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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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Ertzgiesser und Mahler aufgesucht wurden/ die
alle ihre Geschicklichkeit in der Bildung eines
Götzens anzubringen suchten. Hier aber hau-
et ein jeder ihm nach Belieben seinen Götzen
aus/ schafft ihn wieder ab/ und zerstümmelt ihn/
oder wirfft ihn gar ins Feuer/ wie seine Phan-
tasie
es ihm überredet. Es war aber solches
insgemein ein Klotz/ woran sie oben eine Runde/
wie eines Menschen-Kopff/ ausgehauen/ und
ihm eine abgeschmackte Naase/ nebst einer Ker-
be in die Quäre, die den Mund bedeuten solte,
formiret hatten.

§. 4. Die von ihren Vorfahren geerbte wa-
ren meist von Ertz in der Figur einer Ganß/ ei-
ner Jungfer mit ausgestrecktem Arm, einer
Schlangen und dergleichen/ selbige waren
künstlich genug gegossen/ und scheinet/ daß sie
von denen ingenieusen Chinesern an sie gekom-
men seyn müssen. Andere aber haben gar keine
Gestalt; Denn es war ein dicker länglichter
Klotz auf der Erde gelegt, mit allerhand Lum-
pen und Zeug bewunden, oben auf lag ein
Stück vom abgebrochenen Spiegel, welches
von der Sonnen/ wann sie schiene/ einen Schim-
mer von sich gab.

§. 5. Sothane Abgötter stellen sie auf erha-
bene und nach Gelegenheit des Ortes lustige
Berge/ setzen sie insgemein in ein Häußgen
vom Holtz im dicken Walde/ wonebenst eine klei-
nere Hütte stehet/ darinnen sie die Knochen vom
Geschlachteten zusammen tragen. Jedennoch

fin-

Ertzgieſſer und Mahler aufgeſucht wurden/ die
alle ihre Geſchicklichkeit in der Bildung eines
Goͤtzens anzubringen ſuchten. Hier aber hau-
et ein jeder ihm nach Belieben ſeinen Goͤtzen
aus/ ſchafft ihn wieder ab/ und zerſtuͤmmelt ihn/
oder wirfft ihn gar ins Feuer/ wie ſeine Phan-
taſie
es ihm uͤberredet. Es war aber ſolches
insgemein ein Klotz/ woran ſie oben eine Runde/
wie eines Menſchen-Kopff/ ausgehauen/ und
ihm eine abgeſchmackte Naaſe/ nebſt einer Ker-
be in die Quaͤre, die den Mund bedeuten ſolte,
formiret hatten.

§. 4. Die von ihren Vorfahren geerbte wa-
ren meiſt von Ertz in der Figur einer Ganß/ ei-
ner Jungfer mit ausgeſtrecktem Arm, einer
Schlangen und dergleichen/ ſelbige waren
kuͤnſtlich genug gegoſſen/ und ſcheinet/ daß ſie
von denen ingenieuſen Chineſern an ſie gekom-
men ſeyn muͤſſen. Andere aber haben gar keine
Geſtalt; Denn es war ein dicker laͤnglichter
Klotz auf der Erde gelegt, mit allerhand Lum-
pen und Zeug bewunden, oben auf lag ein
Stuͤck vom abgebrochenen Spiegel, welches
von der Sonnen/ wann ſie ſchiene/ einen Schim-
mer von ſich gab.

§. 5. Sothane Abgoͤtter ſtellen ſie auf erha-
bene und nach Gelegenheit des Ortes luſtige
Berge/ ſetzen ſie insgemein in ein Haͤußgen
vom Holtz im dicken Walde/ wonebenſt eine klei-
nere Huͤtte ſtehet/ darinnen ſie die Knochen vom
Geſchlachteten zuſammen tragen. Jedennoch

fin-
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[45/0061] Ertzgieſſer und Mahler aufgeſucht wurden/ die alle ihre Geſchicklichkeit in der Bildung eines Goͤtzens anzubringen ſuchten. Hier aber hau- et ein jeder ihm nach Belieben ſeinen Goͤtzen aus/ ſchafft ihn wieder ab/ und zerſtuͤmmelt ihn/ oder wirfft ihn gar ins Feuer/ wie ſeine Phan- taſie es ihm uͤberredet. Es war aber ſolches insgemein ein Klotz/ woran ſie oben eine Runde/ wie eines Menſchen-Kopff/ ausgehauen/ und ihm eine abgeſchmackte Naaſe/ nebſt einer Ker- be in die Quaͤre, die den Mund bedeuten ſolte, formiret hatten. §. 4. Die von ihren Vorfahren geerbte wa- ren meiſt von Ertz in der Figur einer Ganß/ ei- ner Jungfer mit ausgeſtrecktem Arm, einer Schlangen und dergleichen/ ſelbige waren kuͤnſtlich genug gegoſſen/ und ſcheinet/ daß ſie von denen ingenieuſen Chineſern an ſie gekom- men ſeyn muͤſſen. Andere aber haben gar keine Geſtalt; Denn es war ein dicker laͤnglichter Klotz auf der Erde gelegt, mit allerhand Lum- pen und Zeug bewunden, oben auf lag ein Stuͤck vom abgebrochenen Spiegel, welches von der Sonnen/ wann ſie ſchiene/ einen Schim- mer von ſich gab. §. 5. Sothane Abgoͤtter ſtellen ſie auf erha- bene und nach Gelegenheit des Ortes luſtige Berge/ ſetzen ſie insgemein in ein Haͤußgen vom Holtz im dicken Walde/ wonebenſt eine klei- nere Huͤtte ſtehet/ darinnen ſie die Knochen vom Geſchlachteten zuſammen tragen. Jedennoch fin-

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/61>, abgerufen am 27.11.2024.