war schon die erste Familie auf der Erde eine Zwangsanstalt.
Daß man späterhin den Oberherrn mit phy- sischer Gewalt zum Zwingen ausgerüstet hat; daß nachher spätere Jahrhunderte dem auf diese Weise künstlich bewaffneten Machthaber den phi- lanthropischen Gedanken untergelegt haben, er sey das Recht selbst, und wo der Zwang gefunden werde, müsse auch das Recht seyn --: das ist schön und gut; dessen ungeachtet aber haben die aufgeklärtesten und menschenfreundlichsten, auch unumschränktesten Suveräne in unsern Tagen öfters erklärt, daß sie sich dem Gesetze unter- worfen fühlen, daß also eine unsichtbare höhere Gewalt allen ihren Zwang wieder bezwinge, und daß die präsumirte Vollkommenheit und recht- liche Abgeschlossenheit des Staates, welche die Theorie behauptet, nicht Statt finde. Diese ist in einem sonderbaren Widerspruche mit sich selbst: auf der Einen Seite setzt sie eine wirk- liche und absolute Zwangsgewalt voraus, als längst und vollkommen rechtlich existirend; auf der andern läugnet sie, daß schon ein wirkliches Wesen gefunden sey, dem, wegen seiner Voll- kommenheit, diese Zwangsgewalt übertragen wer- den könne. Das erste thut sie in ihrem posi- tiven Rechte, das andre in ihrem Natur-
war ſchon die erſte Familie auf der Erde eine Zwangsanſtalt.
Daß man ſpaͤterhin den Oberherrn mit phy- ſiſcher Gewalt zum Zwingen ausgeruͤſtet hat; daß nachher ſpaͤtere Jahrhunderte dem auf dieſe Weiſe kuͤnſtlich bewaffneten Machthaber den phi- lanthropiſchen Gedanken untergelegt haben, er ſey das Recht ſelbſt, und wo der Zwang gefunden werde, muͤſſe auch das Recht ſeyn —: das iſt ſchoͤn und gut; deſſen ungeachtet aber haben die aufgeklaͤrteſten und menſchenfreundlichſten, auch unumſchraͤnkteſten Suveraͤne in unſern Tagen oͤfters erklaͤrt, daß ſie ſich dem Geſetze unter- worfen fuͤhlen, daß alſo eine unſichtbare hoͤhere Gewalt allen ihren Zwang wieder bezwinge, und daß die praͤſumirte Vollkommenheit und recht- liche Abgeſchloſſenheit des Staates, welche die Theorie behauptet, nicht Statt finde. Dieſe iſt in einem ſonderbaren Widerſpruche mit ſich ſelbſt: auf der Einen Seite ſetzt ſie eine wirk- liche und abſolute Zwangsgewalt voraus, als laͤngſt und vollkommen rechtlich exiſtirend; auf der andern laͤugnet ſie, daß ſchon ein wirkliches Weſen gefunden ſey, dem, wegen ſeiner Voll- kommenheit, dieſe Zwangsgewalt uͤbertragen wer- den koͤnne. Das erſte thut ſie in ihrem poſi- tiven Rechte, das andre in ihrem Natur-
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war ſchon die erſte Familie auf der Erde eine
Zwangsanſtalt.
Daß man ſpaͤterhin den Oberherrn mit phy-
ſiſcher Gewalt zum Zwingen ausgeruͤſtet hat;
daß nachher ſpaͤtere Jahrhunderte dem auf dieſe
Weiſe kuͤnſtlich bewaffneten Machthaber den phi-
lanthropiſchen Gedanken untergelegt haben, er ſey
das Recht ſelbſt, und wo der Zwang gefunden
werde, muͤſſe auch das Recht ſeyn —: das iſt
ſchoͤn und gut; deſſen ungeachtet aber haben die
aufgeklaͤrteſten und menſchenfreundlichſten, auch
unumſchraͤnkteſten Suveraͤne in unſern Tagen
oͤfters erklaͤrt, daß ſie ſich dem Geſetze unter-
worfen fuͤhlen, daß alſo eine unſichtbare hoͤhere
Gewalt allen ihren Zwang wieder bezwinge, und
daß die praͤſumirte Vollkommenheit und recht-
liche Abgeſchloſſenheit des Staates, welche die
Theorie behauptet, nicht Statt finde. Dieſe
iſt in einem ſonderbaren Widerſpruche mit ſich
ſelbſt: auf der Einen Seite ſetzt ſie eine wirk-
liche und abſolute Zwangsgewalt voraus, als
laͤngſt und vollkommen rechtlich exiſtirend; auf
der andern laͤugnet ſie, daß ſchon ein wirkliches
Weſen gefunden ſey, dem, wegen ſeiner Voll-
kommenheit, dieſe Zwangsgewalt uͤbertragen wer-
den koͤnne. Das erſte thut ſie in ihrem poſi-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/108>, abgerufen am 22.11.2024.
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