Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Ehe, nicht unsern verderbten und ver-
unstalteten Zeitbegriffen, sondern ihrer natürli-
chen und ursprünglichen Gestalt nach, also das
Verhältniß des männlichen und des weiblichen
Geschlechtes, ist eine ewige, unter allen Zonen
der Erde verbreitete Schule der Gegenseitigkeit;
und darum ist die Rücksicht auf dieses zweite
Grundverhältniß der Familie so wichtig. Die
beiden Elemente des Staates, deren jedes in sei-
ner Eigenthümlichkeit bestehen und vertheidigt
werden muß, die sichtbare und die unsichtbare
Macht, die Gewalt und die Liebe, die Strenge
und die Milde, welche vermittelnd zu vereinigen,
die Aufgabe sowohl des Staatskünstlers als
aller andern Künstler ist, erscheinen in dem Ver-
hältnisse der beiden Geschlechter lebendig, per-
sönlich und als wirkliche Ideen neben einander.
Und wie nun die Natur die Fortdauer des wirk-
lichen leibhaftigen Menschen abhängig gemacht
hat von der innigsten, gegenseitigen Berührung
und Verbindung dieser beiden Geschlechter: so
hat sie damit dem unbefangensten Beobachter der
bürgerlichen Vereinigung den deutlichsten Finger-
zeig gegeben, alle anderen Verhältnisse nach die-
sem Muster einzurichten, allenthalben von der
Verbindung des recht Verschiedenartigen und
Entgegengesetzten die größte Innigkeit dieser Ver-

Die Ehe, nicht unſern verderbten und ver-
unſtalteten Zeitbegriffen, ſondern ihrer natuͤrli-
chen und urſpruͤnglichen Geſtalt nach, alſo das
Verhaͤltniß des maͤnnlichen und des weiblichen
Geſchlechtes, iſt eine ewige, unter allen Zonen
der Erde verbreitete Schule der Gegenſeitigkeit;
und darum iſt die Ruͤckſicht auf dieſes zweite
Grundverhaͤltniß der Familie ſo wichtig. Die
beiden Elemente des Staates, deren jedes in ſei-
ner Eigenthuͤmlichkeit beſtehen und vertheidigt
werden muß, die ſichtbare und die unſichtbare
Macht, die Gewalt und die Liebe, die Strenge
und die Milde, welche vermittelnd zu vereinigen,
die Aufgabe ſowohl des Staatskuͤnſtlers als
aller andern Kuͤnſtler iſt, erſcheinen in dem Ver-
haͤltniſſe der beiden Geſchlechter lebendig, per-
ſoͤnlich und als wirkliche Ideen neben einander.
Und wie nun die Natur die Fortdauer des wirk-
lichen leibhaftigen Menſchen abhaͤngig gemacht
hat von der innigſten, gegenſeitigen Beruͤhrung
und Verbindung dieſer beiden Geſchlechter: ſo
hat ſie damit dem unbefangenſten Beobachter der
buͤrgerlichen Vereinigung den deutlichſten Finger-
zeig gegeben, alle anderen Verhaͤltniſſe nach die-
ſem Muſter einzurichten, allenthalben von der
Verbindung des recht Verſchiedenartigen und
Entgegengeſetzten die groͤßte Innigkeit dieſer Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0185" n="151"/>
            <p>Die Ehe, nicht un&#x017F;ern verderbten und ver-<lb/>
un&#x017F;talteten Zeitbegriffen, &#x017F;ondern ihrer natu&#x0364;rli-<lb/>
chen und ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Ge&#x017F;talt nach, al&#x017F;o das<lb/>
Verha&#x0364;ltniß des ma&#x0364;nnlichen und des weiblichen<lb/>
Ge&#x017F;chlechtes, i&#x017F;t eine ewige, unter allen Zonen<lb/>
der Erde verbreitete Schule der Gegen&#x017F;eitigkeit;<lb/>
und darum i&#x017F;t die Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die&#x017F;es zweite<lb/>
Grundverha&#x0364;ltniß der Familie &#x017F;o wichtig. Die<lb/>
beiden Elemente des Staates, deren jedes in &#x017F;ei-<lb/>
ner Eigenthu&#x0364;mlichkeit be&#x017F;tehen und vertheidigt<lb/>
werden muß, die &#x017F;ichtbare und die un&#x017F;ichtbare<lb/>
Macht, die Gewalt und die Liebe, die Strenge<lb/>
und die Milde, welche vermittelnd zu vereinigen,<lb/>
die Aufgabe &#x017F;owohl des Staatsku&#x0364;n&#x017F;tlers als<lb/>
aller andern Ku&#x0364;n&#x017F;tler i&#x017F;t, er&#x017F;cheinen in dem Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der beiden Ge&#x017F;chlechter lebendig, per-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;nlich und als wirkliche Ideen neben einander.<lb/>
Und wie nun die Natur die Fortdauer des wirk-<lb/>
lichen leibhaftigen Men&#x017F;chen abha&#x0364;ngig gemacht<lb/>
hat von der innig&#x017F;ten, gegen&#x017F;eitigen Beru&#x0364;hrung<lb/>
und Verbindung die&#x017F;er beiden Ge&#x017F;chlechter: &#x017F;o<lb/>
hat &#x017F;ie damit dem unbefangen&#x017F;ten Beobachter der<lb/>
bu&#x0364;rgerlichen Vereinigung den deutlich&#x017F;ten Finger-<lb/>
zeig gegeben, alle anderen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e nach die-<lb/>
&#x017F;em Mu&#x017F;ter einzurichten, allenthalben von der<lb/>
Verbindung des recht Ver&#x017F;chiedenartigen und<lb/>
Entgegenge&#x017F;etzten die gro&#x0364;ßte Innigkeit die&#x017F;er Ver-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0185] Die Ehe, nicht unſern verderbten und ver- unſtalteten Zeitbegriffen, ſondern ihrer natuͤrli- chen und urſpruͤnglichen Geſtalt nach, alſo das Verhaͤltniß des maͤnnlichen und des weiblichen Geſchlechtes, iſt eine ewige, unter allen Zonen der Erde verbreitete Schule der Gegenſeitigkeit; und darum iſt die Ruͤckſicht auf dieſes zweite Grundverhaͤltniß der Familie ſo wichtig. Die beiden Elemente des Staates, deren jedes in ſei- ner Eigenthuͤmlichkeit beſtehen und vertheidigt werden muß, die ſichtbare und die unſichtbare Macht, die Gewalt und die Liebe, die Strenge und die Milde, welche vermittelnd zu vereinigen, die Aufgabe ſowohl des Staatskuͤnſtlers als aller andern Kuͤnſtler iſt, erſcheinen in dem Ver- haͤltniſſe der beiden Geſchlechter lebendig, per- ſoͤnlich und als wirkliche Ideen neben einander. Und wie nun die Natur die Fortdauer des wirk- lichen leibhaftigen Menſchen abhaͤngig gemacht hat von der innigſten, gegenſeitigen Beruͤhrung und Verbindung dieſer beiden Geſchlechter: ſo hat ſie damit dem unbefangenſten Beobachter der buͤrgerlichen Vereinigung den deutlichſten Finger- zeig gegeben, alle anderen Verhaͤltniſſe nach die- ſem Muſter einzurichten, allenthalben von der Verbindung des recht Verſchiedenartigen und Entgegengeſetzten die groͤßte Innigkeit dieſer Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/185
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/185>, abgerufen am 24.11.2024.