σκύτινοι) χει- ριδωτοὶ ποικίλοι λεπίδος σιδηρέης ὄψιν ἰχϑυοειδέος, περὶ τὰ σκὲλεα (σκύτιναι) ἀναξυρίδες Herod. i, 71. v, 49. vii, 61.). Darnach gehören ſie ſicher in Ol. 75 ff. Dem Mar- mor war wahrſcheinlich vergoldete Bronze angefügt (wie die Löcher im Helm, den Ohren der Athena zeigen), auch die Locken zum Theil aus Draht angeſetzt. Spuren von Farbe an Waffen, Klei- dern, Augäpfeln, Lippen, nicht am Fleiſch. Die Anordnung der Gruppen iſt überaus verſtändig und zweckmäßig; vom Styl der Arbeit §. 92. Auf den Akroterien ſtanden weibliche Figuren in alterthümlicher Draperie und Haltung (Mören, Niken, Keren?) Wagners Bericht über die ägin. Bildw. mit kunſtgeſchichtl. Anm. von Schelling. 1817. Hirt in Wolfs Analekten H. iii. S. 167. (der für Erklärung und Zeitbeſtimmung ſich das Haupt- verdienſt erworben). Cockerell §. 80. Anm. ii, c. Thierſch über die mythiſche Bedeutung der Aegin. Bildw. Amalthea i. S. 137 ff. Göthe’s Kunſt u. Alterthum B. iii. S. 116 ff. Styl der bildenden Kunſt. 91. So wenig zu erwarten iſt, daß in einer Zeit ei- nes ſo angeſtrengten Strebens, bei der großen Ausdeh- nung des Kunſtbetriebs, dem verſchiedenen Stammcharak- ter der Dorier und Jonier, dem Mangel eines Mittel- punkts, die Kunſt uͤberall auf gleiche Weiſe fortgeſchrit- ten ſei: ſo bemerkt man doch gewiſſe durchgaͤngige und in dem Gange der Helleniſchen Kunſtentwickelung mit Noth- wendigkeit gegebne Veraͤnderungen. Sie beſtehen haupt- ſaͤchlich darin, daß die Formen aus der urſpruͤnglichen 5

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/87>, abgerufen am 24.11.2024.