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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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theile getäuscht, vielleicht die Majorats-Gesetze
aufheben wollen, unter deren Schirm sich jene
großen Massen des Grundeigenthums aufgehäuft
haben.

Wenn man aber aus dem bloßen Stand-
punkte des Nutzens, doch weitsichtiger und um-
sichtiger, so räsonnirte: "Was ist aller einzelne
Vortheil ohne Credit, ohne Treue und Glauben!
Daß mein Vortheil behauptet werden und dauern
könne, ist die Seele aller einzelnen Vortheile,
der Vortheil aller Vortheile; daß meine Enkel
noch frei genießen können, was ich erwerbe,
wird mir nur durch die Treue garantirt, mit der
ich Das respectire, was die Enkel unter meinen
Zeitgenossen als Erben ihrer Ahnherren genießen."
-- Oder, wenn ich, eben so ökonomisch, auf
folgende Art räsonnirte: "Was ich an reinem
Einkommen gewinne, indem jene großen Schol-
len in mehrere kleine, besser bewirthschaftete zer-
theilt werden, verliere ich in außerordentlichen
Fällen, wo ich ungewöhnlicher Fonds bedarf.
Der große Eigenthümer kann bei einem aus-
brechenden Kriege größere Aufopferungen machen,
als alle die kleineren, unter die seine Scholle
vertheilt werden würde, zusammengenommen;
und er wird es thun, da er mehr an das In-
teresse des Staates gebunden ist, als alle jene

theile getaͤuſcht, vielleicht die Majorats-Geſetze
aufheben wollen, unter deren Schirm ſich jene
großen Maſſen des Grundeigenthums aufgehaͤuft
haben.

Wenn man aber aus dem bloßen Stand-
punkte des Nutzens, doch weitſichtiger und um-
ſichtiger, ſo raͤſonnirte: „Was iſt aller einzelne
Vortheil ohne Credit, ohne Treue und Glauben!
Daß mein Vortheil behauptet werden und dauern
koͤnne, iſt die Seele aller einzelnen Vortheile,
der Vortheil aller Vortheile; daß meine Enkel
noch frei genießen koͤnnen, was ich erwerbe,
wird mir nur durch die Treue garantirt, mit der
ich Das reſpectire, was die Enkel unter meinen
Zeitgenoſſen als Erben ihrer Ahnherren genießen.”
— Oder, wenn ich, eben ſo oͤkonomiſch, auf
folgende Art raͤſonnirte: „Was ich an reinem
Einkommen gewinne, indem jene großen Schol-
len in mehrere kleine, beſſer bewirthſchaftete zer-
theilt werden, verliere ich in außerordentlichen
Faͤllen, wo ich ungewoͤhnlicher Fonds bedarf.
Der große Eigenthuͤmer kann bei einem aus-
brechenden Kriege groͤßere Aufopferungen machen,
als alle die kleineren, unter die ſeine Scholle
vertheilt werden wuͤrde, zuſammengenommen;
und er wird es thun, da er mehr an das In-
tereſſe des Staates gebunden iſt, als alle jene

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[89/0123] theile getaͤuſcht, vielleicht die Majorats-Geſetze aufheben wollen, unter deren Schirm ſich jene großen Maſſen des Grundeigenthums aufgehaͤuft haben. Wenn man aber aus dem bloßen Stand- punkte des Nutzens, doch weitſichtiger und um- ſichtiger, ſo raͤſonnirte: „Was iſt aller einzelne Vortheil ohne Credit, ohne Treue und Glauben! Daß mein Vortheil behauptet werden und dauern koͤnne, iſt die Seele aller einzelnen Vortheile, der Vortheil aller Vortheile; daß meine Enkel noch frei genießen koͤnnen, was ich erwerbe, wird mir nur durch die Treue garantirt, mit der ich Das reſpectire, was die Enkel unter meinen Zeitgenoſſen als Erben ihrer Ahnherren genießen.” — Oder, wenn ich, eben ſo oͤkonomiſch, auf folgende Art raͤſonnirte: „Was ich an reinem Einkommen gewinne, indem jene großen Schol- len in mehrere kleine, beſſer bewirthſchaftete zer- theilt werden, verliere ich in außerordentlichen Faͤllen, wo ich ungewoͤhnlicher Fonds bedarf. Der große Eigenthuͤmer kann bei einem aus- brechenden Kriege groͤßere Aufopferungen machen, als alle die kleineren, unter die ſeine Scholle vertheilt werden wuͤrde, zuſammengenommen; und er wird es thun, da er mehr an das In- tereſſe des Staates gebunden iſt, als alle jene

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/123>, abgerufen am 22.11.2024.