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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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mischt aus beiden Altern Feindseliges, nie zu
Vereinigendes, unter einander, und geht in den
Zauberkünsten, zu denen er seine Zuflucht neh-
men muß, nothwendig unter. Die Formen
des neuen Alters, das er betreten hat, ahmt er
nach: aber der Geist desselben läßt sich nicht
bannen; Gebet und Schminke vertragen sich
ewig nicht:

Qui n'a pas l'esprit de son age,
De son age a tout le malheur.

Auch hier wieder ist ganz deutlich zu erken-
nen, wie der Staatsmann überall und auf
jedem Schritte seiner Laufbahn zwischen zwei
streitenden Ideen zu vermitteln und eine höhere
Idee zu erzeugen hat. Einzeln kann er weder
die Macht der Jugend, noch die ruhige Weisheit
und Umsichtigkeit des Alters gebrauchen. Das
Princip der Anciennetät, wonach dem Einen Alter
des Menschen, dem späteren, schwächeren, ein
unbedingter Vorrang bei Besetzung der Staats-
ämter eingeräumt wurde, hat, wie wir Alle
fühlen, die Katastrophe von 1789 und ihre
schauerlichen Folgen herbei führen helfen. Das
Alter hatte fast in allen Staaten einen zu ent-
schiedenen Vorzug vor der Jugend; der Jugend
fehlte es an Repräsentanten in den Regierun-
gen von Europa. So muß das Jahr 1808 in

miſcht aus beiden Altern Feindſeliges, nie zu
Vereinigendes, unter einander, und geht in den
Zauberkuͤnſten, zu denen er ſeine Zuflucht neh-
men muß, nothwendig unter. Die Formen
des neuen Alters, das er betreten hat, ahmt er
nach: aber der Geiſt deſſelben laͤßt ſich nicht
bannen; Gebet und Schminke vertragen ſich
ewig nicht:

Qui n’a pas l’esprit de son age,
De son age a tout le malheur.

Auch hier wieder iſt ganz deutlich zu erken-
nen, wie der Staatsmann uͤberall und auf
jedem Schritte ſeiner Laufbahn zwiſchen zwei
ſtreitenden Ideen zu vermitteln und eine hoͤhere
Idee zu erzeugen hat. Einzeln kann er weder
die Macht der Jugend, noch die ruhige Weisheit
und Umſichtigkeit des Alters gebrauchen. Das
Princip der Anciennetaͤt, wonach dem Einen Alter
des Menſchen, dem ſpaͤteren, ſchwaͤcheren, ein
unbedingter Vorrang bei Beſetzung der Staats-
aͤmter eingeraͤumt wurde, hat, wie wir Alle
fuͤhlen, die Kataſtrophe von 1789 und ihre
ſchauerlichen Folgen herbei fuͤhren helfen. Das
Alter hatte faſt in allen Staaten einen zu ent-
ſchiedenen Vorzug vor der Jugend; der Jugend
fehlte es an Repraͤſentanten in den Regierun-
gen von Europa. So muß das Jahr 1808 in

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[132/0166] miſcht aus beiden Altern Feindſeliges, nie zu Vereinigendes, unter einander, und geht in den Zauberkuͤnſten, zu denen er ſeine Zuflucht neh- men muß, nothwendig unter. Die Formen des neuen Alters, das er betreten hat, ahmt er nach: aber der Geiſt deſſelben laͤßt ſich nicht bannen; Gebet und Schminke vertragen ſich ewig nicht: Qui n’a pas l’esprit de son age, De son age a tout le malheur. Auch hier wieder iſt ganz deutlich zu erken- nen, wie der Staatsmann uͤberall und auf jedem Schritte ſeiner Laufbahn zwiſchen zwei ſtreitenden Ideen zu vermitteln und eine hoͤhere Idee zu erzeugen hat. Einzeln kann er weder die Macht der Jugend, noch die ruhige Weisheit und Umſichtigkeit des Alters gebrauchen. Das Princip der Anciennetaͤt, wonach dem Einen Alter des Menſchen, dem ſpaͤteren, ſchwaͤcheren, ein unbedingter Vorrang bei Beſetzung der Staats- aͤmter eingeraͤumt wurde, hat, wie wir Alle fuͤhlen, die Kataſtrophe von 1789 und ihre ſchauerlichen Folgen herbei fuͤhren helfen. Das Alter hatte faſt in allen Staaten einen zu ent- ſchiedenen Vorzug vor der Jugend; der Jugend fehlte es an Repraͤſentanten in den Regierun- gen von Europa. So muß das Jahr 1808 in

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/166>, abgerufen am 24.11.2024.